USA erheben schwere Vorwürfe gegen die Reederei Hapag-Lloyd
In einem Schreiben an Hapag-Lloyd wirft der amerikanische Kongress der Reederei vor, ihre Preise zu Lasten von Verbrauchern unverhältnismäßig erhöht zu haben. Die Frachtraten seien viel stärker gestiegen als die operativen Kosten. Profitieren würden allein die Reederei und ihre Aktionäre.
Klaus-Michael Kühne lacht gern, zumindest, wenn Kameras dabei sind. Er ist einer der reichsten Deutschen, und jetzt wird er auf einen Schlag um rund 1,9 Milliarden Euro reicher. Denn Kühne ist über eine Tochter seiner persönlichen Holding-Gesellschaft zu rund 30 Prozent an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd beteiligt. Diese hat 2021 einen Rekordgewinn von 9,3 Milliarden Euro eingefahren, zehnmal mehr als im Jahr zuvor. Mit dem Gewinn steigt auch die Ausschüttung an die Aktieninhaber um das Zehnfache. Und so streicht allein Kühne 1,9 Milliarden Euro Dividende ein.
Privileg für Reedereien: die "Tonnage-Steuer"
Zu Gute kommt Hapag-Lloyd und seinen Aktionären, dass die Gewinne vom Staat kaum angetastet werden. Dank eines speziellen Privilegs für Reedereien, der "Tonnage-Steuer", führen die Hamburger für das Rekordjahr weniger als ein Prozent ihres üppigen Gewinns an den Staat ab. Denn nach dieser Regelung werden nicht die wirtschaftlichen Überschüsse besteuert, sondern pauschal die Schiffsgröße der Firmenflotte in Kombination mit der Einsatzzeit der einzelnen Schiffe.
"Hapag Lloyd zahlt weniger als ein Prozent. Das soll jeder mal mit seinem Steuersatz vergleichen," sagt Norbert Hackbusch, Fachmann für Wirtschaft bei den Linken in Hamburg. "Wir müssen ein Mindeststeuer-Prinzip einführen, auch für Reedereien."
US-Präsident Biden: "Hart gegen diese Firmen durchgreifen"
Schützenhilfe bekommt die kapitalismuskritische Partei nun von unerwarteter Seite. Regierung und Parlament der Vereinigten Staaten von Amerika knöpfen sich global agierende Großreedereien vor, weil diese nach ihrer Auffassung mit überhöhten Frachtraten die Inflation anheizen und damit Verbraucher und Unternehmen in den USA belasten, selbst aber hohe Gewinne verbuchen. In seiner Rede zur Lage der Nation hatte Präsident Joe Biden bereits einen "Crackdown" gegen die "Ocean Carriers" angekündigt.
"Die ausländischen Firmen haben ihre Preise um bis zu 1.000 Prozent angehoben und Rekordprofite eingefahren," sagte Biden am 1. März. "Ich kündige hiermit an, hart gegen diese Firmen durchzugreifen, die amerikanische Unternehmen und Verbraucher abzocken."
Drei Allianzen beherrschen den Weltmarkt
Die acht weltweit größten Reedereien, ausschließlich europäische und ostasiatische Unternehmen, haben sich zu drei Allianzen zusammengeschlossen, die zusammen fast 90 Prozent des Weltmarkts beherrschen. Hapag-Lloyd gehört zu einer der drei Allianzen. Die US-Administration verdächtigt die Reedereien, die Preise wie in einem Kartell untereinander abzustimmen.
Joe Biden nannte in seiner Rede vor dem Kongress weder Hapag-Lloyd noch andere Reedereien beim Namen. Aber zwei Abgeordnete des amerikanischen Kongresses verschickten einen Tag später Briefe an Marktführer Maersk in Kopenhagen, an die Reederei CMA-CGM in Marseille und an den Vorstandsvorsitzenden von Hapag-Lloyd Rolf Habben Jansen in Hamburg. Die beiden demokratischen Mitglieder des House of Representatives James E. Clyburn und Raja Krishnamoorthi monieren in dem Schreiben an Hapag-Lloyd, dass die Frachtraten im Vergleich zu den operativen Kosten unverhältnismäßig gestiegen seien. Das habe zu "übermäßigen Profiten" geführt. Die beiden Kongress-Abgeordneten stehen zwei Unterausschüssen vor, die sich u.a. mit Betrug, Missbrauch und Profitmacherei während der Corona-Pandemie befassen.
"Wir sind tief besorgt, dass Hapag-Lloyd in der Pandemie räuberische Geschäftspraktiken angewandt und dadurch zahlreiche Güter für Verbraucher und kleine Unternehmen verteuert haben könnte," heißt es in dem Brief.
Ausschuss verlangt Herausgabe von Firmenunterlagen
Die Ausschuss-Vorsitzenden verlangen, um dem Verdacht nachzugehen, von Hapag-Lloyd die Herausgabe zahlreicher Firmenunterlagen, die seit dem 1. Januar 2020 erstellt wurden, etwa "interne- und externe Kommunikation, auch mit anderen Reedereien", Preislisten, Marktanalysen und Dokumente zur Bezahlung von Führungspersonal. Die Abgeordneten setzten Hapag-Lloyd für die Herausgabe der Unterlagen eine Frist bis zum 16. März.
Auf Anfrage von Panorama 3 verweist ein Sprecher der Reederei zunächst auf ein "schwebendes juristisches Verfahren" und räumt "massiv gestiegene Preise" ein, die er mit hoher Nachfrage nach Schifftransporten und geringem Angebot an verfügbarer Ladefläche begründet. "Wir verstehen völlig, dass dies zu vielen Nachfragen aus der Politik und von Wettbewerbsbehörden führt und bemühen uns alle Fragen umfassend zu beantworten und an Lösungen mitzuwirken."
Hapag-Lloyd weist Vorwurf kartellartiger Preisabsprachen zurück
Später präzisiert das Unternehmen: "Wir sind dabei, den US-Behörden Informationen zukommen zu lassen - dies ist jedoch noch nicht vollständig geschehen, da die Menge der angeforderten Informationen enorm ist."
Die Verantwortung für die Preissteigerungen weist die Reederei den Vereinigten Staaten selbst zu. Diese hätten zuletzt mehr Waren im- und exportiert als jemals zuvor, was zu Staus und Wartezeiten und einem Mangel an verfügbarer Ladefläche geführt habe.
Den Vorwurf kartellartiger Preisabsprachen mit anderen Reedereien weist Hapag-Lloyd zurück. Gespräche über Frachtraten seien "verboten". An dieses Verbot halte man sich.
US-Sprecher bestätigt Kontakt zu Hapag-Lloyd
Ein Sprecher des US-Kongresses teilte Panorama 3 auf Anfrage mit, dass "die beiden Unterausschüsse in Kontakt" mit den Großreedereien stünden. Eine Bestätigung, ob die angeforderten Dokumente schon teilweise übergeben worden seien, erhielt Panorama 3 vom Kongress nicht.
"America, her athletic democracy..." - "Athletisch" sei Amerikas Demokratie, schrieb der große Dichter Walt Whitman (1819 - 1892). Manchmal hatte man in jüngerer Zeit den eher gegenteiligen Eindruck einer Erschlaffung demokratischer Werte. Aber der Brief des Kongresses zeugt von einer Wiederbelebung, zumindest von einer sportlichen Anstrengung in diese Richtung.
"Die Amerikaner haben recht," sagt Oppositionspolitiker Hackbusch von den Hamburger Linken. Eine solche Erhöhung der Preise, ein solcher Gewinnsprung, das müsse man sich näher ansehen.
Hamburger Senat befürwortet Steuerprivileg für Reedereien
Bei deutschen Politikern in Regierungsverantwortung hingegen ist eher unathletisches Schulterzucken zu beobachten. "Die Tätigkeit des US-Kongresses und Verlautbarungen seiner Mitglieder kommentieren wir nicht," schreibt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage von Panorama 3. Der Hamburger Senat teilte mit, dass er "zu schwebenden Verfahren börsennotierter Aktiengesellschaften" in der Öffentlichkeit nicht Stellung nehme. Die "Tonnage-Steuer" für Reedereien befürwortet der Senat hingegen nachdrücklich. Die Steuerlast in Jahren mit hohem Gewinn sei bei dieser Regelung zwar gering, wird eingeräumt. Dafür müssten die Reedereien in Verlustjahren auch Steuern zahlen. Die Regelung helfe deutschen Reedereien, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Ähnlich äußerten sich das Bundesfinanzministerium und Hapag-Lloyd selbst.
Das heißt, der Bruttogewinn ist für Hapag-Lloyd im Rekordjahr beinahe gleich netto. Und Großaktionär Klaus-Michael Kühne, der im Juni 85 wird, darf sich über ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk freuen: 1,9 Milliarden Euro. Auf die Frage, inwiefern Kühne sich von der Kritik aus Washington angesprochen fühle, ließ er durch einen Sprecher mitteilen, er sei davon "nicht betroffen". Allerdings hat der US-Kongress auch Nutznießer wie Kühne im Blick. Im Brief der Abgeordneten wird die "um das Zehnfache erhöhte Ausschüttung" an Inhaber von Hapag-Lloyd-Aktien moniert. Welche konkreten Folgen der "Crackdown" der Vereinigten Staaten gegen die Großreedereien haben wird, ist unklar.