Heimatminister: Was macht der eigentlich?
Nur "Politik für's Gefühl"? Für seine Erfindung eines Heimatministeriums wurde Innenminister Horst Seehofer viel belächelt und kritisiert. Aber was genau passiert dort eigentlich?
Die Männer in den dunklen Anzügen sind extra aus Berlin angereist, um die frohe Botschaft selbst zu überbringen. Markus Kerber, Staatssekretär im Ministerium für Heimat und Michael Frehse, Abteilungsleiter. Die beiden höchsten Beamten des Heimatministeriums sind auf Ortsbesuch im Observatorium Wettzell im Bayerischen Wald. Sie lassen sich die Technik zeigen, bewundern Satellitenschüsseln und flackernde Bildschirme. Aber eigentlich sind sie die 500 Kilometer gefahren, um den Menschen hier die Sorgen zu nehmen. "Wir haben in Deutschland die Situation, dass viele sich abgehängt fühlen", sagt Staatssekretär Kerber. "Obwohl sie es gar nicht sind. Und ich glaube, diesem Gefühl kann man nur mit objektiver, harter Politik begegnen."
Neue Jobs in der eigenen Behörde
Wettzell liegt kurz vor der tschechischen Grenze, die Region gilt als strukturschwach. "Wenn man hier interessante Arbeitsplätze für Menschen schaffen könnte", sagt Kerber, "dann wäre das ja eigentlich schön." Nichts weniger als einen Strukturwandel will er hier schaffen. Dafür zu sorgen, dass sich niemand benachteiligt fühlt, sehen sie als ihre zentrale Aufgabe im Heimatministerium. Eine große Aufgabe. Vielleicht eine zu große. Wie praktisch, dass das Observatorium eine staatliche Einrichtung ist, die seit kurzem offiziell dem Heimatministerium zugeordnet ist. So können die Heimatbeamten Kerber und Frehse einfach neue Arbeitsplätze in der eigenen Außenstelle schaffen. Und das als Teil der "De-Zentralisierungspolitik" verkaufen. Neun Ingenieurs- und Informatiker-Stellen, mitten in der Provinz.
"Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt"
Als Horst Seehofer seine Idee des Heimatministeriums in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat, hagelte es Spott und Kritik. Die Aufregung hat sich nun, knapp zwei Jahre später, gelegt. Doch die Fragen sind geblieben. Wie definiert man Heimat politisch? Wofür ist ein Heimatminister zuständig? "Wir definieren Heimat eigentlich gar nicht so politisch", sagt Abteilungsleiter Frehse. "Wir sagen ganz einfach: Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt." Heimat als Gefühl der Geborgenheit, das klingt vertraut. Doch wie definiert man, welche Zuständigkeiten zu einer Einrichtung gehören, die nach einem Gefühl benannt ist? Frehses Lösung: "Heimat ist alles. Insofern sind wir für alles da!" Er lacht verschmitzt.
"Zum Gefühl ein paar Daten dazu packen"
Wir treffen Markus Kerber, den Staatssekretär für Heimat, einige Wochen später wieder, diesmal in seinem Büro in Berlin: "Meines Erachtens ist Politik für Bürger zu mindestens 50 Prozent eine gefühlte", sagt er. Für den Bürger sei Politik gefühlt, doch das Heimatministerium will trotzdem "objektive, harte Politik" machen. Wie geht das zusammen? Staatssekretär Kerber hofft auf die Kraft von 56 Landkarten.
"Deutschlandatlas" heißt der ganze Stolz der Abteilung. Man habe dafür Deutschland einmal durch den "MRT gejagt". Also Daten gesammelt, ausgewertet, kartografiert. Das Ergebnis: eine Deutschlandkarte mit Bus- und Bahnstrecken, eine mit Krankenhäusern, eine weitere mit Grundschulen und so weiter. Für alle einsehbar im Internet. Das Ziel: So sollen die Bürger sehen, wie sie leben, und lernen, wie es ihnen tatsächlich geht. Sind sie wirklich so unterversorgt, wie sie denken? Oder sagen die Fakten eigentlich etwas ganz anderes? Das Heimatministerium will so einerseits die Sorgen ernst nehmen, andererseits aber auch zeigen: Nicht alle diese Sorgen sind berechtigt. Weniger Gefühl, mehr Fakten also? Kerber relativiert: "Ich will den Menschen nicht ihre Gefühlslage vorschreiben, aber zum Gefühl noch ein paar Daten dazu packen, um dann zu vernünftigen Schlussfolgerungen zu gelangen."
Nerven, überreden, hoffen
Die Schlussfolgerungen der Heimatbeamten sind vielfältig: In einigen Regionen sollte es mehr Bahnstrecken geben, auch wenn sich das nicht unbedingt wirtschaftlich rechnet. In anderen sollten weniger Krankenhäuser schließen. Auch hier zeigt sich wieder: Heimat hat ja irgendwie mit allem zu tun. Vom Landarzt über Grundschulen bis hin zum Mobilfunk. Schön, wenn sie das hier alles regeln könnten. Das Problem ist nur: Für all diese Themen gibt es schon andere, zuständige Ministerien. Landarztmangel ist Sache des Gesundheitsministeriums, Mobilfunk gehört zum Verkehrsministerium und Schulen sind sowieso Ländersache.
Und trotzdem hat das Heimatministerium für fast jeden Politikbereich nochmal eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Nur tatsächliche Macht haben die Heimatbeamten kaum. Gesetzentwürfe schreiben etwa können sie nicht. Das ist Sache des jeweilig zuständigen Ministeriums. Die Heimatbeamten können lediglich mitreden, überreden, nerven - und hoffen, dass die anderen Ministerien zuhören.
