CDU: Wie ernst nimmt Merz die Klimakrise? (Manuskript)
Anmoderation Anja Reschke: "Der Wirtschaft geht es schlecht, Schuld daran, unter anderem, so der allgemeine Tenor: Auch die Klima- und Energiepolitik der jetzigen Bundesregierung. Nun könnte das ja bald ein Ende haben, in 2 Monaten sind Neuwahlen und die CDU verspricht es anders und besser zu machen. Das klingt nach neuer Freiheit, Schluss mit der Klimagängelei, kein nerviges Heizungsgesetz, weg mit den hässlichen Windrädern, freie Fahrt für freie Bürger. Nur wird sich die Klimaerwärmung allein von der Tatsache, dass in Deutschland neu gewählt wird, nicht stoppen lassen. Oda Lambrecht hat sich also damit beschäftigt, was denn so fundamental anders werden würde unter einer CDU-Regierung."
Weltweit haben Extremwetterereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen. Und zu immer neuen Überschwemmungen geführt, zu Toten und großer Zerstörung. Nicht immer konnte man den Eindruck gewinnen, dass der CDU-Vorsitzende, Friedrich Merz, die Klimakrise ernst nimmt.
O-Ton Friedrich Merz, (27.04.2023): "Wir sind nicht so im Alarmismus unterwegs, wie hier einige in der Bundesregierung. Und die Welt, geht nun morgen in der Tat nicht unter, das ist unsere Auffassung:"
Inzwischen ist Merz Kanzlerkandidat der CDU. Und mit seiner Partei hat er gerade eine Art Klimagipfel organisiert, um seine "Energiepolitik für ein klimaneutrales Industrieland" vorzustellen. Das Versprechen: klimaneutral bis 2045. Doch wie will die CDU das schaffen? Merz möchte beim Klimaschutz auf Forschung setzen. Auf eine Technologie scheint er ganz besonders zu hoffen.
O-Ton Friedrich Merz, CDU-Kanzlerkandidat: "Perspektivisch sollten wir in Deutschland die Kernfusion in den Blick nehmen. Wir haben mittlerweile zwei Forschungsreaktoren, die betrieben werden. Wir sollen den Anspruch an uns selbst stellen, eines der Länder zu sein, das zum als eines der ersten auch mit einem Fusionsreaktor ans Netz geht."
Kernfusion. Durch das Verschmelzen von Atomkernen sollen riesige Mengen Energie freigesetzt werden. Eine Technologie im Forschungsstadium. Wie soll die helfen, schnell klimaneutral zu werden? Im renommierten Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sieht man in der Kernfusion keine schnelle Lösung, erklärt Direktor Ottmar Edenhofer.
O-Ton Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Bei der Kernfusion, das ist klar, die Kernfusion wird nicht schnell genug kommen, um die Treibhausgasneutralität, die Nulllinie, bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Es kann trotzdem sinnvoll sein, in die Kernfusion zu investieren, aber das wird eine Option sein für die zweite Hälfte des Jahrhunderts."
Viel wichtiger wäre es, schnell eine effiziente Klimapolitik zu betreiben. Stattdessen redet Merz immer wieder über erstaunliche Zukunftsvisionen.
O-Ton Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender (ZDF, 7. November 2024): "Ich glaube sogar, wenn wir das richtig machen, dass wir eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind, weil sie nicht in die Landschaft passen, es ist eine Übergangstechnologie."
Windkraft als Übergangstechnologie? Klimaforscher wie Ottmar Edenhofer halten die Windenergie dagegen auch langfristig für zentral.
O-Ton Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Die Erneuerbaren spielen eine überragende Rolle. Die Windkraft wird länger eine Rolle spielen, das ist gar keine Frage. Und wir werden den Anteil der Erneuerbaren am Strommix weiter dramatisch erhöhen müssen. Das zeigen uns alle Szenarien, das ist gar keine Frage."
Statt über den mühsamen Ausbau der Erneuerbaren zu sprechen, bringt Merz lieber erneut die Kernkraft ins Spiel.
O-Ton Friedrich Merz, CDU-Kanzlerkandidat: "Wir dürfen uns nicht auf einzelne Ressourcen allein stützen, also nicht allein auf Wind und Sonne. Sondern wir brauchen wirklich im umfassenden Sinne alle Quellen, alle Optionen. Und das schließt ein: eine Betrachtung der Möglichkeiten, die wir mit der Kernenergie möglicherweise noch haben."
Doch diese Hoffnung platzt noch während derselben Veranstaltung in Berlin. Kernkraft lohne sich wirtschaftlich schlicht nicht, sagt die Energiebranche.
O-Ton Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender RWE: "Wie sieht eigentlich die Ökonomie wirklich aus? Denn wir wissen auch, die französische Kernkraft hat ökonomische Probleme durch den Ausbau der Erneuerbaren, weil Kernkraft passt nicht zu Erneuerbaren. Die Erneuerbaren machen die Ökonomie des Kernkraftwerks kaputt."
So ganz scheint Merz aber selbst nicht an die Kernkraft als Lösung zu glauben.
O-Ton Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender: "Da mache ich allerdings ein Fragezeichen dahinter. Je mehr Zeit ins Land geht, je unwahrscheinlicher wird es, dass wir die drei oder gar sechs Kernkraftwerke, die in den letzten drei Jahren stillgelegt worden sind, noch einmal reaktivieren können. Aber wir wollen es wenigstens vorurteilsfrei prüfen."
Kernkraft, Kernfusion und Forschung - alles keine schnellen Lösungen. Wie ernst ist es der CDU also mit dem Klimaschutz? Chefökonom Edenhofer fordert, Klimapolitik müsse grundsätzlich auf wissenschaftlichen Einsichten beruhen und dürfe nicht in einem Kulturkampf enden.
O-Ton Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Ich sehe das auf jeden Fall so, dass die jedenfalls Konservativen - also Parteien und Wähler rechts der Mitte - Klimaschutz extrem skeptisch sehen. Sie haben das Gefühl, da wird eine Agenda verfolgt, die nicht ihre Agenda ist. Und es ist wichtig, dass auch konservative Parteien das verstehen, dass Klimaschutz zunächst einmal die Sicherung des künftigen Wohlstands ist."
Hat die CDU das verstanden? Kanzlerkandidat Merz sagt Panorama ein Interview aus Termingründen ab. Stattdessen reden wir mit dem klimapolitischen Sprecher der Partei, CDU-Vize Andreas Jung.
O-Töne
Panorama: "Herr Merz sagt, die Welt wird morgen nicht untergehen, hält die CDU, Klimaschutz nicht für drängend?"
Andreas Jung, Sprecher Klimaschutz und Energie CDU/CSU: "Ganz im Gegenteil beschreibt Friedrich Merz immer wieder, wie er selbst die Erfahrung macht im Sauerland, wie der Klimawandel bereits sehr konkrete Auswirkungen auf die Wälder dort hat. Und wir haben gemeinsam ein ehrgeiziges Programm formuliert, bei dem Klimaneutralität das Ziel bleibt, so wie es gesetzlich auch verankert ist."
Panorama: "Mein Eindruck ist bisher, Sie sagen sehr laut: Kernfusion, Innovation, Forschung. Wollen Sie damit suggerieren, dass das reicht für den Klimaschutz?"
Andreas Jung: "Nein, das ist auch nicht unser Programm. Das eine ist die Offenheit für Forschung. Und das andere ist der Weg, der jetzt beschritten werden muss auf dem Weg zur Klimaneutralität."
Im Gespräch wird klar, für diesen Weg möchte die CDU vor allem auf ein längst beschlossenes Instrument der Vorgängerregierungen setzen - auf den sogenannten CO2-Preis. Das Prinzip: Was dem Klima schadet - etwa Heizen mit Gas oder Autofahren mit Benzin - wird teurer. Denn wer die Atmosphäre mit klimaschädlichem Gas verschmutzt, muss dafür den sogenannten CO2-Preis zahlen. Und dieser wird in den kommenden Jahren steigen. So will auch die CDU erreichen, dass die Menschen nach und nach auf klimafreundlichere Alternativen wie zum Beispiel Wärmepumpen oder Elektro-Autos umsteigen.
O-Ton Prof. Ottmar Edenhofer, Chefökonom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Die Haushalte sollten nicht mehr heizen und fahren, indem Kohle, Öl und Gas verbrannt wird. So einfach ist es."
Das ist nicht neu und bedeutet, dass auch unter einer CDU-Regierung die meisten wohl vieles ändern müssten, wie etwa beim Heizen.
O-Ton Andreas Jung, stellv. CDU-Vorsitzender: "Wir haben einen Weg bis 2045, und auf diesem Weg muss es gelingen, dann wenn eine neue Heizung ausgewechselt wird, dass man dann auf eine Technologie setzt, auf eine Heizung, auf Wärme, die klimafreundlich betrieben werden kann."
Doch im Wahlkampf der CDU ist davon kaum etwas zu hören.
O-Ton Julia Klöckner, Sprecherin Wirtschaftspolitik CDU/CSU: "Das Kernangebot der Union ist schlichtweg Technologie, und das heißt nicht Verbot, sondern durch Innovation."
Ist vielleicht gar nicht die ganze CDU so richtig überzeugt vom Klimaschutz-Programm? Oder soll es nur hinter populistischen Tönen versteckt werden.
O-Ton Andreas Jung, Sprecher Klimaschutz und Energie CDU/CSU: "Nein, da gibt es keine populistischen Töne. Es gibt, wie in jeder Volkspartei manchmal ein Ringen. Aber dieses Ringen hat bei uns dazu geführt, dass wir ein sehr differenziertes Programm vorgelegt haben, mit dem vor allem klar beschrieben wird, wie erreichen wir die Klimaziele."
Forscher Edenhofer fordert, um Klimaziele am Ende auch wirklich zu erreichen, müssten sie den Wählerinnen und Wählern auch ehrlich und verständlich erläutert werden.
O-Ton Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Man muss den Leuten erklären, was man tut. Man muss über die Kosten aufklären, man muss über Kompensationen sprechen. Und dass Politiker das nicht immer gern machen, ist verständlich, aber bei solchen Änderungsprozessen unvermeidlich."
Bericht: Oda Lambrecht, Robert Bongen
Kamera: Andrzej Król, Alexander Rott
Schnitt: Jessica Jansen, Tim Rieckmann