Die Traum-Trasse - Warum die A26 Ost scheitern könnte

Stand: 15.10.2024 16:00 Uhr

Der Hamburger Senat betrachtet den Bau der A26 Ost als wichtiges Projekt, dabei sind selbst SPD-Parteifreunde in Berlin skeptisch. Das Projekt könnte scheitern.

von Stefan Buchen

Im Süden Hamburgs wird eine neue Autobahn geplant, eine Querverbindung zwischen der A7 und der A1. Die zehn Kilometer lange Trasse soll die Anbindung des Hamburger Hafens an den Straßenverkehr verbessern. So steht es im Bundesverkehrswegeplan. Die A26 Ost ist dort mit Kosten von 895,9 Millionen Euro, "Preisstand 2014", veranschlagt.

Das stuft Sebastian Haß, Bereichsleiter der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), als "teuer" ein. Haß ist verantwortlich für die Realisierung. Es handele sich um "ein komplettes Ingenieurbauwerk mit kaum einem Streckenabschnitt, der einfach herzustellen ist". So erklärte Haß im Dezember 2021 die relativ hohen Kosten im Interview mit Panorama 3. Die neue Autobahn soll teils über Pfeiler und teils durch einen Tunnel geführt werden.

Enorme Kostensteigerungen schon vor Baubeginn

Im Juli 2023 schätzte das Bundesverkehrsministerium die Kosten für die A26 Ost bereits auf mehr als 2,2 Milliarden Euro, also eine Steigerung um das Zweieinhalbfache. Nach Auskunft einer Ministeriumssprecherin hat sich der Preis inzwischen auf rund 2,4 Milliarden Euro erhöht. Dieser Anstieg steht fest, bevor mit dem Bau begonnen worden wäre. Außer einigen vorbereitenden Arbeiten findet bislang alles auf dem Papier statt.

Für einen der drei Autobahnabschnitte gibt es einen Planfeststellungsbeschluss. Im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist die A26 Ost in der Kategorie "VB", "vordringlicher Bedarf" aufgeführt, also hinter bereits "fest disponierten" (FD) Projekten und vor solchen des "weiteren Bedarfs" (WB). Das Neubauvorhaben in Hamburg ist ein Beispiel für die Aktualisierungsbedürftigkeit des geltenden Bundesverkehrswegeplans. Denn die Kosten der meisten dort verzeichneten Projekte sind gestiegen.

Hagedorn: Müssen Verkehrswegeplan überdenken

Bettina Hagedorn © NDR
SPD-Haushaltspolitikerin Hagedorn hält den Verkehrswegeplan angesichts massiver Preissteigerungen für Fiktion.

"Wir haben Inflation, wir haben höhere Baupreise, wir haben einen Fachkräftemangel auf den Baustellen und all das führt dazu, dass man jetzt schon sagen kann: Dieser Bundesverkehrswegeplan kann so nicht umgesetzt werden." Das ist der Befund von Bettina Hagedorn, SPD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Im Interview mit Panorama 3 antwortet die SPD-Haushaltspolitikerin auf die Nachfrage, ob der BVWP "eine Fiktion" sei, mit einem klaren "Ja". 

Der Plan für Neubau und Sanierung von Fernstraßen, Schienen und Wasserwegen war 2016 unter der Großen Koalition und dem damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen worden. Er enthält Vorhaben, die bis 2030 abgeschlossen oder zumindest in Angriff genommen sein sollen. Hagedorn fordert vom amtierenden Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), eine Auswahl unter den Projekten zu treffen. "Priorisierung heißt natürlich nichts anderes, als dass man den Rotstift ansetzt", meint die Haushaltspolitikerin der SPD. Einige Vorhaben werde man verschieben, von anderen werde man "sich ganz verabschieden müssen". Die Rahmenbedingungen hätten sich geändert. Das Interview mit Hagedorn haben wir bereits im Juni aufgezeichnet, doch es ist hochaktuell.

Überprüfung immer weiter verschoben

Deutliche Kritik übt die SPD-Abgeordnete an Wissing, weil dieser sich zu der Priorisierung bislang nicht durchgerungen habe. Ursprünglich sollte sein Ministerium im vergangenen Dezember Ergebnisse einer sogenannten Bedarfsplanüberprüfung präsentieren, also quasi ein Abgleich mit der Realität und entsprechenden Entscheidungen, die den Aufschub oder gar das Aus einzelner Projekte bedeuten könnten. Wissing verschob die Präsentation zunächst auf Juni 2024, dann auf den 18. September. Auch dieser Termin wurde gestrichen. "Es sind noch zu viele Details zu klären", sagte uns ein Ministeriumssprecher. Nun beabsichtige man, die Ergebnisse der Prüfung "Anfang November" dem Bundestag zu übergeben. Am 14. November findet die entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses statt, in der der Etat für das Jahr 2025 beschlossen werden soll.

Auch die Köhlbrandbrücke muss für Milliarden ersetzt werden

Blick auf die Köhlbrandbrücke vom geplanten Trassenverlauf der A26 Ost aus © NDR
Nur zwei Kilometer entfernt: Blick auf die Köhlbrandbrücke von der geplanten A26-Trasse aus.

Was bedeutet das für die A26 Ost? Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte Ende 2021 vereinbart, der Sanierung von Verkehrswegen den Vorrang vor dem Neubau zu geben. In Hamburg ist die berühmte und für den Zugang zum Hafen wichtige Köhlbrandbrücke baufällig. Sie muss dringend ersetzt werden. Die Kosten werden derzeit mit rund fünf Milliarden Euro angegeben. Die Köhlbrandbrücke quert die Süderelbe zwei Kilometer nördlich der geplanten A26 Ost.

"Das sind zwei richtig große Bauprojekte. Und die A26 Ost ist ein Neubauvorhaben", sagt Bettina Hagedorn. Der Sanierung bestehender Verkehrswege sei der Vorrang vor Neubauten zu geben. Auf Hamburg kommt außerdem die Sanierung der für den Straßen- und Eisenbahnverkehr enorm bedeutsamen Elbbrücken zu. Diese wird ebenfalls Milliarden kosten. Für viele Beobachter liegt deshalb der Abschied vom Projekt A26 Ost nahe.

Klage von Umweltschützern

Moor im Trassenverlauf der A26 Ost © NDR
Dieses Moor müsste der A26 Ost weichen.

Gegen den Planfeststellungsbeschluss für den ersten Abschnitt der A26 Ost hat der NABU geklagt. Der Vorsitzende des NABU Hamburg, Malte Siegert, weist darauf hin, dass durch den Bau der Autobahn ein Moor zerstört werde. Die Ampelkoalition hatte sich den Schutz dieser natürlichen Kohlenstoffspeicher vorgenommen. Den Zielkonflikt müsse man auflösen, indem man auf den Neubau einer Autobahn verzichte, so Siegert. "Aber das ist leider nicht die politische Normalität."

Hafenwachstum weit hinter den Erwartungen

In Hamburg fordert die regierende SPD vehement den Bau der A26 Ost, die örtlichen Grünen tragen es mit. Die Autobahn sei nun mal gut für die Wirtschaft. Das ursprüngliche Kernargument, nämlich die bessere Anbindung des Hafens, hat allerdings einen schweren Dämpfer erhalten. Als Hamburg vor rund 15 Jahren mit den Planungen für die "Hafenquerspange" begann, rechnete man mit einem steilen Wachstum des Güterumschlags im Hafen. Im Jahr 2025 sollten 25 Millionen Container umgeschlagen werden. 2023 waren es weniger als ein Drittel, 7,7 Millionen. So argumentiert der Senat heute vor allem mit der "Bündelung der Ost-West-Verkehre auf der A26 Ost" und einer "deutlichen Entlastung" anderer Straßen in Harburg und Wilhelmsburg, also mit einem besseren Verkehrsfluss.

Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) äußerte im April 2022 bei einem Besuch von Verkehrsminister Wissing in der Hansestadt die Zuversicht, dass man das Projekt "gemeinsam stemmen" werde. Wissing ermunterte Tschentscher daraufhin, Hamburg brauche sich "keine Sorgen zu machen". Die Finanzierungszusagen kamen dann aber bis heute nicht aus Berlin. Auf die Frage von Panorama 3, ob das Ministerium beabsichtige, das nötige Geld für die neue Trasse zur Verfügung zu stellen, antwortete eine Sprecherin, dass man das Projekt "entsprechend den Finanzierungsmöglichkeiten" umsetzen wolle. 

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Kollidiert A26 Ost mit geplantem Wasserstoff-Zentrum?

Areal des geplanten Wasserstoffzentrums im Süden Hamburgs © NDR
Auf diesem Areal soll sich die Wasserstoff-Wirtschaft ansiedeln - die A26 könnte die Entwicklung behindern.

Nach Recherchen von Panorama 3 gibt es einen weiteren Grund, der gegen den Bau der Autobahn sprechen könnte: Die A26 Ost könnte mit einer anderen, vielleicht zukunftsträchtigeren Investition, kollidieren. Auf der "Hohen Schaar", einem Teil der Elbinsel Wilhelmsburg, soll ein hochmodernes Industriegebiet für den Import und die Verarbeitung von Wasserstoff entstehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat das Areal mehrfach besucht und finanzielle Unterstützung zugesagt. Die Hamburg Port Authority (HPA, Hafenverwaltung) hat eine grobe Skizze ins Netz gestellt, auf der die einzelnen Betriebsgelände markiert sind. Nicht eingezeichnet ist die A26 Ost, die gleichwohl mitten durch dieses Gebiet führen soll.

Bestimmungen des Bundesumweltministeriums zur Anlagensicherheit legen nahe, dass ein Mindestabstand von 170 Metern zwischen der Autobahn und den Wasserstoffanlagen, wie sie auf der Hohen Schaar geplant sind, nötig sein könnte. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde bestätigt auf Anfrage, dass bei Gefahrstoffen "bestimmte Abstände" eingehalten werden müssen. Ein Behördensprecher bestreitet jedoch die Mindestentfernung von 170 Metern. Eine solche Angabe sei "nie explizit Bestandteil der Planungsarbeiten der DEGES" gewesen und entstammten "somit nicht den Planungsunterlagen für die A 26 Ost".

Wasserstoff-Firmen geben sich schmallippig

Wir haben mehrere an diesem Areal für nachhaltige Energiewirtschaft beteiligte Unternehmen nach dem Flächennutzungskonflikt wegen der A26 Ost gefragt. Einige reagierten ausweichend. Das US-amerikanische Energieunternehmen Air Products, das starke Verbindungen nach Saudi-Arabien hat und auf der Hohen Schaar einen Ammoniak-Cracker bauen will, teilte mit, dass man sich "derzeit" nicht zur Sache äußern wolle. Wie Panorama 3 aus zuverlässiger Quelle erfuhr, befürchten einige der Energiefirmen, dass vor allem die Baustelle für die Autobahn, die jahrelang Bestand haben und wegen der aufwendigen Ständerkonstruktion der Trasse eine recht große Fläche einnehmen würde, die Entwicklung des Energiezentrums behindern könnte.

Hinter den Kulissen scheinen deswegen intensive Gespräche zu laufen. Wirtschaftsbehörde, DEGES und einige Energieunternehmen betonen, dass es möglich sei, beides, Autobahn und Wasserstoffindustrie, zu realisieren.

Bau könnte an Geldmangel scheitern

Wie dem auch sei, einiges spricht dafür, dass sich dieses Problem von selbst lösen könnte. Denn die A26 Ost könnte ganz einfach am Geldmangel im Bundeshaushalt scheitern. SPD-Haushaltspolitikerin Hagedorn sagt, sie wolle einer Entscheidung nicht vorgreifen. Aber es gebe Situationen, in denen man Pläne neu bewerten müsse. "Wir sind nicht unglaubwürdig, wenn wir uns selbst in Frage stellen und sagen: Wir denken noch mal darüber nach. Wir sind unglaubwürdig, wenn wir stur an den alten Dingen festhalten", so die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Vielleicht sind ihre Hamburger Parteifreunde ja dankbar für die klare Botschaft.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 15.10.2024 | 21:15 Uhr

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