Mitarbeiterüberwachung: Verfahren gegen Amazon

Stand: 01.12.2020 12:07 Uhr

Die niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz untersagt Amazon die teilweise Nutzung einer für das Unternehmen zentralen Software. Dabei geht es um die minutengenaue Überwachung der Mitarbeiter.

von Sebastian Friedrich, Johannes Jolmes

Für Amazon könnten die Geschäfte gerade nicht besser laufen: Allein im dritten Quartal dieses Jahres konnte sich Amazon über fast 100 Milliarden Dollar Umsatz freuen - eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahresquartal um 37 Prozent. Amazon zählt damit nicht nur zu den großen Gewinnern der Corona-Pandemie, sondern auch zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Doch der Online-Gigant steht seit Jahren für den Umgang mit seinen Angestellten in der Kritik, insbesondere hinsichtlich ihrer Überwachung.

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Nach Panorama-Berichterstattung im Oktober über eine hierfür eingesetzte Software beanstandet nun die niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz einige Funktionen dieser Software. In Panorama hatten Beschäftigte darüber geklagt, dass im Arbeitsalltag selbst menschliche Grundbedürfnisse kaum erfüllt werden könnten.

Jeder Arbeitsschritt wird überwacht

Im Zentrum des Vorwurfs steht dabei ein Computerprogramm, mit dem die Leistung der Mitarbeiter offenbar permanent kontrolliert werden kann. Der Amazon-Arbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussucht oder in ein Paket packt. Dieser Scan-Vorgang wird sekundengenau aufgezeichnet und einem Vorarbeiter angezeigt. So kann er jeden Arbeitsschritt der Beschäftigten überwachen und sehen, ob ein bestimmter Arbeiter auch genügend Pakete packt. Ein Vorarbeiter schilderte in Panorama, wie er auf seinem Display sieht, wenn ein Mitarbeiter mal für wenige Minuten nicht arbeitet.

Die niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz bestätigte nun Panorama, man habe dem Amazon-Standort im niedersächsischen Winsen untersagt, "ununterbrochen jeweils aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsleistungsdaten ihrer Beschäftigten zu erheben und diese zu nutzen". In Winsen steht eines der modernsten Amazon-Zentren in Europa. 

Präzedenz für weitere Bundesländer?

Diese Entscheidung könnte Signalwirkung für ganz Deutschland haben, denn Amazon nutzt die Software bundesweit. Auf NDR-Anfrage teilt ein Amazon-Sprecher mit, dass man den Bescheid nicht akzeptiere. "Anders als die Behörde sind wir der Meinung, dass auch die Art und Weise der Datenerhebung rechtmäßig ist. Deshalb werden wir die Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüfen lassen." Der Bescheid ist noch nicht rechtskräftig. Bis zum 3. Dezember kann Amazon dagegen Klage einreichen.

"Die Totalüberwachung durch Amazon ist das genaue Gegenteil von guter und sicherer Arbeit", so André Scheer von der Gewerkschaft ver.di. Für Scheer steht die permanente Kontrolle der Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsmodell bei Amazon. Gerade im Weihnachtsgeschäft stelle Amazon Tausende Arbeiter befristet ein. "Da wird dann ausgesiebt", so Scheer. Nur die Schnellsten dürften bleiben oder wiederkommen. Die Folge: Der Druck auf alle Beschäftigten steige. Und damit auch die Angst unter den Beschäftigten, negativ aufzufallen.

Leistungseinbrüche haben Konsequenzen

Gegenüber Panorama bestätigte ein Vorarbeiter diese Praxis. Sieht der Vorarbeiter, dass die Rate eines Mitarbeiters fällt, soll er eingreifen. "Dann gehe ich dahin, gucke, ist der Mitarbeiter da - und schaue: Was ist das Problem? Unterhält er sich vielleicht zu lange, ist er nicht am Platz, zu oft auf der Toilette?", so der Vorarbeiter. 

Der Vorarbeiter berichtete auch, dass durch die Software detaillierte Profile jedes einzelnen Beschäftigten erstellt werden. Fällt die Rate eines Beschäftigten dauerhaft, erzählt der Vorarbeiter, wird dieser zum Gespräch gebeten. Ob ein befristet Beschäftigter eine Vertragsverlängerung bekommt, hänge dem Vorarbeiter zufolge auch davon ab, ob er die Rate erfülle. Die Umweltorganisation Greenpeace machte Panorama außerdem Dokumente zugänglich, die diese Darstellung untermauern.

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Amazon teilte dazu mit: "Wir bieten gute Bezahlung und eine Arbeitsumgebung, in der Menschen erfolgreich sind, ihren Karriereweg finden und Kunden zufrieden stellen."

Ob Amazon für den Einsatz der Software zusätzlich auch ein Bußgeld zahlen muss, ist noch nicht entschieden. Die Behörde in Niedersachsen geht allerdings davon aus, dass auch in diesem Sinn ein Verfahren eingeleitet werde.

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