Strikte Auflagen für Bremer Islamisten
Als Rene Marc S. Montag vor einer Woche aus dem großen Eisentor der JVA Oslebshausen in Bremen kommt, warten die Kameras schon auf ihn. Er hat sich seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, sein Schal verdeckt den Rest seines Gesichts. Dann steigt er in ein Taxi und saust davon - nach dreieinhalb Jahren Haft seine erste Fahrt in Freiheit.
Das öffentliche Interesse an dem 35-jährigen Deutsch-Malaysier ist groß. Er wurde 2011 wegen der Unterstützung einer Terrororganisation vom Oberlandesgericht München zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Für Al-Kaida hatte er mit seinen Mitangeklagten eine Propagandaplattform auf Deutsch betrieben.
Strenger Maßnahmenkatalog gefordert
Rene S. ist einer der ersten Islamisten seiner Generation, die auf freien Fuß kommen. Die Behörden halten ihn noch immer für gefährlich. Doch welche Instrumente bleiben dem Rechtsstaat, wenn ein Islamist seine Haftstrafe voll verbüßt hat? Geht es nach der Bundesanwaltschaft, drohen ihm auch auf freiem Fuß noch sehr harte Auflagen: In einem Antrag auf Führungsaufsicht, der Panorama 3 vorliegt, wird ein strenger Maßnahmenkatalog gefordert. S. muss sich täglich zwischen 11 Uhr und 13 Uhr bei der Polizei melden, er wird angewiesen "fremde Kinder und Jugendliche in der Öffentlichkeit nicht anzusprechen".
Zu groß scheint die Angst, dass S. diese radikalisieren könnte. Wie der vierfache Familienvater dieser Weisung im Alltag konkret nachkommen soll, steht in dem Papier nicht. Neben einem Kontaktverbot zu insgesamt 31 Personen in Bremen scheint den Behörden vor allem die Kommunikation von S. ein wichtiges Thema. Ihm wird verboten Handys zu besitzen, außer einem, das er bei den Behörden mit Rufnummer und Gerätenummer anmelden muss. Darüber hinaus wird der Verurteitle "angewiesen, keine sonstigen Kommunikationsmittel gleich ob Mobilfunk-, Festnetz-oder Internetanschlüsse zur Telekommunikation mit Dritten nutzen". Rene Marc S. bekäme also ein Email- und Internetverbot.
Sicherheitsbehörden in der Zwickmühle
Der Anwalt von Rene Marc S. sieht die Wiedereingliederung seines Mandanten in Gefahr, ihm bleibe die Teilhabe an der Gesellschaft vollkommen verwehrt. "Wenn man ihm untersagt zu tun, was alle Menschen tun, nämlich im Internet zu kommunizieren, dann findet eine normale Resozialisierung nicht statt, sondern man erwartet von ihm, dass er sich zu Hause einmauert.“ Für den Anwalt stellen die Weisungen eine Form von "Ratlosigkeit dar, weil man kein Konzept dafür hat, wie man solche Leute integriert in die Gesellschaft.“
Die Bremer Sicherheitsbehörden sitzen in der Zwickmühle. Sie sind nur sehr indirekt beteiligt an der Ausgestaltung der eventuellen Führungsauflagen, müssen diese aber dann umsetzen und überwachen. Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Rene Marc S. würde bis zu 40 Polizisten beanspruchen, wie Panorama 3 aus Sicherheitskreisen erfuhr.
Bremens Koordinator für Terrorismusabwehr, Daniel Heinke, gibt zu: "Das bestehende Reglementarium ist eigentlich ausgelegt für Gewalt- und Sexualstraftäter. Das muss jetzt auch behutsam angepasst werden durch Herausforderungen islamistischer Gefährder. Das wird eine Aufgabe, die wir in den nächste Monaten und Jahren sehr sorgfältig wahrnehmen müssen." Doch viel Zeit bleibt nicht mehr. Schon in den nächsten Monaten kommen zahlreiche Islamisten auf freien Fuß, wie zum Beispiel Teile der "Sauerland-Gruppe".
In wenigen Tagen wird über die umstrittenen Auflagen von Rene S. entschieden. Und seine Zeit nach der Haft wird so zum Testlauf der Behörden für den Umgang mit freigelassenen Islamisten.