Die Schwulenheiler
Ich bin Journalist. Ich bin schwul. Und ich habe ein schlimmes Gerücht gehört: In Deutschland soll es Ärzte geben, die Menschen wie mich umpolen wollen. Von schwul zu hetero. Eine ärztliche Leistung, um mir die Homosexualität auszutreiben? Kaum denkbar.
Ich sitze in einer gewöhnlichen Hausarztpraxis in Dresden. Dieser Allgemeinmediziner will angeblich homosexuelle Menschen heilen, sie "umpolen". "Sie sind hier richtig. Ich bin davon überzeugt, dass Veränderung möglich ist", versichert er und rechnet mit mindestens einem Jahr Psychotherapie, um meine Homosexualität zu kurieren. Eine längere Recherche in strenggläubigen christlichen Kreisen hat mich zu dem Dresdner Arzt geführt. Er gilt in bibeltreuen Kreisen offenbar als Geheimtipp, dort bietet er "Männern in Krisen" seine Hilfe an.
Strenggläubige Christen halten Homosexualität für Sünde
Evangelikale Christen wie dieser Arzt halten Homosexualität für eine Sünde. "Schöpfungswidrig" nennt das ihr Dachverband, die Deutsche Evangelische Allianz (DEA). Der DEA stehen in Deutschland nach eigenen Angaben rund 1,3 Millionen evangelische Christen nahe. Sie verteilen sich etwa jeweils zur Hälfte auf Freikirchen und auf Gemeinden der Landeskirchen. Eine Minderheit also: Die evangelischen Landeskirchen haben insgesamt knapp 25 Millionen Mitglieder. Das Thema Homosexualität gilt aber auch innerhalb der evangelischen Landeskirchen als Konfliktstoff.
Therapieangebote, um heterosexuell zu werden
Ich spreche während der Recherche mit Menschen wie Mike, die erfolglos an Seminaren teilgenommen haben, um von ihrer Homosexualität wegzukommen. Vieles laufe im Verborgenen ab, sagen sie, solche Angebote würden oft unter der Hand empfohlen. Zahlen über Teilnehmer und Patienten, über Seminare und Therapien gibt es nicht.
In Dresden erklärt mir der Arzt, welche Ursachen für Homosexualität aus seiner Sicht infrage kommen. Häufig wertschätze der Vater seinen Sohn nicht genug. Oder die Mutter überbehüte den Sohn. Er erklärt mir, Homosexualität sei eine neurotische Fehlentwicklung. Wie kann ein approbierter Arzt, der an einer Universität studiert hat, derlei behaupten?
Ich bin schwul, solange ich denken kann. Ich habe es mir nicht ausgesucht, schwul zu sein - aber ich wollte auch nie anders sein. Was machen solche angeblichen Therapien mit Menschen, die unsicher sind, deren Umfeld sie vielleicht dazu überredet, einen "Arzt" aufzusuchen?
Umpolungsversuche mit möglichen gravierenden Folgen
Die Bundesärztekammer warnt vor den gravierenden Folgen solcher Umpolungsversuche. Im vergangenen Herbst hat sie nach der Generalversammlung des Weltärztebundes noch einmal in einer öffentlichen Erklärung klargestellt, dass Homosexualität keine Erkrankung ist. Sogenannte Konversionstherapien seien nicht nur unwirksam, sondern könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Auch die Oberärztin Lieselotte Mahler hat sich mit den möglichen Folgen solcher Veränderungsversuche beschäftigt: "Das Gefühl, in der Therapie versagt zu haben, kann zu tiefen Depressionen und Angststörungen bis hin zu Selbstmorden führen", sagt sie. Mahler ist Psychiaterin an der Berliner Charité und leitet bei der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie das Referat für sexuelle Orientierung.
- Teil 1: Strenggläubige Christen halten Homosexualität für Sünde
- Teil 2: Mediziner will Homosexuelle homöopathisch behandeln