"Nicht nur besorgte Bürger"
Eigentlich muss man Horst Seehofer dankbar sein. Denn mit seinem zynischen Spruch über die 69 Abgeschobenen zu seinem 69. Geburtstag hat er den Fokus wieder auf das gelegt, worum es bei Flüchtlingspolitik gehen sollte: die Menschen. Es ist nämlich mitnichten so, dass in diesem Flugzeug vor allem Gefährder und Straftäter saßen. Mindestens 50 der 69 Abgeschobenen haben sich nichts zuschulden kommen lassen.
Berufsschüler abgeschoben
Etwa die vier Schüler der Berufsschule Illertissen in Bayern. Alle sollen freundliche, zielstrebige Schüler gewesen sein. Zwei von ihnen hatten schon einen Ausbildungsplatz. Oder der 26-Jährige aus Weiden, der gut Deutsch sprach, Wohnung und Job hatte. Oder Alayah, den eine Münchner Zimmerei gerne als Lehrling genommen hätte.
Hinter all diesen Geschichten stecken auch Deutsche, die sich Angela Merkels "Wir schaffen das" zu Herzen genommen haben. Der Schulleiter der Berufsschule etwa und sein Kollegium, die sich reingehängt haben, die ehrenamtlichen Helfer. Die Arbeitgeber, oft kleine Handwerksbetriebe, die gegen alle bürokratischen Hürden Jobs geboten haben. Die eben das geleistet haben, was man Integration nennt.
Vor den Kopf geschlagen
All jenen haben die Bundesregierung und Horst Seehofer vor den Kopf geschlagen. Weil man seit "Wir schaffen das" vor drei Jahren so sehr bemüht ist, die sogenannten besorgten Bürger zu bedienen, dass Flüchtlingspolitik zur reinen Abschreckung verkommen ist. Das geht so weit, dass man heute Seenotretter wie Verbrecher behandelt und wir ernsthaft diskutieren, ob es nicht in Ordnung ist, Menschen im Meer ertrinken zu lassen.
Aber vielleicht gibt es gar nicht nur besorgte Bürger? Die Umfragewerte der CSU in Bayern sind nach zynischen Sprüchen wie Geburtstagsflug und Asyltourismus auf historischem Tiefstand. Vielleicht gibt es doch mehr Menschen in Deutschland, denen menschliches Schicksal und zivilisatorische Werte noch etwas bedeuten. Gut, dass jetzt wieder darüber diskutiert wird.