Ein Jahr Mehrweg-Angebotspflicht: Ein erfolgloses Gesetz?
Seit über einem Jahr gilt die bundesweite Mehrweg-Angebotspflicht für Speisen und Getränke "to go". Betriebe, die Essen oder Getränke zum Mitnehmen verkaufen, müssen dafür eine Mehrwegverpackung als Alternative anbieten. Die Bundesregierung will damit die riesigen Müllberge begrenzen, die Einwegverpackungen verursachen. Doch gerade mal 1,6 Prozent der 14,8 Milliarden Getränke und Speisen, die im vergangenen Jahr in Deutschland "to go" verkauft wurden, gingen in Mehrwegbehältnissen über die Theke, haben Umweltschützer vom WWF berechnet. Die große Verpackungswende scheint trotz Gesetz bisher ausgeblieben zu sein.
Nach über einem Jahr Mehrweg-Angebotspflicht meinen viele: Gut gedacht, aber schlecht gemacht. Doch stimmt das? Wir begleiten Marco Hans, er ist Kontrolleur der Unteren Abfallbehörde vom Kieler Umweltschutzamt. Seine Aufgabe ist es, herauszufinden, ob sich die Kieler Gastronomiebetriebe an die sogenannte Mehrwegangebotspflicht halten. Bieten Betriebe Speisen und Getränke zum Mitnehmen an, müssen sie den Kunden und Kundinnen Mehrwegverpackungen anbieten und mit einem Hinweisschild darauf aufmerksam machen.
Seine stichprobenartigen Kontrollen an diesem Tag zeigen: Bei einigen Betrieben werden die Vorgaben vollständig umgesetzt, andere wiederum weisen nicht auf die Alternative der Mehrwegverpackungen hin oder haben gar keine Mehrwegverpackungen im Angebot.
Personal reicht nur für Stichproben
Marco Hans macht die jeweiligen Betriebe darauf aufmerksam, in ein paar Wochen wird er erneut kontrollieren, unangekündigt. Doch er sagt: Wenn man "richtig intensiv" überwachen wolle, dann "bräuchten wir drei Vollzeitstellen, um das bewerkstelligen zu können". Aber das Personal sei nicht vorhanden. Insofern könne auch weiterhin nur stichprobenartig kontrolliert werden.
Auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer weiß um die Problematik mit den Kontrollen - 35 Prozent seiner Abfallbehörden kontrollieren nur stichprobenartig. Laut Meyer sei es die Pflicht des Bundes "nach jahrelanger Sparpolitik" die Kommunen finanziell besser auszustatten, damit sie der Kontrollpflicht besser nachkommen können.
Angebotspflicht gilt nicht für alle Verpackungen
Laut Kontrolleur Hans in Kiel habe das Gesetz darüber hinaus noch weiteren Nachbesserungsbedarf, denn die Mehrwegangebotspflicht gilt nicht für Verpackungen aus Pappe oder Aluminium. Deshalb seien einige Betriebe auf diese Form der Verpackungen umgestiegen.
Und: Der Marktanteil von Mehrweg zum Mitnehmen nahm bisher nur um einen bis anderthalb Prozentpunkte zu. Täglich landen laut Verbraucherzentralen noch immer 770 Tonnen Wegwerfverpackungen im Müll - oder direkt in der Natur.
Tübingen geht Sonderweg
Ist eine Einwegsteuer die Lösung, wie sie die Stadt Tübingen eingeführt und damit nach eigenen Aussagen die Müllberge bereits reduzieren konnte? Claudia Patzwahl ist die Projektleiterin Verpackungssteuer in Tübingen. Offizielle Zahlen konnten noch nicht erhoben werden, sagt sie, aber die Effekte der Steuer auf Einwegverpackungen seien täglich auf Tübingens Straßen zu sehen. Es gebe viel weniger Verpackungsmüll und deutlich mehr Menschen würden mit Mehrwegverpackungen durch die Innenstadt laufen.
Gesetz soll ausgeweitet werden
Neben der Ausweitung der Mehrwegangebotspflicht auch auf Pappe und Aluminium fordern viele auch ein einheitliches Mehrwegsystem, mit dem man die Mehrwegverpackungen bei allen großen deutschen Gastronomieketten zurückgeben kann. Denn noch immer gibt es viele verschiedene Hersteller für Mehrwegverpackungen. Für die Kunden und Kundinnen kann das schnell unübersichtlich und umständlich werden.
Mittlerweile hat das Bundesumweltministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem alle Einwegverpackungen, egal ob aus Plastik, Aluminium oder Pappe, in die Mehrweg-Angebotspflicht aufgenommen würden. Derzeit berät die Bundesregierung darüber. Klar ist: So, wie die Mehrweg-Angebotspflicht bisher gestaltet ist, scheint sie keine Verpackungswende herbeiführen zu können.