#Bundeswehr/Bohnert: Stellungnahme der Redaktion
Die Panorama Redaktion nimmt zu den Vorwürfen gegen unsere Berichterstattung Stellung. Da sich die Kritikpunkte wiederholen, möchten wir hier auf die wichtigsten eingehen:
Zur Behauptung bzw. zum Vorwurf, wir hätten Oberstleutnant Bohnert nicht angefragt.
Dies trifft nicht zu. Wir hatten ihn am Anfang unserer Recherche im Februar zu Rechtsextremismus in der Bundeswehr und Sozialen Medien angefragt. Er teilte uns mit, dies sei nur über den Pressestab des Verteidigungsministeriums möglich. Wir haben ihn dann am Dienstag vor der Sendung, kurz vor dem Ende der Recherche, erneut angefragt, wie gewünscht über das Verteidigungsministerium, unter Aufführung der konkreten, inzwischen ihn selbst betreffenden, Rechercheergebnisse. Er hatte also Zeit, sich in welcher Form auch immer zu äußern. Doch wir haben von ihm keine Antworten erhalten. Er hat selbst in einem Interviewnach unserer Veröffentlichung gesagt, er sei bereits am Montag vor der Sendung von seinem Dienstherrn über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt worden.
Uns wird vorgeworfen, es gehe "nur" um ein paar Likes.
Diese Feststellung ist unzureichend. Denn es geht darum, dass über einen langen Zeitraum eine Bekanntschaft zwischen Oberstleutnant Bohnert und dem Anhänger der "Identitären" (Name bei Instagram: "incredible_bramborska") bestanden hat. Bohnert hat mehrmals, mindestens acht Mal seit 2017, Fotos bzw. Beiträge des "Identitären", auch sehr private, mit "Gefällt mir" kommentiert. Auch Beiträge, in denen "incredible_bramborska"eindeutig rechtsextreme Inhalte verbreitet hat, wie die Bewerbung von Büchern des rechtsextremen Verlages "Antaios". Unter einem dieser "Bücher-Beiträge" steht der Satz: "Es gibt Lektüren, die Impfungen gleichen" und außerdem gleich mehrere Hashtags, die für jeden leicht erkennbar eindeutig auf die "Identitäre Bewegung" verweisen.
Eines der Bücher, die mit "Gefällt mir" von Herrn Bohnert geliked wurden, zeigt eine "Antaios"-Ausgabe von Schriften Jean Raspails. Ein weiterer Beitrag - wie wir am Tag der Sendung in unserem Online-Artikel veröffentlicht haben - enthielt als Begleittext einen Hashtag zu einem Rapper, der rechte Verschwörungstheorien über die Corona-Pandemie verbreitet. Am Sendungstag bekamen wir zusätzliche Hinweise, die wir zunächst einer weiteren Überprüfung unterzogen und am 24.07. veröffentlicht haben. Dabei geht es um Vorträge und Auftritte von Oberstleutnant Bohnert vor der völkischen Burschenschaft "Cimbria München" und dem rechten Think-Tank "Studienzentrum Weikersheim".
Das Ministerium behauptet, Oberstleutnant Bohnert sei kein "Leiter Social Media", sondern lediglich ein Referent im Verteidigungsministerium.
Aus Sicht der Redaktion handelt es sich hierbei um Augenwischerei. Oberstleutnant Marcel Bohnert ist bis zuletzt öffentlich als "Head of/Leiter Social Media" aufgetreten (etwa in seinem LinkedIn-Profil und in einem Deutschlandfunk-Interview) und wurde so zitiert. In der erwähnten Email an Panorama im Februar 2020 nennt Oberstleutnant Marcel Bohnert sich "Leiter Social Media", und zwar in der Signatur seines offiziellen Bundeswehr-Dienstaccounts. Bekanntlich hat das Verteidigungsministerium seiner Darstellung in dieser Funktion nie öffentlich widersprochen oder sie korrigiert.
Uns wird vorgeworfen, wir hätten eine Existenz zerstört bzw. "Rufmord" begangen.
Oberstleutnant Marcel Bohnert ist ein hochrangiger Offizier im Generalstabsdienst, der zuständig ist für Social-Media-Aktivitäten in der Bundeswehr. Er soll Nachwuchs für die Truppe gewinnen und ist damit ein Multiplikator, der eine Vorbildfunktion für junge Soldaten einnimmt. Herr Bohnert hat darüber hinaus die "Social Media Guidelines" der Bundeswehr mitentworfen, in denen Soldaten ermahnt werden, sie sollten Vorbild für andere sein. Darin wird explizit auch für die Wirkung von "Likes" sensibilisiert. Es ist also auszuschließen, dass Oberstleutnant Marcel Bohnert nicht genau weiß, was "liken" bedeutet: nämlich die öffentliche Bekundung von Sympathie für einen Post.
In diesem Zusammenhang ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Social Media Verantwortlicher nicht prüft, wann und wo er ein "Gefällt mir" daruntersetzt. Dazu kommt auch, dass ein medienerfahrener Offizier wie er hätte wissen müssen, vor welchem Publikum er seine Vorträge hält. Der Hintergrund der Burschenschaft "Cimbria" etwa wäre für ihn leicht zu überprüfen gewesen. Die Bundeswehr hat nicht nur sofort ein dienstrechtliches Verfahren eingeleitet, sondern ihn – offenbar aufgrund erster eigener Erkenntnisse - vorläufig von seinen Aufgaben entbunden.
Wiederholt wird nahegelegt, die Autorinnen (wie Caroline Walter) seien "linksradikal oder linksextrem".
Dies ist nicht nur falsch, hier fehlt auch jeder Beleg. Wenn man jemandem auf Twitter folgt, ist das eben kein Like, sondern eine Art Abonnement. Es kann durchaus zur Informationsgewinnung dienen, gerade bei Journalisten. Die Journalisten bei Panorama informieren sich auf diesem Wege in allen politischen Bereichen, natürlich auch Linksaußen.
Um bei dem Beispiel von Caroline Walter zu bleiben: Weder hat sie "Gefällt mir" unter Werbung für Extremisten gesetzt noch hat sie persönliche Kontakte zu Radikalen. Oberstleutnant Marcel Bohnert hat in seinem Fall beides dagegen schon öffentlich eingeräumt. Caroline Walter wurde nie zu diesem Vorwurf von denjenigen Journalisten angefragt, die diese Behauptung am lautesten aufgestellt haben.
Es wird nahegelegt, Panorama und Anja Reschke hätten sich für eine Aktion Bohnerts bei der Messe "re:publica" rächen wollen, um als Partner der Messe, bei der Anja Reschke aufgetreten sei, dieser beizuspringen.
Hierzu ist festzustellen: Anja Reschke war nicht bei dieser Messe, damit ist auch der Rest der Verschwörungstheorie purer Unsinn.
Zur Kritik an der Expertin Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und eine anerkannte Expertin, die regelmäßig auch von anderen Medien interviewt wird, beispielsweise vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dem Deutschlandfunk oder der Schweizer Zeitung "Tages-Anzeiger".
Frau Strobl verfolgt die Entwicklung des Rechtsextremismus in Europa schon seit einigen Jahren und ist Mitautorin eines Handbuchs über die "Identitäre Bewegung". Außerdem ist sie Expertin für Sprach- und Strategiemuster in den Neuen Medien. Natascha Strobl wurde von Panorama früh angefragt, um ihre Bewertung der Beleglage (und zwar mehr als nur zwei, drei Likes) einzuholen. Eine frühe Klärung der Einschätzung von Experten ist mitten in der Recherche unerlässlich, um zu überprüfen, ob ein berichtenswerter Sachverhalt besteht. Sie hatte keinerlei Einfluss auf Beitragsgestaltung oder Inhalt noch hat sie Herrn Bohnert als Rechtsextremisten bezeichnet oder seine Entlassung gefordert.
Ihr wird u.a. vorgehalten, sie sei bei der "Antifa Kiel" aufgetreten. Das ist falsch, dort ist sie nicht aufgetreten. Ebenso wie sie auch nicht, wie oft behauptet, im Panorama-Film, sondern im Online-Text auftauchte. Solche Fehler, wie sie beispielsweise in der "Welt" veröffentlicht wurden, resultieren wohl auch aus dem Missachten jeglicher journalistischer Standards wie beispielsweise die Anfrage der Gegenseite. Panorama wurde von dem fraglichen Autor zu keinem dieser Vorwürfe angefragt.
*aktualisiert und ergänzt am 6.8.2020