Kampf ums Auto: Scheitert die Verkehrswende?
In deutschen Städten prallen Gegensätze aufeinander: Autogegner gegen Autofahrer. Die Verkehrswende droht zu scheitern.
Noch im Spätsommer wollte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay einen kleinen Versuch wagen: Für eine Woche ein paar Straßen absperren lassen. Ein "autofreies Hannover", dafür war er 2019 schließlich zur Wahl angetreten.
Doch auf einem Straßenfest zum Auftakt des Projekts erfährt er nicht von jedem Zuspruch: Ein Anwohner schimpft über eine "Entmündigung des Bürgers", ein anderer wünscht Onay schon im Sommer das Ende seiner rot-grünen Regierung. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Knut Gerschau ist gekommen, um sich über "Autohass" zu beschweren.
Ob Berlin oder München - Widerstand gegen "autofreie" Projekte
Überall dort, wo das Autofahren eingeschränkt wird, formiert sich schnell Widerstand - oft mit Erfolg. In Berlin zum Beispiel wurde die Friedrichstraße vor zwei Jahren zur Fußgängerzone umgewandelt. Danach machte die CDU einen Auto-Wahlkampf. Sie gewann. Seitdem fließt durch die Friedrichstraße wieder der Verkehr.
Auch in München gab es Streit, als dort im Sommer in der Kolumbusstraße versuchsweise 41 Parkplätze wegfielen. Anwohner klagten und das Projekt wurde früher beendet.
Konflikte zwischen Auto und Fahrrad sind nichts Neues
Dabei kämpfen auch die Autogegner durchaus für ihre Sache. In Hamburg demonstrieren Radfahrer regelmäßig für eine autofreie Stadt. Sich selbst rüsten sie mit Bodycams aus und ihre Fahrräder mit zusätzlichen Scheinwerfern.
Streits zwischen den Fahrerinnen und Fahrern unterschiedlicher Transportmittel sind auf deutschen Straßen nicht ungewöhnlich - und nicht selten kommt es dabei zu Handgreiflichkeiten. Und der verfügbare Raum wird immer enger.
Trend zum Zweit- und Drittwagen
Andreas Knie, Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, erforscht seit Jahren das Verhältnis der Deutschen zu ihren Autos. Eigentlich seien die Fakten allen klar: Der Raum in den Städten werde zu eng, die Luft zu schlecht. Und die Autobesitzer sind in der Minderzahl. Wieso stockt es dann mit der Mobilitätswende?
Weiterhin geht der Trend eher zum Zweit- und Drittwagen. In Lübeck etwa versucht die Stadt daher, mit digitaler Überwachung Ordnung ins Chaos zu bringen. Sensoren auf der Straße melden dem Ordnungsamt Falschparker, um sie abschleppen zu lassen. Denn oft kommt hier auch die Feuerwehr nicht mehr durch die zugeparkten Straßen.
Gute Argumente für die Verkehrswende gibt es genug. Und doch scheinen sie nicht zu überzeugen.
Bei Verkehrswende auch die Mitte mitnehmen
Mit seinen Protestaktionen hat der Fahrradaktivist Heinrich Strößenreuther in Berlin für das erste Radgesetz gesorgt. In Hinblick auf die Verkehrswende erklärt er, "dass man starke Begriffe braucht und eine starke Erzählung, die auf die Mitte zielt". Allein mit rationalen Argumenten komme man nicht weiter. Einen Kulturkampf lehnt er aber ab.
Was die Kommunen derweil an der Umsetzung der Mobilitätswende hindert, ist die Gesetzeslage, denn die schreibt schon seit den 1930er Jahren den Vorrang des Autos fest. Mit einer Gesetzesnovelle will die Ampel den Kommunen mehr Selbstbestimmung zusprechen. Der Schutz von Umwelt und Klima sowie Gesundheit sollen mehr in den Vordergrund rücken.
CDU lehnt Verkehrsgesetz im Bundesrat ab
Doch Ende November lehnt der Bundesrat den Gesetzesentwurf ab, genauer: die CDU-geführten Bundesländer verweigerten ihre Zustimmung, mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Berlin. Sie sehen den fließenden Verkehr und die Sicherheit des Autoverkehrs in Gefahr.
Bei Heinrich Strößenreuther, der von den Grünen zur CDU wechselte, sorgt das für Unverständnis, ja, geradezu für Enttäuschung. "Wahrscheinlich ist der Hauptgrund, der Ampel eins auszuwischen", sagt er. "Das ist wirklich schade, das führt zu Politikverdrossenheit". Diese Vorwürfe weist der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß zurück. Er freut sich dagegen über das Scheitern des Gesetzentwurfs, denn der sei ideologisch gewesen, sagt er.
Rot-Grüne Koalition in Hannover scheitert an der Auto-Frage
Nur ein paar Tage nach der Abstimmung im Bundesrat gegen das Straßenverkehrsgesetz lässt die SPD-Ratsfraktion in Hannover die Koalition mit Belit Onay platzen. Lars Kelich, Fraktionschef der SPD, begründet das damit, dass man alle Menschen mitnehmen müsse, um nicht anderen das Feld zu überlassen. "Wenn man verhindern will, dass zum Beispiel rechtsextreme Parteien wie die AfD davon profitieren, dann muss man sich eben auch verabschieden von diesem Ja-Nein-Schwarz-Weiß-Denken", sagt Kelich.
Belit Onay kann das nicht nachvollziehen und kritisiert ein "parteipolitisches Kleinklein". Möglicherweise habe der Ausstieg der SPD andere Gründe.
Zukünftig muss Onay auf wechselnde Mehrheiten setzen. Die Umsetzung seiner Verkehrswendepläne dürfte das schwieriger machen - so wie in vielen Orten Deutschlands: Die Verkehrswende droht zu scheitern.