Die Allianz reagiert auf Panorama-Film "Die Nein-Sager"
Hier eine Stellungnahme zu den Vorwürfen durch die Panorama-Redaktion:
Die Allianz schreibt, sie habe die Verzögerungen bei der Regulierung für Dieter Wollenweber nur zu einem geringen Teil zu verantworten. Sie erweckt den Eindruck, weitgehend alles richtig gemacht zu haben. Tatsächlich hat sich die Versicherung zwei Mal für ihre Behandlung des schwerbehinderten Dieter Wollenweber entschuldigt - einmal durch ihren Pressesprecher vor den Kameras des NDR, zum anderen in einem persönlichen Schreiben des Allianz-Vorstandsvorsitzenden Severin Moser an Wollenweber persönlich.
In dem NDR-Interview sagte der Pressesprecher der Allianz, Hermann-Josef Knipper, dass sich so etwas wie der Fall Wollenweber nie wiederholen dürfe. Gerade aus diesem Fall habe die Allianz gelernt. In seinem Schreiben an Dieter Wollenweber räumte Allianz-Chef Moser ein, der schwerstbehinderte Mann habe bei der Allianz zu Recht Fairness und Respekt vermisst. "Hierfür und für die extrem lange Regulierungsdauer möchte ich mich bei Ihnen ausdrücklich entschuldigen".
Allianz kommt ausführlich zu Wort
Weiter behauptet die Allianz, ihre Position finde sich in dem ARD-Film kaum wieder. Allianz-Sprecher Knipper kommt in der Reportage ausführlich zum Fall Wollenweber zu Wort. Wiederholt hat die NDR-Redaktion von "Panorama", die den ARD-Film produziert hat, auch um eine Stellungnahme zum Fall Bernert gebeten. Statt der erwünschten Stellungnahme erhielt NDR Reporter Christoph Lütgert ein Schreiben des Allianz-Anwaltes Prof. Christian Schertz (Berlin). Darin heißt es: "Ich habe meiner Mandantschaft (Anm: Die Allianz) empfohlen, Ihnen gegenüber keine weiteren Stellungnahmen abzugeben. Insbesondere auch kein weiteres Interview mit Ihnen zu führen." Die Allianz hat sich an diese Empfehlung ihres Anwalts gehalten. Weiterhin wollte Schertz dem NDR untersagen, das bereits aufgenommene Interview mit Allianz-Sprecher Knipper in den ARD-Film einzuschneiden. Hätte sich die Redaktion daran gehalten, wäre die Allianz in dem Film überhaupt nicht zu Wort gekommen.
"Verzögerungstaktik der Allianz"
Die Allianz schreibt weiter, die 30-jährige Verzögerung bei der Regulierung im Fall Wollenweber sei vor allem in den vier Anwaltswechseln begründet. Der Saarbrücker Rechtsanwalt Pierre Zimmermann, der Wollenweber bis auf den heutigen Tag betreut und den Vergleich mit der Allianz ausgehandelt hat, schildert, dass der zweite von insgesamt vier Anwälten mit der Allianz 24 Jahre lang ohne Erfolg verhandelt habe. Er "hat dabei alle Varianten der Verzögerungstaktik der Allianz kennen gelernt." So sei nach einem verheerenden Hochwasser im Dezember 1993 ein Großteil der Wollenweber-Akten in der Anwaltskanzlei vernichtet worden. Man sei also auf die Akten, die bei der Allianz lagerten, angewiesen gewesen. "Bis 2005 hat die Allianz die Akteneinsicht verweigert."
Rechtsanwalt Zimmermann führt gegenüber dem NDR weiter aus, "dass die Allianz während der ganzen Jahre immer wieder falsch behauptete, dass die Versicherungssumme (für Wollenweber) durch Zahlungen an die Sozialversicherungsträger aufgebraucht sei. Dass die Deckungssumme aufgrund der sogenannten geschäftsplanmäßigen Erklärungen der Allianz ein Vielfaches war, hatte die Allianz über Jahrzehnte immer verschwiegen - nicht nur gegenüber Herrn Wollenweber, sondern selbst gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen."
Allianz zahlte Verdienstausfall erst nach 30 Jahren
Rechtsanwalt Zimmermann weiter: Die Allianz habe zudem über Jahrzehnte die "Falschbehauptung" aufgestellt, dass Wollenweber kein Verdienstausfallschaden entstanden sei. Erst nach 30 Jahren habe sie neben Schmerzensgeld und anderen Positionen auch einen Verdienstausfallschaden anerkannt und reguliert.
Die Ursachen der Verzögerungen lägen daher nicht bei Dieter Wollenweber, sondern bei der Allianz. Anwalt Zimmermann sagt: "Wir werden eine genaue Liste vorlegen."
Im Fall Bernert ist dem Urteil des Oberlandesgerichts München von 2004 an keiner Stelle zu entnehmen, dass die Richter den Anteil der Versicherungsnehmer an der Behinderung auf insgesamt 20 Prozent festgelegt haben. Insbesondere die zitierte Zahl "20 Prozent" ist auf keiner der 43 Seiten zu finden.
Im Gegenteil: Das Landgericht Kempten hat am 20 Januar 2011 geurteilt, dass die Beklagten vollumfänglich haften (Az.: 3 O 2613/92). Zitat: "Die Beklagten können sich nicht mehr darauf berufen, die ihnen zur Last gelegten Behandlungsfehler hätten den Gesundheitsschaden des Klägers nur zu einem kleinen Teil verursacht, da dieser zum größten Teil schon bei der Geburt entstanden sei. Hiermit greifen die Beklagten letztlich die haftungsbegründende Kausalität, d.h. die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden an, über die ab bereits rechtskräftig entschieden ist. Ein anderes Verständnis würde zur Aushöhlung der Rechtskraft führen." Das Landgericht hat also festgestellt, dass das Oberlandesgerichts München in seinem Urteil von 2004 den Verursacheranteil gerade nicht in der Art beschränkt hat, wie es die Allianz in ihrer Stellungnahme suggeriert.
Die lange Verfahrensdauer von 1992 bis heute liegt im Fall Bernert insbesondere darin begründet, dass die Beklagtenseite - also auch die Versicherungsnehmer der Allianz - gegen jedes Urteil Rechtsmittel eingelegt hat, bis hin zur Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof. Sie sind mit allen Rechtsmitteln gescheitert.
Das Landgericht Kempten hat im Januar 2011 Daniel Bernert insgesamt knapp eine Million Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld zugesprochen. Zusätzlich sprach das Gericht noch einmal eine monatliche Rente von mehr als 3000 Euro zu.
Im Vergleich dazu ist die Summe des aktuellen Vergleichsvorschlags des Oberlandesgerichts München sehr gering: Familie Bernert würde nur 300.000 EUR erhalten, in denen sogar die Mehrbedarfsrente in kapitalisierter Form schon enthalten wäre. Mit diesem Betrag könnte die Familie nur einen kleinen Bruchteil von Daniels Bernerts Leben finanzieren.
- Teil 1: Stellungnahme der Allianz zum Panorama-Film "Die Nein-Sager"
- Teil 2: Wie sich der Sachverhalt aus Sicht der Panorama-Redaktion darstellt, lesen Sie hier.