Hitler-Gruß bei der Bundeswehr: Verleumdung von Zeugin statt Aufklärung
Monatelang rekonstruierten Ermittler der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Polizei die Abschiedsfeier für einen Oberstleutnant des Kommando Spezialkräfte (KSK). Der damalige Kompaniechef der Eliteeinheit der Bundeswehr soll im April 2017 den Hitlergruß gezeigt haben, so hatte es zumindest eine Augenzeugin dem Y-Kollektiv, Panorama und Radio Bremen in einem Interview geschildert. Diese Abschiedsfeier sei auch sonst reichlich bizarr gewesen. Danach hatten die untergebenen Soldaten für ihren Chef allerlei "Spiele" geplant: Etwa Schweineköpfe werfen, Melonen und Ananas mit einem Schwert zerteilen sowie Bogenschießen. Nach Bewältigung dieses Hindernisparcours sollte der Oberstleutnant einen "Preis" bekommen. Dieser Preis sollte Sex mit eben jener Frau sein, die uns später von dem Abend berichtete. Zu dem Sex kam es nicht, aber der Rest ist strittig.
Hitlergruß als strittiger Punkt
Die Bundeswehr bestätigte damals in weiten Teilen den Ablauf des Abends und damit auch die Schilderungen der Augenzeugin. Nur einen Punkt bestätigte die Truppe nicht: Den Hitlergruß ihres Kompaniechefs, während ein Lied von der Rechtsrockband Sturmwehr gespielt wurde. Genau das war aber der Anlass für die Augenzeugin, sich an die Öffentlichkeit zu wagen. Ein Hitlergruß bei der Eliteeinheit der Bundeswehr - und kein beteiligter Soldat ging dazwischen - das motivierte die Frau dazu, sich trotz aller Risiken zu dem Vorfall zu äußern.
Zeugin als Escort-Dame verleumdet
Umgehend nach der Panorama-Sendung leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Soldaten wegen des Hitlergrußes ein. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bezeichnete die Abschiedsfeier als "geschmacklos", der Hitlergruß habe sich aber "bisher nicht bestätigt". Mindestens ebenso geschmacklos war das Vorgehen der Pressestelle des Heeres gegenüber der Augenzeugin. So schrieb die Pressestelle auf Nachfrage Folgendes: "Während der Veranstaltung war eine Frau, die zu einem Escort-Service gehören soll, anwesend." Wie sie zu der Behauptung kam, dass die Augenzeugin als Mitarbeiterin eines Escort-Services dort war, dazu äußerte sich die Bundeswehr auf Nachfrage von Panorama nicht.
Auch im Bundestag wurde die Zeugin von der Bundeswehr entsprechend verleumdet. Verteidigungsausschussmitglied Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linken, erinnert sich noch an die Worte, die die Bundeswehr in einer nicht-öffentlichen Ausschusssitzung verwendete: "Die Bundeswehr hat davon berichtet, dass die Frau, die sie als 'Dame vom Escort Service' bezeichnet haben, dass die Frau die Beschuldigungen Rechtsrock und Hitlergruß geäußert hat, aber dass man dafür keine Belege habe, und meine Vermutung ist, dass mit der Bezeichnung 'die Dame vom Escort Service' die Zeugin in ihrer Glaubwürdigkeit herabgestuft werden sollte."
Justiz hält Zeugin für glaubwürdig
Für Staatsanwaltschaft und Gericht war die Augenzeugin sehr glaubwürdig und ihre Aussage der entscheidende Grund für die Verurteilung des Oberstleutnants. Immerhin glaubten die Ermittler ihren Schilderungen zum Ablauf des Abends inklusive Hitlergruß mehr als den Schilderungen der Soldaten, die offenbar keinen Hitlergruß gesehen haben wollten. "Das Gericht muss, da es den Strafbefehl erlassen hat, von einem hinreichenden Tatverdacht ausgegangen sein, so dass es eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit gesehen hat, so dass letztlich der Aussage der Augenzeugin Glauben geschenkt sein muss dergestalt, dass jedenfalls ihre Aussage als glaubwürdig eingestuft worden ist", so Ralf Rose, Sprecher des Amtsgerichts Böblingen.
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen
Dass offenbar mehr als 50 Elitesoldaten den Hitlergruß nicht gesehen haben, erscheint der Bundestagsabgeordneten Buchholz unglaubwürdig. Sie vermutet dahinter einen falsch verstandenen Korpsgeist: "Natürlich muss man immer kritisch die Aussagen der Kameraden hinterfragen, weil natürlich der Korpsgeist greift und auch der Mechanismus, den Chef zu schützen."
Das Ministerium schreibt dazu nur ganz generell, dass "Extremismus, in welchen Bereichen auch immer, in der Bundeswehr keinen Platz hat". Auf Nachfrage bei einer Veranstaltung wollte sich auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nicht näher zu den Vorwürfen äußern. Zu einem laufenden Verfahren äußere sie sich nicht, so die Ministerin. Dabei ist das strafrechtliche Verfahren längst rechtskräftig abgeschlossen, der Soldat verurteilt. Bundeswehrintern wird trotzdem formal weiter ermittelt. Für Buchholz versteckt sich von der Leyen hinter diesen Ermittlungen und wagt keine klare Ansage: "Meine Erwartung an Frau von der Leyen ist, dass sie klar sagt, dass eine Person, die nachweislich den Hitlergruß gezeigt hat und dafür strafrechtlich belangt wird, nichts in der Bundeswehr zu suchen hat, und diese politische Äußerung muss auch eine Verteidigungsministerin so tätigen."