Stand: 06.07.2018 12:58 Uhr

Zwölf Jahre Haft für Bottroper Krebsapotheker

Im Medizinskandal um massenhaft gepanschte Krebsmedikamente hat das Landgericht Essen den Apotheker Peter Stadtmann zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass in der Apotheke des 48-Jährigen aus Bottrop Infusionslösungen gestreckt, bei den Krankenkassen aber voll abgerechnet wurden. Vermutlich mehr als 4.000 Patienten sind dabei geschädigt worden. Gemeinsam mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv hatte Panorama bereits Mitte vergangenen Jahres über den Fall berichtet. Der Medikamentenskandal war von zwei Mitarbeitern des Apothekers aufgedeckt worden. In ausführlichen Interviews berichteten die beiden damals erstmals vor der Kamera, wie sie vorgegangen sind. Für ihre Enthüllungen wurden sie Ende 2017 mit dem Deutschen Whistleblower-Preis ausgezeichnet.

VIDEO: Unterdosierte Krebsmedikamente: Lebensgefahr (16 Min)

Lebenslanges Berufsverbot

Im Urteil ist von mehr als 14.000 Medikamenten die Rede, die in ihrer Qualität "nicht unerheblich" gemindert waren. Die Richter verhängten außerdem ein lebenslanges Berufsverbot. Der Angeklagte selbst hatte sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert, seine Verteidiger hatten einen Freispruch beantragt. Die Staatsanwaltschaft forderte ursprünglich dreizehneinhalb Jahre Haft wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und Betrugs. Sie war überzeugt, dass Peter Stadtmann jahrelang lebenswichtige Krebsmedikamente streckte, um seinen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren.

Da der Angeklagte bei der Herstellung von Krebsmedikamenten die volle Wirkstoffdosis abgerechnet, aber nur eine geringere Dosis verwendet habe, habe sich Stadtmann auf Kosten von Menschen bereichert, die um ihr Leben bangten, sagte Staatsanwalt Rudolf Jakubowski: "Und das zur Fortsetzung seines luxuriösen Lebensstils - zum Beispiel zum Bau einer Villa mit Wasserrutsche." Seine Verteidiger zweifelten die Indizienkette insgesamt an und verlangten einen Freispruch.

VIDEO: Der Krebsapotheker (30 Min)

Wieviele Patienten erhielten unterdosierte Medikamente?

Opfer und Hinterbliebene kritisierten, dass wichtige Fragen in dem Verfahren am Landgericht Essen offengeblieben seien. Vor allem konnte nicht geklärt werden, wie viele Patienten unterdosierte Medikamente bekamen. Anfänglich war die Staatsanwaltschaft von mehr als 1.000 betroffenen Patienten ausgegangen.

(dpa)

Weitere Informationen
Apotheke in Bottrop © Screenshot

Gepanschte Krebsmittel: NRW verschärft Kontrollen

In NRW werden Apotheken, die Krebsmittel herstellen, ab sofort verschärft kontrolliert. Auslöser hierfür ist die Berichterstattung über den Vorfall in Bottrop. mehr

Apotheker Peter S.

Unterdosierte Krebsmedikamente: Über 3.700 betroffen

Mehrere Tausend Patienten in sechs Bundesländern erhielten über den Apotheker Peter S. jahrelang teils wirkungslose Arzneien. Ein Großteil der Betroffenen ist darüber noch nicht informiert. mehr

Apotheke in Bottrop © Screenshot

Schockierende Infos für Krebspatienten im Ruhrpott

Bei 50 Krebsmedikamenten soll der Apotheker unterdosiert haben. Vor dem Panorama Beitrag war man in Bottrop davon ausgegangen, er habe "nur" bei fünf Medikamenten falsch dosiert. mehr

Apotheker Peter S.

Unterdosierte Krebsmedikamente: Lebensgefahr

Das Ausmaß vermutlich falscher Dosierung von Krebsmedikamenten in Bottrop ist erheblich größer als bisher bekannt. Mehrere tausend Patienten sollen von der Unterdosierung betroffen sein. mehr

Ein Euro für jeden Teilnehmer: Peter Stadtmann als Wohltäter in Bottrop © NDR

Der Krebsapotheker

Es ist einer der großen Medizinskandale. Ein unscheinbarer Apotheker soll Tausende Krebspatienten mit teils wirkungslosen Medikamenten versorgt haben. Wer ist dieser Mann? mehr

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.06.2017 | 23:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Krebs

Medikamente

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr