Umfrage: Versicherungen verschleppen Schadensregulierung
Knapp 85 Prozent der Rechtsanwälte sind der Meinung, dass Versicherungen die Schadensregulierung oftmals lange verzögern oder sogar vereiteln. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Anwaltvereins unter 1.889 Anwälten aus den Bereichen Versicherungs- und Verkehrsrecht.
Das Bundesjustizministerium untersucht derzeit, ob und in welchem Umfang Versicherungen die Regulierung von Schäden verzögern und ob Gesetzesänderungen notwendig sind. Im Bundesjustizministerium waren so viele Beschwerden von Versicherten eingegangen, dass das Ministerium den Fragen nachgehen wollte. Im Februar hatte das Ministerium – als Reaktion auch auf eine entsprechende Panorama-Berichterstattung - die Landesjustizverwaltungen und eine Reihe von Verbänden um Stellungnahme gebeten. Das Ministerium prüft diese Stellungnahmen zurzeit und will nach einer umfassenden Auswertung gegebnenfalls Gesetzesänderungen empfehlen.
Anwälte bemängeln zögerliche Regulierung
In der Stellungnahme des Anwaltvereins wird nun angeführt, dass insgesamt knapp 85 Prozent der Anwälte der Aussage zustimmten, dass die Schadensregulierung von Versicherern oftmals lange verzögert oder sogar vereitelt wurden. Auf die Frage, ob Versicherer ihre Position mit dem Ziel ausnutzen, Anspruchsteller in zermürbenden Rechtsstreitigkeiten zur Aufgabe des Anspruchs oder einen für den Anspruchsteller ungünstigen Vergleich zu bewegen, antworteten insgesamt knapp 82 Prozent mit "stimmt".
Der Anwaltverein wollte außerdem von seinen Mitgliedern wissen, ob das kritisierte Versicherungsverhalten der Versicherer in der letzten Zeit zugenommen habe. Der überwiegende Teil, nämlich knapp 80 Prozent, gab an, dass ein zögerliches Regulierungsverhalten in den letzten Jahren schlimmer geworden sei. Knapp neun Prozent sagten, das sei schon immer so. Lediglich knapp sechs Prozent bestritten ein verzögertes Regulierungsverhalten.
Ministerium lädt nach Berlin
Bereits vor einigen Wochen hatte das Ministerium erste Ergebnisse veröffentlicht. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte in seiner Stellungnahme an das Ministerium auf geringe Klage- und Beschwerdequoten sowie die positiven Ergebnisse von Kundenbefragungen verwiesen. Experten sagen allerdings, dass nur sehr wenige Versicherte nach einer Ablehnung vor Gericht ziehen, weil in solchen Fällen Kosten und Risiko vor Gericht hoch sind. Insofern seien die geringen Prozessquoten nicht überraschend. Entscheidend sei vielmehr, wie viele Leistungsfälle von den Versicherungen abgelehnt werden.
Dies wird nun indirekt durch die Umfrage des Anwaltverein bestätigt: Hier gaben knapp 72 Prozent der Anwälte an, dass Deckungsstreitigkeiten überwiegend außergerichtlich geklärt werden. In der Stellungnahme heißt es, dass Anwälte insbesondere ein "aggressives" Schadensmanagement beklagen, das dazu führe, dass Versicherungsnehmer und Geschädigte möglichst von Rechtsanwälten ferngehalten werden sollen, damit sie nicht in Kenntnis der ihnen zustehenden Ansprüche gesetzt werden.
Das Bundesjustizministerium hat am 3. September alle Beteiligten zu einer mündlichen Anhörung nach Berlin eingeladen.