Nachschub für die Front: Unterstützung für die Ukraine
Der Mann mit dem Faschingskostüm hat den Laden gerade verlassen. Seine Verkleidung: ein Fliegeroverall, wie ihn Tom Cruise im Filmklassiker "Top Gun" getragen hat.
Da steht schon der nächste Kunde an der Theke. Eine Jacke und eine Hose in Tarnfarben hat er über den Arm geschlagen. "Auch für Fasching?", fragt der Verkäufer im kleinen Army-Shop am Münchner Hauptbahnhof. "Nein, für die Ukraine", antwortet der Kunde. Der Verkäufer lacht. Aber der Kunde meint es ernst. Dimitri will in die Ukraine, in den Krieg. Zum Kämpfen. Seine Heimat verteidigen.
Spenden sammeln - jeden Sonntag
Dimitri ist in Donezk geboren. Vor drei Jahren ist er nach München gekommen, gemeinsam mit seiner Mutter. Spätaussiedler. Seine Heimat habe er immer im Herzen behalten, sagt er. Und spätestens seit dem Maidan hat er das politische Geschehen dort intensiv verfolgt. Nach Kriegsausbruch hat er Sonntag für Sonntag vor der ukrainischen Kirche in München Spenden gesammelt, für die Armee der Ukraine. Nun will er selber hin, sich einem Freiwilligen-Bataillon anschließen.
Mit dem Gedanken trägt er sich schon länger. Spätestens, als er ein Video sah, dass seine zerbombte Schule in Donezk zeigt, stand sein Entschluss fest. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Platz, wo ich meine Kindheit verbracht habe, zum Schlachtfeld wird." Hilflos habe er sich gefühlt, ratlos, dass er aus München nichts dagegen tun konnte. Ein Lehrer, den er kannte, ist bei dem Granateneinschlag ums Leben gekommen. Die Russen verbreiteten, dass die Ukrainer dafür verantwortlich seien. Doch daran glaubt er nicht. Er ist sich sicher, dass es die "Terroristen" waren. So nennt er die prorussischen Separatisten, die Donezk eingenommen haben. Und die will er wieder aus der Stadt vertreiben.
Dimitri macht Ernst
Dimitris Freunde haben versucht, ihn umzustimmen. Sein Schulleiter hat zwei Stunden auf ihn eingeredet. Vergeblich. Sicher, der könne das natürlich rational ganz gut begründen, sagt Dimitri. "Aber emotional kann er sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn deine Heimatstadt okkupiert ist und jeden Tag zerbombt wird." Und dann hat der Schulleiter noch gesagt, dass er doch nur Kanonenfutter dort sei, weil er keine militärische Ausbildung habe. Doch Dimitri ist sich sicher, dass die Freiwilligen-Verbände ihn gut vorbereiten werden. Vier Wochen dauert die Grundausbildung in einem Camp in Winniza im Westen des Landes. Danach folgen weitere Ausbildungen. Und dann? "Geht es an die Front. Aber ich weiß es nicht genau." Die Uniform muss er selber mitbringen. Gekauft im Army-Shop in München.
Vielleicht ein Akt der Verzweiflung
Seine Mutter ist verzweifelt. Sie will nicht, dass er geht. Dimitri spricht mehrere Sprachen, er soll die Schule beenden, Abitur machen. Er sei doch kein Soldat! Doch Dimitri ist im Januar 18 geworden. Er sagt, er könne nun für sich selbst entscheiden, wolle etwas Sinnvolles mit seiner Volljährigkeit tun.
Dass er ernst macht und geht - wirklich gerechnet hat damit keiner. In der ukrainischen Kirchengemeinde sehen sie seine Mission kritisch, aber sie respektieren seine Entscheidung. "Im Herzen kann ich seinen Schritt verstehen, andererseits ist er noch ein junger Mensch, der eigentlich eine Ausbildung braucht. Ich hoffe, dass er irgendwo untergebracht wird, wo nicht direkt Kriegshandlungen stattfinden", sagt der Pfarrer. Das sei vielleicht ein Akt der Verzweiflung, "weil die jungen Menschen keine andere Perspektive in dieser Situation sehen. So traurig wie das ist."
- Teil 1: Spenden sammeln - jeden Sonntag
- Teil 2: Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung schwindet