Getränkepfand: Neues Gesetz, neue Ausnahmen
Weniger Plastikmüll - darauf zielt das neue Gesetz zum Einwegpfand ab. Doch Lobbyisten aus der Milch- und Saftindustrie haben wohl bereits Ausnahmen durchgesetzt.
In einem neuen Gesetz gegen Plastikmüll soll es Ausnahmen von der Pfandpflicht geben, etwa für Milch in PET-Flaschen. Dies zeigt der Gesetzesentwurf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze, der Panorama vorliegt. Diese Aufweichung einer strenger geplanten Pfandpflicht ist nach Panorama-Recherchen ein Lobbyerfolg des Milchindustrie-Verbandes.
Die Ankündigung im Pressetext des Bundesministeriums für Umwelt klingt zwar vielversprechend: "Mehrweg statt Wegwerfplastik", heißt es dort. Das Ministerium verspricht "die Abschaffung von Ausnahmen von der Einweg-Pfandflicht". Doch tatsächlich wimmelt es im Gesetz weiterhin von Ausnahmen - für Milch in PET-Flaschen etwa: Diese bleiben vorerst pfandfrei.
Freiwilligkeit, lange Übergangsfristen und Sonderregelungen
"Wir sind froh und dankbar. Das war unsere Grundforderung", kommentiert Eckhard Heuser vom Milchindustrie-Verband seinen Lobbyerfolg. Zwar könnte später, ab 2024, doch ein Pfand auf Milch kommen, doch auch das will Heuser noch verhindern: "Da kann noch was passieren. Ob ein Pfand kommt, werden wir wahrscheinlich mit der nächsten Bundesregierung abstimmen müssen."
Das Bundesumweltministerium schreibt dazu auf Panorama-Anfrage: "Das war ein Wunsch des Bundeslandwirtschaftsministeriums in der Ressortabstimmung. Als BMU hätten wir uns ein früheres Datum vorstellen können." Bettina Hoffmann, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/ Die Grünen, kritisiert: "Die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit, lange Übergangsfristen und Sonderregelungen. Das ist falsch. Wir brauchen ein Pfand auf alle Getränke, so schnell es geht."
"Dass Pfand auf Dosen und Plastikflaschen ausgeweitet werden soll, das ist grundsätzlich positiv", sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) über den Gesetzentwurf. "Die Ausnahme für die Milch ist aber aus Umweltschutzsicht überhaupt nicht nachvollziehbar", kritisiert er.
Auch sonst kann von einer völligen Abschaffung der Ausnahmen beim Pfand keine Rede sein. Zwar kommt nun ein Pfand auf PET-Flaschen mit Säften, aber nicht auf Glas-Einweg-Flaschen mit dem gleichen Inhalt. Und für Getränkekartons wie Tetra Paks besteht überhaupt keine Pfandpflicht, egal was drin ist.
Paradebeispiel für Lobbyismus
Der Gesetzesprozess ist ein Lehrstück, wie Lobbyismus funktioniert. Eine im November vorgestellte Gesetzesversion war viel strenger. Dort war noch eine sofortige Pfandpflicht für Milch in Plastikflaschen geplant. Der Milchindustrie-Verband startete daraufhin eine große Kampagne mit zweifelhaften Argumenten. In einem Brandbrief an Umwelt- und Wirtschaftspolitiker aus dem Bundestag, der Panorama vorliegt, warnte der Verband vor "hygienischen Bedenken" durch Milchreste in den Pfandautomaten. Es drohe "ein mikrobiologisches Problem". Das klingt gefährlich. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium bestätigt schriftlich: Grund für die Ausnahme "waren hygienische Bedenken gegen die Rücknahme von Verpackungen für Milch und Milchmischgetränke."
Die Milchvertreter behaupteten, das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) würde vor einer Pfandpflicht warnen. Doch das BfR widerspricht auf Nachfrage: "Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit und die Sicherheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern sind sehr unwahrscheinlich. Bei der Verwendung der Automaten für die Rücknahme ist kein erhöhtes Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher zu erwarten."
Wie steht es um ein Pfand auf Getränkekartons?
Hoffmann und die Deutsche Umwelthilfe fordern auch, dass Getränkekartons bepfandet werden. Saft und Milch werden überwiegend in Kartonverpackungen verkauft. Laut Bundesumweltministerium sei ein Pfand aber nicht nötig. Die Paks landen bislang im gelben Sack oder in der gelben Tonne: "Da die bisherige Sammlung und das Recycling von Getränkekartons gut funktioniert, erscheint eine entsprechende Ausweitung der Pfandpflicht nicht erforderlich", schreibt das Ministerium.
Auch der Fachverband Kartonverpackung für flüssige Nahrungsmittel (FKN), der die Branche repräsentiert, schreibt: "Wir lehnen ein Pfand auf Getränkekartons ab. Zwar könnten dadurch etwas mehr Milch- und Saftkartons gesammelt werden als über die Gelbe Tonne, das macht die Ökobilanz aber nur geringfügig besser. Auch ohne Pfand schneidet der Getränkekarton beim Klimaschutz deutlich besser ab als alle anderen Getränkeverpackungen."
"Getränkekarton hat nichts mit Umweltschutz zu tun"
Die Kartons bestehen aber auch zu etwa 25 Prozent aus Plastik und Aluminium: "Der Getränkekarton hat nichts mit Umweltschutz zu tun", kritisiert Thomas Fischer von der DUH: "Man muss sich fragen, ist das eher eine Plastikflasche 2.0? Hinzu kommt, dass übereinandergelegte Schichten von Kunststoff, Papier und Aluminium nur schwer recyclen lassen."
Der FKN beschreibt auf seiner Homepage selbst Probleme beim Recycling. Die beiden Fabriken in China und Deutschland, die solche Verbundmaterialen trennen könnten, werden derzeit nicht beliefert. Deshalb werden die Aluminium- und Plastikreste oft verbrannt. Doch das soll sich laut FKN bald ändern: "In wenigen Wochen geht eine Recyclinganlage zur Verwertung des Kunststoffanteils in Betrieb, die von den Getränkekartonherstellern finanziert wurde."