Stand: 07.02.2017 17:46 Uhr

Stellungnahme: Donald Trump und US-Atombomben in Deutschland

Unser Beitrag zum Thema "US-Atombomben in Deutschland - Trumps unberechenbare Macht" hat vielfältige Reaktionen ausgelöst. Darüber freuen wir uns – vielen Dank! In unserem Film haben wir zum einen die deutsche beziehungsweise europäische Sicherheitsfrage unter einem US-Präsidenten Trump analysiert, zum anderen die aktuelle Debatte über den Umgang mit eben dieser Frage abgebildet. Wenn wir einen Anstoß geliefert haben, diese Debatte weiter zu führen, und sie sich nun weiterdreht - ist das nur positiv.

Wir haben keine These vertreten, keine Kausalkette aufgemacht, erst recht keine "Kriegshetze" betrieben, sondern nüchtern und ohne Wertung die beiden Problembereiche dargestellt, die Sicherheitsexperten derzeit diskutieren:

1. zunehmende Unsicherheit durch Trump als Befehlshaber der Atombomben auf deutschem Boden
2. fehlendes Ersatzkonzept für den Fall des (angedeuteten) Abzuges

Ohne Frage: "Nuklearwaffen" sind ein sensibles und hochemotionales Thema, über das man stundenlang streiten kann. Wir haben Verständnis, wenn uns Zuschauer schreiben, dass die Politik der Abschreckung brandgefährlich sei, äußerst menschenfeindlich und dazu auch noch dumm.

Doch die Debatte um nukleare Abschreckung ist nun einmal real: Wenn man sich mit der aktuellen politischen Situation befasst, dann ist die Abschreckungslogik dominierend. Mit dem Unterdrücken von sich aufdrängenden Fragen und Diskussionen erreicht man genau das Gegenteil: Die Entscheidung fällt ohne einen. Das finden wir bei Panorama undemokratisch und wollten daher Transparenz in dieser Debatte herstellen, bevor ein neues Sicherheitskonzept zur Entscheidung im Parlament liegt.

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Wir haben die "nukleare Abschreckung" nicht als alternativlos betrachtet; eine bestimmte Position ("Wir brauchen eine Atombombe!") haben wir gerade nicht vertreten. Auch Ulrich Kühn vom "Carnegie Endowment for International Peace" hat das in unserem Film nicht getan, auch wenn ihm dies von mancher Seite vorgeworfen wird. Sein Satz: "Die Idee einer deutschen oder europäischen Atombombe ist nicht komplett absurd", geht weiter, und zwar mit den entscheidenden Worten: "Sollte sich in den nächsten Jahren die Sicherheitslage in Deutschland und Europa deutlich weiter negativ verändern, (…), dann möchte ich nicht ausschließen, dass man auch in Deutschland damit anfängt darüber nachzudenken, wie man sich wirklich verteidigen muss gegenüber Russland."

Kühns Aussage also: Für den Fall, dass Russland weiterhin drohen und die USA sich zurückziehen sollten, schließt er nicht aus, dass die Rufe in Deutschland noch lauter werden.

Um diesen Zusammenhang und die entsprechende Befürchtungen zu verstehen, hat der Sicherheitsforscher auf die Ursachen geschaut – und die liegen sowohl in einer verfehlten NATO-Politik als auch im Vorgehen Russlands: Nukleare Drohungen gegen Dänemark oder Norwegen, Verletzungen des Luftraums der baltischen Staaten, Großmanöver mit simulierten Nuklearschlägen gegen NATO-Territorium. Vorschläge des Westens zur Rüstungskontrolle, Transparenz und Risikominimierung wurden von russischer Seite bisher nicht aufgegriffen.

Was den Bereich "Russland" angeht, unterstellen Kritiker immer wieder, Panorama sei einseitig anti-russisch. Offenbar kennen sie unsere Sendung nicht so gut:

 

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Sehr wohl haben wir also immer wieder die Strategie der NATO kritisiert. Das entbindet uns nicht von der Verantwortung, auch das russische Vorgehen einzuordnen. Und dass sich hier in den vergangenen Jahren eine Veränderung feststellen lässt, ist offenkundig (Ukraine-Krise, Krim-Annexion).

Drei weitere Aspekte tauchen in der Kritik am Beitrag auf:

1. "Ich fasse es nicht, wie Sie die Tatsachen verdrehen. Trump ist nicht unberechenbar, er weiß genau, was er tut. Und er tut, als erster Präsident der USA, mal das Richtige." Der einzige, der Trump in unserem Beitrag "unberechenbar" genannt hat, war er selbst ("unpredictable").
2. "Der Begriff 'obsolete' ist von Panorama falsch übersetzt worden." Wir haben den Begriff "obsolete" mit dem naheliegenden deutschen Begriff "obsolet" übersetzt. Wortklaubereien sind an dieser Stellung unserer Einschätzung nach nicht weiterführend. Fakt ist: Trump hat die NATO des Öfteren so bezeichnet und auch in diversen anderen Äußerungen Zweifel am Bündnis und am Sinn von multilateralen Verträgen gesät. Dass er einen "Atomwaffenabzug angekündigt" habe, haben wir im Übrigen nicht berichtet.
3. "Typisch für die übliche Propaganda, es kommen natürlich nur transatlantische Sicherheitsexperten zu Wort." Was sind "transatlantische Sicherheitsexperten"? Dass auch Experten eine Meinung haben, ist logisch, aber aus unserer Sicht gibt es nur Experten und Laien. Unsere Experten verdienen ihre Einstufung zu Recht.

Wer jeden Forscher, der für eine amerikanische Stiftung arbeitet, automatisch als "Transatlantiker" bezeichnet und damit als "Kriegstreiber" zu diskreditieren sucht, bedient lediglich Verschwörungstheorien. Als wir vor einiger Zeit den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, interviewten, wurde uns von anderer Seite übrigens vorgeworfen, dieser stehe auf Putins Gehaltsliste, weil er auch für russische Stiftungen tätig ist.

Auch jetzt zeugt der Vorwurf nicht gerade von Fachwissen. Die Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden etwa wurde 1910 gegründet, um den Weltfrieden zu bewahren. Sie ist seit mehr als einem Jahrhundert einer der wichtigsten Stützpfeiler internationaler Friedenspolitik und gehört heute zu den anerkanntesten parteiunabhängigen Denkfabriken, die sich mit internationaler Friedenspolitik befassen. Ulrich Kühn hat sich intensiv mit der Frage der nuklearen Abrüstung beschäftigt, unter anderem für die Heinrich-Böll-Stiftung.

Um es abschließend noch einmal zu betonen: Wir sind davon überzeugt, dass die von uns geführte Debatte wichtig ist und zur Transparenz beiträgt. Es ist wichtig, das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 02.02.2017 | 21:45 Uhr

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