Stand: 18.04.2024 21:45 Uhr

Angriffe gegen Grüne: Wenn der Gegner zum Feind wird (Manuskript)

von Robert Bongen und Timo Robben

Panorama v. 18.04.2024

Anmoderation Anja Reschke: "Es gibt einen neuen Volkssport: Grünenbashing. Kaum ein echtes oder vermeintliches Problem, ob schwächelnde Wirtschaft, steigende Energiepreise, Inflation, Flüchtlingszahlen, die Stimmung im Land, ja sogar das Erstarken der AfD, für das nicht den Grünen die Schuld gegeben wird. Und nicht nur viele Bürger hauen gerne lautstark und teilweise sehr verächtlich auf die Partei ein, da fallen Begriffe wie Krebsgeschwür und Grüne Gefahr, sondern auch die Oppositionsparteien, also die Union und andere. Die damit natürlich auf die Stimmen dieser Wähler zielen. Nun ist Kritik an der Regierung, auch harte, ja richtig und wichtig. Nur irgendwann muss man sich als Partei, die ja gerne kundtut, die Demokratie vor rechtsradikalen Kräften schützen zu wollen, schon fragen, ob man nicht auch ein bisschen Verantwortung dafür trägt, wie mit dem politischen Konkurrenten umgegangen wird. Robert Bongen und Timo Robben."

Es ist ein Thema, mit dem Friedrich Merz an der Parteibasis immer wieder konfrontiert wird: Wie geht die CDU mit den Grünen um?

O-Ton Friedrich Strobel aus Reichenbach/Vogtland: "Wenn es eine Brandmauer gegen die AfD gibt. Warum gibt es keine gegen die Grünen?"

Eine Brandmauer zu den Grünen? Als wären sie Demokratiefeinde wie die AfD? Zwar hat Friedrich Merz die Grünen immer wieder als Hauptgegner bezeichnet. Doch jetzt mahnt er die eigene Basis.

O-Ton Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender: "Wenn wir uns gegenseitig die Kooperationsfähigkeit und die Koalitionsfähigkeit abstreiten, wenn wir von vornherein erklären, was nicht mehr geht in der demokratischen, der breiten demokratischen Mitte unseres Landes, dann überlassen wir den Extremisten ganz links und ganz rechts das Feld. Diese demokratische Mitte, zu denen die Grünen auch gehören. Ja, die gehören dazu."

Die Grünen in der demokratischen Mitte. Das Zugeständnis schmerzt offenbar, ist aber durchaus nötig. Denn prominente Stimmen in der Union rücken die Grünen immer wieder in die Nähe eines Unrechtsregimes. Etwa CSU-Chef Markus Söder, der die grüne Umweltministerin Steffi Lemke "diese grüne Margot Honecker” nennt. Oder Thüringens CDU-Chef Mario Voigt. Letztes Jahr liefert er den Medien schrille Schlagworte zu Robert Habecks Heizungsgesetz: "Energie-Stasi”. Und die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke schreibt: (Quelle X, 15.01.2024) "Die Ampel reagiert elitär, weltfremd und abgehoben. Ein bisschen wie 89."

Jana Schimke beim CDU-Wahlkampf. Auf Nachfrage bestätigt sie uns, dass sie die Ampel für vergleichbar mit den politischen Eliten in der DDR hält, also mit einem Unrechtsregime. Und das mit voller Absicht verbreitet.

O-Töne Panorama: "Indem Sie solche Vergleiche aufstellen. Heizen Sie da nicht die Verrohung des Diskurses an?"

Jana Schimke, CDU-Bundestagsabgeordnete: "Das kann man durchaus unterstellen. Absolut. Ich gebe wieder, was ich hier erlebe und was ich hier erfahre. Und in diesem Empfinden, das man in den neuen Ländern hat, das vieles, was in der Politik im Moment passiert, nicht rechtens ist, nicht in Ordnung ist, nicht im Rahmen der demokratischen Gepflogenheiten stattfindet und diesem Empfinden geben die Menschen Ausdruck und ich habe es ein Stück weit auch getan."

Vergleiche mit einem Unrechtsregime, also die Grünen keine legitime Partei? Ist das also bloß harte Kritik oder schon demokratiefeindlich?

O-Töne Prof. Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin Universität der Bundeswehr München: "Ja, harte politische Auseinandersetzungen gab es immer schon. Aber man hat dem politischen Gegner nie die demokratische Legitimation sozusagen versucht abzusprechen. Die Angriffe im Sinne einer Delegitimierung des politischen Gegners, die haben eine neue Qualität, weil sie zum einen sehen wir sie erst in dieser Häufigkeit und Intensität, so seit 21, seit die Grünen mit in der Bundesregierung sind. Und sie kommen eben zunehmend auch aus der politischen Mitte."

Panorama: "Auch AfD-Politikerinnen und Politiker werden angegriffen?"

Prof. Jasmin Riedl: "Das eine Partei attackiert wird für ihre Grundüberzeugungen, das macht den Unterschied aus bei den Grünen im Vergleich zur AfD, weil diese Grundüberzeugung bei der AfD in Teilen verfassungsfeindlich sind und eben nicht vereinbar mit der Demokratie ist. Wohingegen die Grundüberzeugungen der Grünen vielleicht sehr liberal sind, aber sie sind immer auf dem Boden der Verfassung. Das macht einen Unterschied."

Nicht die einzige Grenzüberschreitung aus der Union. Ende letzten Jahres postet die CDU-Fraktion in Sachsen dieses Bild, wie eine Gewaltandrohung an die Ampel: Ein aggressiver Bauer mit Heugabel. "Finger weg vom Agrardiesel". Von der CDU heißt es, das Bild zeige einen Landwirt in einer eindeutig defensiven Abwehrhaltung, keinen Gewaltaufruf. Anfang des Jahres dann: Heftige Proteste von Bauern gegen die Grünen. Autos von Politikern werden blockiert, Veranstaltungen müssen abgesagt werden. Auch Markus Söder äußert sich zu den Protesten gegen die Grünen. Zwar lehne er Gewalt generell ab.  

O-Ton Markus Söder, CSU, Ministerpräsident Bayern: "Aber umgekehrt will ich sagen, bei den Grünen da ist schon sehr viel Mimosenhaftigkeit da. Andere werden ständig angegriffen, andere werden massiv hinterfragt, zum Teil auch in einer sehr, sehr von sich überzeugter Form."

Für andere normal, nur die Grünen reagieren wie Mimosen? Klingt gut, wenn da nicht die Fakten wären: 2022 gab es die meisten Angriffe auf Parteimitglieder der Grünen. 575. Zum Vergleich etwa die AfD: 360 Angriffe. 2023 waren es sogar 1219 Angriffe. 478 auf AfDler. Wie hatte CDU-Chef Merz gesagt, "wir dürfen uns die Kooperationsfähigkeit nicht abstreiten”. Nicht alle in der Union scheinen sich daran zu halten. Eine Panorama-Anfrage ließen Merz wie auch Söder und Voigt unbeantwortet. Nachfrage bei Thorsten Frei, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Fraktion. Ein Versuch, sich zu distanzieren, ohne sich zu distanzieren.

O-Töne Panorama: "Jetzt gab es aus Ihrer Partei zum Beispiel SED-Vergleiche der Grünen, und auch die Bauernproteste wurden angestachelt. Ist das für Sie dann noch ein legitimer politischer Diskurs?"

Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer CDU/CSU-Fraktion: "Also die Frage ist ja immer auch, was klug ist. Und nicht alles, was legitim ist, ist auch klug, dass man es macht. Und deswegen glaube ich mit solchen Vergleichen, die natürlich immer auch geeignet sind, wirklich schweres Unrecht, autoritäre Regime ein Stück weit zu relativieren. Ich glaube, da muss man sehr, sehr vorsichtig sein."

Es ist eigentlich sehr einfach: Demokratie beruht darauf, die demokratische Konkurrenz anzuerkennen. Tut man das nicht, hilft man ihren Feinden.

Bericht: Robert Bongen, Timo Robben
Kamera: Anton Felixberger, Andreas Fritzsche, Sebastian Heidelberger
Schnitt: Christian Bolz

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 18.04.2024 | 21:45 Uhr

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