Stand: 19.11.2019 17:17 Uhr

Burn-out-Gefahr: Assistenzärzte am Limit

von Brid Roesner

Die Erinnerungen an den ersten Arbeitstag in der Klinik sind auch nach Jahren noch präsent: "Es hieß: 'Wie fit fühlst du dich? Komm, du schaffst doch zwölf Patienten am ersten Tag.' Ich bin in Tränen ausgebrochen und habe gesagt: 'Tut mir leid, das kriege ich nicht hin!'" Die junge Ärztin, die das sagt, möchte ihren Namen hier nicht lesen. Sie steckt noch in der Weiterbildung zur Fachärztin. Sie hat Angst vor Nachteilen, wenn sie offen spricht. Doch es sei dringend nötig, denn was viele Assistenzärzte erlebten, sei nicht länger hinnehmbar. Ihr Arbeitspensum sei sehr hoch. Weil ihr die Praxis fehlte, sei sie oftmals überfordert gewesen. Auf Kritik an den Arbeitsumständen reagierten ihre Vorgesetzten nicht selten mit Druck. "Also ich fühle mich nicht mehr gesund - und das seit mehr als drei Jahren", sagt die Ärztin.

VIDEO: Burn-out-Gefahr: zahlreiche Assistenzärzte am Limit (7 Min)

Viele nehmen Medikamente gegen den Stress

Kevin Schulte , "Bündnis Junge Ärzte"
Kevin Schulte vom "Bündnis Junge Ärzte" sieht die Politik in der Pflicht.

Beim "Bündnis Junge Ärzte" hören sie solche Erzählungen immer wieder. Kevin Schulte, selbst Mediziner in Schleswig-Holstein und 33 Jahre alt, wollte es deshalb genauer wissen. Gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtsfürsorge (BGW) ließ er Ärzte bis 35 Jahren und mit weniger als sechs Jahren Berufserfahrung befragen. Das Ergebnis: 70 Prozent zeigen Anzeichen für einen Burn-out. 22 Prozent gaben an, schon einmal Medikamente genommen zu haben, um mit dem Stress klarzukommen. Kevin Schulte geht dabei von Psychopharmaka aus. "Das fand ich doch sehr viel und sehr erschreckend. Ich hätte nicht gedacht, dass das so ein Ausmaß hat."

Mangelhafte Weiterbildung

Dass in deutschen Kliniken teils harte Arbeitsbedingungen herrschen, ist nicht neu. Immer mehr Patienten sollen in möglichst kurzer Zeit behandelt werden. Überstunden gehören offenbar häufig dazu - laut Hartmannbund arbeitet ein Arzt im Durchschnitt 51 Stunden pro Woche. Assistenzärzte sind da anscheinend keine Ausnahme, doch der Unterschied zu ihren erfahrenen Kollegen ist: Sie sollen eigentlich noch etwas lernen. Nach Jahren im Hörsaal lassen sich viele nach ihrer Approbation zum Facharzt weiterbilden. Hier bekommen sie dann die nötige Praxis. Chirurgen zum Beispiel sollen in dieser Zeit von erfahrenen Kollegen im Operationssaal angeleitet werden. Eine Umfrage des Hartmannbundes von 2018/2019 verdeutlicht, dass zwei Drittel der befragten Assistenzärzte mäßig bis gar nicht zufrieden sind mit ihrer Weiterbildung. "Learning by error" - also Lernen durch Fehler - gab ein Teilnehmer resigniert an. 

Schon heute fehlen Mediziner an den Kliniken

Für die Ärztin, liegt der Hauptgrund für ihre mangelhafte Weiterbildung im fehlenden Personal: "Wenn sie einen Assistenten in die Weiterbildung schicken, dann fehlt der auf Station und in der Patientenversorgung." Die Personalnot vieler Kliniken führe dazu, dass viele Assistenzärzte vom ersten Tag an voll funktionieren müssten. Kevin Schulte sieht die Politik in der Pflicht: "Seit 2013 müssen Arbeitgeber kontrollieren, ob die Arbeitsbedingungen psychisch gesundheitsgefährdend sind und dieses Recht müsste auch in Krankenhäusern gelten." Der Internist hat nun im Namen seines Berufsverbandes einen offenen Brief an die Gesundheitsminister der Länder geschrieben.

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Die Ärztin sagt, sie würde heute nicht noch einmal Medizin studieren. Eine fatale Entwicklung, denn schon jetzt fehlen den Kliniken Mediziner.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 19.11.2019 | 21:15 Uhr

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