Reform: Höhere Kosten für Pflegebedürftige?
Die Pflegereformen der vergangenen Jahre brachten eine Reihe an Veränderungen. Das Ziel war es, vor allem Pflegebedürftige und deren Angehörige besser zu unterstützen. Und Pflegekräfte für ihre Arbeit angemessen zu bezahlen. Gewünscht ist seitdem eine flächendeckende Bezahlung nach Tariflohn. Schöne Ziele, doch wer die Verbesserungen bezahlen soll, daran wurde kaum gedacht. Das führt zu einer absurden Situation. Entweder werden die Pflegekräfte einfach nicht nach Tarif bezahlt, oder die Mehrkosten müssen die Heimbewohner tragen.
Kostenexplosion bei Heimunterbringung
Wie soll er das bezahlen? Und warum er? Diese Frage stellt sich Renee Oltersdorf. Die Kosten für das Pflegeheim, in dem sein dementer Vater lebt, haben sich im vergangenen Jahr um rund 240 Euro pro Monat erhöht. Als einen zentralen Grund nennt die Einrichtungsleitung gestiegene Personalkosten. Der Eigenanteil, der für den pflegebedürftigen Vater nun jeden Monat fällig wird, liegt damit bei rund 1.620 Euro. "Damit bleibt meinem Vater lediglich ein Taschengeld", sagt Oltersdorf. Von einer normalen Durchschnittsrente sei das kaum noch bezahlbar. Statt Unterstützung, wie von der Reform versprochen, spürt er eine noch höhere Belastung.
Auch Heimleiter Markus Buck vom Pflegeheim "Gertrud Höpken" in Rastede möchte die Kosten für einen Heimplatz erhöhen. Er hat eine schwere Entscheidung treffen müssen. Sein Heim im Landkreis Ammerland ist momentan noch vergleichsweise günstig. Doch mit den bisherigen Einnahmen kann er nicht annähernd einen tarifähnlichen Lohn zahlen. Er würde gerne besser bezahlen. Und von der Politik ist es ausdrücklich gewünscht. Aber in Berlin hat die große Koalition sich immer noch nicht entschieden, wie der Wunsch bezahlt werden soll.
Und damit steckt Heimleiter Buck im Dilemma. "Entweder zahle ich meinem Personal zu wenig oder die Bewohner werden finanziell stark belastet", sagt er. Jetzt soll der Betrag, den ein Bewohner für ein Zimmer zahlen muss, voraussichtlich um 463 Euro steigen. Anke Jütting vom Heimbeirat musste lange mit sich ringen. Inzwischen hat aber auch sie der saftigen Erhöhung zugestimmt. Denn sie und Heimleiter Markus Buck wissen genau, wenn das Heim seine Pflegefachkräfte nicht bald nach Tariflohn bezahlt, wechseln sie die Arbeitsstelle. Dann können sie das Heim bald dicht machen.
Die Politik kündigt Korrekturen an
Die zum Teil massiven Kostensteigerungen, die momentan allein zu Lasten der Heimbewohner gehen, sind auch bei der Politik angekommen. Der CDU-Poltiker Erwin Rüddel, der den Gesundheitsausschuss im Bundestag leitet, sagt, der Gesetzgeber wolle nachbessern. Dies sei auch so im Koalitionsvertrag vereinbart, aber erst einmal müsse noch darüber diskutiert werden, wer die gestiegenen Kosten durch die Zahlung von Tariflöhnen finanzieren soll. Und das kann dauern.
Wohl bundesweit müssen Heimbewohner jetzt mit deutlichen Steigerungen rechnen. Denn auch beim nächsten Problem, dem Mangel an Pflegekräften, sind Heimbewohner die Leidtragenden. Ein Heim der Diakonie in Leipzig kündigte kürzlich für die Bewohner eine Kostenerhöhung von rund 200 Euro monatlich an. Als Grund nennt Heimleiterin Katharina Sachse höhere Personalkosten. In ihrem Fall sind aber nicht Tarifanpassungen ausschlaggebend, sondern sie braucht unbedingt mehr Personal für ihr Heim. Kurt Noak muss nun für seine demente Frau Eva-Maria Naok 200 Euro mehr zahlen
"Die Rente reicht nicht für das, was hier von Nöten ist. Und wir werden aus den Beständen schöpfen müssen", sagt der 81-Jährige. Die Heimleiterin hofft jetzt auf eine Lösung durch die Politik. Denn im neuen Koalitionsvertrag heißt es, dass 8.000 zusätzliche Pflegestellen von den Krankenkassen gezahlt werden sollen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits auf dem Tisch. Es wird aber noch dauern, bis er verabschiedet und umgesetzt wird.
Bis zu 25.000 fehlende Stellen
Der CDU Politiker Erwin Rüddel weiß, dass es darüber hinaus noch weiteren Handlungsbedarf gibt: "Ich gehe von einem Fehlbedarf von etwa 20.000 bis 25.000 Stellen in der Altenpflege aus", meint er. Über die Finanzierung dieser zusätzlichen Stellen müsste allerdings noch diskutiert werden. Für Familie Noak ist diese Lösung zu spät, sie müssen bereits jetzt tiefer in die Tasche greifen.