Will ein Pflegeheimbetreiber seinen Betriebsrat loswerden?
Versucht die "Residenz-Gruppe", die mehr als 30 Pflegeheime betreibt, das komplette Unternehmen 'betriebsratsfrei' zu machen?
Eigentlich hat sie ihren Job immer gerne gemacht: Nicole Meyer ist freigestellte Gesamtbetriebsrätin bei der "Residenz-Gruppe", die mehr als 30 Pflegeheime betreibt. Seit 2006 engagiert sich Nicole Meyer schon in der Arbeitnehmer-Vertretung. In all den Jahren habe es zwar manchmal Auseinandersetzungen mit der Geschäftsleitung gegeben, aber die seien immer professionell und sachlich gelöst worden, erzählt sie Panorama 3.
Plötzlich kommt die Kündigung
Doch im Dezember 2020 ändert sich das. Ganz plötzlich versucht die Residenz-Gruppe ihr zu kündigen. Die Begründung: Eine Sitzung des Gesamtbetriebsrats, dem Meyer vorsteht, habe formell nicht richtig stattgefunden. "Im ersten Moment habe ich gedacht, das kann gar nicht sein. Also ich war mir gar keiner Schuld bewusst. Ich musste den Brief zweimal lesen. Ich habe das gar nicht richtig verstanden erst. Und dann habe ich gedacht: 'Warum? Was ist da jetzt?' Also, ich habe es gar nicht greifen können", erzählt Meyer. Weil sie Betriebsrätin ist, geht die Sache vor ein Arbeitsgericht. Und die Residenz-Gruppe macht weiter: Anfang dieses Jahres verhängt sie ein Hausverbot und kürzt ihr für einen Monat das Gehalt.
Warum das alles? Rechtsanwältin Mira Gathmann, deren Kanzlei den Betriebsrat der Residenz-Gruppe vertritt, hat einen Verdacht: "Ich glaube, dass es ein Ziel gibt, insgesamt das komplette Unternehmen 'betriebsratsfrei' beziehungsweise 'gewerkschaftsfrei' zu bekommen, um Mitbestimmung abzuschaffen. Und der Bremer Betriebsrat ist der größte Betriebsrat innerhalb der Gruppe. Und dann hat man sich wahrscheinlich gedacht, wenn wir den knacken, dann können wir auch alle anderen beseitigen." Der Verdacht liegt nahe, denn die Residenz-Gruppe hat auch versucht, den drei anderen Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats zu kündigen.
Residenz-Gruppe scheitert vor Gericht
Bisher erfolglos: In drei Verfahren, darunter dem von Nicole Meyer, haben Arbeitsgerichte die Kündigungen der Betriebsratsmitglieder abgelehnt, ein Verfahren steht noch aus. Ein anderes Gericht stellte fest, dass die Gehaltskürzung nicht gerechtfertigt war und die Residenz-Gruppe zog auch das Hausverbot gegen Nicole Meyer zurück. Loswerden möchte das Unternehmen den Betriebsrat wohl weiterhin: In zwei Verfahren hat der Pflegeheimbetreiber angekündigt, in die nächste Instanz zu gehen. "Es geht darum, die Betriebsräte möglichst unter Druck zu setzen und eine Situation zu schaffen, in denen die irgendwann aufgeben oder aufgeben müssen, weil sie es eben nicht mehr aushalten", so die Vermutung von Anwältin Gathmann.
Dazu greift das Unternehmen zu perfiden Methoden. In einem Gerichtsverfahren im April dieses Jahres droht der Anwalt des Unternehmens ganz offen mit der Überwachung der Betriebsräte. In einem Panorama 3 vorliegendem Gerichtsprotokoll heißt es: "Die Arbeitgeberseite erklärt, dass sie in Zukunft die lückenlose Überwachung der Beteiligten […] während ihrer Arbeitszeit mittels einer Detektei in Betracht zieht." Bei den betroffenen Betriebsräten sorgt das für Verunsicherung.
Auf Anfrage von Panorama 3 erklärt die Residenz-Gruppe, sie lehne es grundsätzlich ab, Mitarbeiter zu überwachen, habe dies bisher nicht getan und plane es auch nicht in Zukunft. Weiter teilt das Unternehmen mit, man werde "auch zukünftig mit den gewählten Interessenvertretungen konstruktive Gespräche führen, um gemeinsam gute Lösungen für unsere Mitarbeiter zu finden und um ihre Interessen zu waren." Nicole Meyer nimmt das ganz anders wahr. Sie will nicht nachgeben. Ihr Sitz im Betriebsrat sei eine Verpflichtung und der werde sie nachkommen, erzählt sie.