Regierung kritisiert "Therapien" für Schwule
Im Mai hatte Panorama gezeigt, dass es in Deutschland Ärzte gibt, die Homosexualität für behandelbar halten und vermeintliche Therapien mit den Krankenkassen abrechnen wollen. Darauf wandten sich die Grünen mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung.
Bundesregierung sieht Ärztekammern in der Verantwortung
In der Antwort, die dem NDR exklusiv vorliegt, weist die Bundesregierung auf die Feststellung des Weltärztebundes hin, dass Homosexualität keine Erkrankung sei und deshalb keiner Behandlung bedürfe. Bei Angeboten von fragwürdigen "Therapien", die geeignet seien, Patienten zu schädigen, seien die Ärztekammern oder Approbationsbehörden gefordert, im Einzelfall berufsrechtliche Schritte einzuleiten.
Außerdem möchte die Regierung junge homosexuelle Menschen vor "unangemessenen und gegebenenfalls für sie schädlichen Therapie- und Beratungsangeboten" schützen und erklärt, sie setze dabei auf "frühzeitige sachgerechte Aufklärung und Information" - zum Beispiel mit Broschüren der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Grünen-Abgeordneter fordert Verbot von "Pseudotherapien"
Dem Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) geht das nicht weit genug. Er fordert ein Verbot von "Pseudotherapien bei Kindern und Jugendlichen". Der Kinder- und Jugendschutz gebiete dem Staat, Jugendliche gegen "Gefährdungen durch solche Scharlatane" zu schützen, so Beck.
Nötig sei ein entsprechendes Gesetz, da in religiös-fundamentalistischen Kreisen Druck auf Jugendliche gemacht werde, ihre Homosexualität zu unterdrücken und sich für solche "Therapieangebote" zu entscheiden, so Beck. "Offensichtlich funktionieren die arztrechtlichen Mechanismen bislang nicht."
Die Bundesregierung erklärt auf die Frage der Grünen nach einem Verbot, dass die Bewertung von Behandlungsverfahren und -methoden der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit beziehungsweise den medizinischen Fachgesellschaften überlassen bleiben muss.
Volker Beck wirft der Bundesregierung nun vor, bei sogenannten "Homoheilern" aus "parteitaktischer Rücksicht auf religiöse Fundamentalisten" wegzusehen. Außerdem fordert der Grünen-Abgeordnete, dass Mitglieder der Bundesregierung "Propagandisten der Homo-Heiler-Szene" nicht mehr unterstützen.
Kritik an Grußwort von Kanzlerin Merkel für evangelikalen Verband
Hintergrund dieser Forderung ist unter anderem ein Grußwort, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang 2013 den Gnadauer Gemeinschaftsverband - eine evangelikale Vereinigung innerhalb der evangelischen Landeskirchen - gewürdigt hat. Zum 125. Jubiläum hatte Merkel nach Angaben des Evangelischen Pressedienstes geschrieben, das Engagement des Verbandes stärke Zuversicht, Vertrauen und Hoffnung in der Gesellschaft.
Der Gnadauer Gemeinschaftsverband lehnt homosexuelle Partnerschaften ab und hält eine Veränderung der sexuellen Orientierung für möglich. In einer öffentlichen Erklärung der bibeltreuen Organisation heißt es, dass es Menschen gebe, die eine "Veränderung von praktizierter Homosexualität zur erfüllenden Heterosexualität" erlebt hätten. In dem Papier ruft der Verband Gläubige sogar dazu auf, mit "Betroffenen" zu sprechen und "liebevoll und klar für das gemeindliche Verständnis von Homosexualität und eine mögliche Veränderung" zu werben.
Zuvor hatten auch Abgeordnete der Linken im Bundestag Fragen zu den Panorama-Recherchen gestellt. Sie wollten unter anderem wissen, welche Handlungsmöglichkeiten die Bundesregierung sieht, auf die Approbationsbehörden und Ärztekammern einzuwirken, damit dort intensiver recherchiert werde. Die Bundesregierung erklärte, hier seien die Länder gefordert, denn bei ihnen läge die "Aufsicht über die Berufsausübung der Heilberufe".
Bundesärztekammer warnt vor negativen Folgen von Umpolungstherapien
Nach dem Panorama-Beitrag über Ärzte, die Homosexuelle umpolen wollen, hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, gegenüber dem NDR betont, dass Homosexualität keine Krankheit sei und es keine "Indikation für eine Behandlung" gäbe. Die Bundesärztekammer warnt vor gravierenden Folgen von Versuchen, die sexuelle Orientierung zu verändern. Sogenannte Konversionstherapien seien nicht nur unwirksam, sondern könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken, heißt es in einer öffentlichen Erklärung.