Die Schwulenheiler
Mediziner will Homosexuelle homöopathisch behandeln
Umpolungstherapien können also nachweislich schwere Folgen haben. Konsens unter allen Medizinern? Offensichtlich nicht. Der katholische Arzt Gero Winkelmann beispielsweise hält die Warnung der Bundesärztekammer vor Veränderungsversuchen für eine "Katastrophe" und für "wissenschaftlich nicht ganz ausgegoren".
Ich treffe ihn auf einem Christlichen Gesundheitskongress in Bielefeld. Dort vertritt Winkelmann den Bund Katholischer Ärzte, eine kleine, strenggläubige Mediziner-Vereinigung. In einem Faltblatt behauptet der Bund Katholischer Ärzte, Homosexualität sei eine "psychische Störung". Gero Winkelmann glaubt außerdem, dass man Homosexuelle homöopathisch therapieren kann und schlägt eine Art Entgiftung vor. So soll der Körper von Krankheiten vorheriger Generationen wie Syphilis und Tuberkulose gereinigt werden. Solche "Erbkrankheiten" können seiner Ansicht nach der Grund für Homosexualität sein.
Ich hätte niemals gedacht, dass es im Jahr 2014 mitten in Deutschland tatsächlich Ärzte gibt, die Homosexuelle homöopathisch behandeln oder unter dem Deckmantel einer Psychotherapie umpolen wollen.
Hamburger Arzt als Gastredner bei einem Heilungsgottesdienst
Ich besuche den Heilungsgottesdienst einer Freikirche in Süddeutschland. Die Gemeinde gehört zur pfingstlich-charismatischen Bewegung. Ihre Anhänger glauben, dass der Heilige Geist ihnen bestimmte Gaben verleiht, zu denen das Heilen von Krankheiten gehört. Bei dem Gottesdienst tritt auch ein Hamburger Arzt als Redner auf. Er glaubt, dass selbst schwere Krankheiten wie Krebs durch Gott und Gebet heilbar sind.
Ob er meine Homosexualität für heilbar hält, frage ich. "Keine Frage! Logisch!", antwortet er. Aus einem kleinen Fläschchen reibt er mir Öl auf die Stirn und betet für mich. Ich solle ab jetzt alle zehn Minuten zu Gott beten. Wenn meine Homosexualität in einigen Tagen nicht verschwunden sei, solle ich in seine Hamburger Praxis kommen.
Dämonenaustreibung in einer Praxis
Wenig später habe ich dort einen Termin. Er wolle mir den "Geist der Homosexualität" austreiben, erklärt er. Dann legt er mir seine Hände auf Kopf und Brust und drückt mich auf dem Stuhl langsam nach hinten. Er reibt mir Öl auf die Stirn und betet. "Hast du das eben gemerkt? Dass da so eine Wolke rausgekommen ist?", fragt er. Ich habe nichts bemerkt, der Arzt schon: Mindestens ein Geist sei rausgegangen. Ich sitze im Sprechzimmer eines approbierten Arztes und erlebe eine Art Exorzismus.
Zahlen Versicherte für solch dubiose Behandlungen?
Das Gebet sei kostenlos, er bittet mich aber um eine Spende. Er fügt hinzu, einen kleinen Betrag werde er für die Behandlung über die Krankenkasse abrechnen. Beide Ärzte haben mir versichert, dass die Abrechnung mit den Kassen völlig problemlos sei. Der Dresdner Arzt erklärte mir ganz offen, dass er seinen Veränderungsversuch als "tiefenpsychologische Therapie" mit der Krankenkasse abrechne. Zahlen also alle Versicherten für solche dubiosen Umpolungen mit?
Ich hatte mich bei beiden Ärzten als privat versichert ausgegeben. Tatsächlich erhalte ich von beiden Ärzten Rechnungen, die für die Krankenkasse bestimmt sind. Der Dresdner Arzt verlangt für die erste Sitzung 92,50 Euro - für die Behandlung einer psychischen Störung. Und der Hamburger Arzt rechnet 40,22 Euro für die "Erörterung einer lebensverändernden Erkrankung" ab.
Kassen weichen bei der Frage aus
Ich frage mehrere große Krankenversicherungen, ob sie Fälle von Umpolungstherapien kennen. Von den Kassen heißt es, dass ihnen der Inhalt von Therapiegesprächen nicht bekannt sei. Ich möchte wissen, ob die Abrechnung solcher Veränderungsversuche denn grundsätzlich zulässig sei. Erstaunlicherweise weichen die Kassen aus: Techniker, AOK und Barmer verweisen auf die Therapiehoheit der Ärzte und auf komplexe Genehmigungsverfahren. Der Verband der Privaten Krankenversicherung schreibt, dies sei eine rechtliche Frage, die Entscheidung liege nicht beim Verband. Auf die Frage, ob das erlaubt sei, antwortet keine Versicherung ausdrücklich mit Nein.
Der Hamburger Arzt selbst hat ein Interview mit dem NDR aus Termingründen abgelehnt. Schriftliche Fragen lässt er unbeantwortet. Mit welchen Konsequenzen müssen Ärzte und Psychotherapeuten bei solchen Behandlungsmethoden rechnen? Die Bundesärztekammer schreibt, Homosexualität sei keine Krankheit und erfordere deshalb "keinerlei Heilung" - auch keine "homöopathische Behandlung". "Gebet und Dämonenaustreibung" seien zudem keine ärztlichen Behandlungsmethoden. Ob ein Verstoß gegen eine ärztliche Berufsordnung vorliege, könne nur in Kenntnis des konkreten Falls und nur von der entsprechenden Ärztekammer beantwortet werden.
- Teil 1: Strenggläubige Christen halten Homosexualität für Sünde
- Teil 2: Mediziner will Homosexuelle homöopathisch behandeln