Stand: 09.04.2019 15:52 Uhr

Bundesregierung: Geraubtes Gemälde soll zurück nach Italien

von Robert Bongen & Christian Salewski
Eike Schmidt
Der deutsche Direktor der Uffizien, Eike Schmidt, fordert die Rückgabe des Gemäldes.

Die Bundesregierung will Italien dabei unterstützen, das berühmte Gemälde "Vaso di Fiori" (Blumenvase) des niederländischen Malers Jan van Huysum zurückzuholen. Dies bestätigt sie in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio De Masi (Linke), die Panorama und ZEIT ONLINE exklusiv vorliegt. Das Gemälde war 1944 unter deutscher Besatzung aus der Sammlung der Uffizien in Florenz entwendet worden und befindet sich heute offenbar bei den Erben eines in Italien eingesetzten Wehrmachtssoldaten.

Für die Rückholung steht das Auswärtige Amt in Kontakt mit der italienischen Regierung, außerdem führt es Gespräche mit den Uffizien und den deutschen Privatbesitzern. Ihr Verwandter, ein Wehrmachtssoldat, soll das Gemälde nach Deutschland gebracht haben. Die Bundesregierung schließt die Zahlung einer Entschädigung für die Erben ebenso aus wie die Einsetzung einer neuen Schiedskommission. Außerdem bestätigt sie, dass italienische Behörden in dem Fall ermitteln und um Rechtshilfe ersucht haben. Zum Stand des juristischen Verfahrens macht sie keine Angaben, "um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden".

Direktor der Uffizien Florenz forderte Rückgabe

Der Fall hatte Anfang des Jahres Wellen geschlagen, weil Uffizien-Direktor Eike Schmidt eine Schwarzweiß-Kopie des Gemäldes im Palazzo Pitti in Florenz aufgehängt und dabei öffentlichkeitswirksam die Rückgabe des im Zweiten Weltkrieg gestohlenen Gemäldes gefordert hatte. 1944 habe die Wehrmacht auf dem Rückzug vor den anrückenden Alliierten hunderte von Gemälden aus dem Depot der Florentiner Museen nach Südtirol verbracht und dort zurückgelassen, berichtet Schmidt. Wie der Wehrmachtssoldat dann an das heute auf mehrere Millionen Euro geschätzte Gemälde kam, ist bislang nicht abschließend geklärt.

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Die Bundesregierung schreibt nun in ihrer Antwort, dass sie davon ausgehe, dass das Gemälde nicht "als NS-verfolgungsbedingt entzogen" anzusehen ist, sondern schlicht als "entwendet": "Demnach wäre der Wehrmachtssoldat nicht Eigentümer geworden und hätte demnach auch kein Eigentum an dem Gemälde vererben können."

Raubkunst aus der NS-Zeit kein einfacher Diebstahl

Der Spitzenkandidat der Linken in Hamburg, Fabio De Masi, spricht auf einer Bühne in der Hansestadt. © dpa-Bildfunk Foto: Daniel Reinhardt
Fabio De Masi, Abgeordneter der Linken, hält es für "skandalös und nicht konsequent" Raubkunst als einfachen Diebstahl zu sehen.

Der Linken-Abgeordnete De Masi hat eine geteilte Meinung zu dieser Antwort: "Es ist gut, dass die Bundesregierung eine Rückgabe des Gemäldes unterstützt. Aber sie macht aus dem Kunstraub eines Wehrmachtssoldaten eine private Angelegenheit. Das ist skandalös und nicht konsequent. Denn wenn Raubkunst aus der NS-Zeit einfacher Diebstahl ist, hat die Bundesregierung damit nichts zu tun. Das untergräbt die Durchsetzbarkeit bei Restitutionsansprüchen." De Masi appelliert an die heutigen Besitzer, das Gemälde freiwillig auszuhändigen. "Lösegeld von der italienischen Regierung oder gar den Steuerzahlern in Deutschland zu verlangen, ist unanständig. ‚Vaso di Fiori‘ gehört in die Uffizien."

Der Anwalt der heutigen Besitzer, der Kunstrechtsexperte Nicolai B. Kemle, sagte auf Panorama-Anfrage: "Wir gehen ebenfalls davon aus, dass das Bild keine NS-Raubkunst darstellt." Man vermute aber vielmehr, dass der Wehrmachtssoldat "das Bild auf einem Markt erworben hat, um seiner ausgebombten Frau etwas Schönes zu schicken". Die Erben und heutigen Besitzer, die nach Medienberichten in der Vergangenheit bis zu zwei Millionen Euro für eine Rückgabe des Gemäldes gefordert hatten, seien inzwischen zu einer gemeinsamen Ermittlung der Provenienz oder zum Einschalten einer Schiedskommission bereit.

Uffizien-Direktor Eike Schmidt zeigte sich erfreut darüber, dass die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Rückführung des Gemäldes von Jan van Huysum an seinen angestammten Platz in den Uffizien unterstützt. "Die Tatsache, dass ein deutscher Soldat das Bild offenbar gestohlen hat, ändert nichts daran, dass das Kunstwerk den Uffizien damals bereits vorher von der NS-Besatzungsmacht geraubt worden war. Daher richtet sich unser Appell, das Bild nach 75 Jahren endlich zurückzugeben und der Allgemeinheit wieder zugänglich zu machen, sowohl an die Bundesrepublik Deutschland als auch an den privaten Besitzer des Diebesguts in Deutschland."

Moralisch anrüchig

Dass es sich um keinen Fall von NS-Raubkunst handelt, sondern um einen schlichten Diebstahl in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, das macht den Fall für die Düsseldorfer Rechtswissenschaftlerin Prof. Sophie Schönberger besonders problematisch: "Deutschland haftet nicht für einen Diebstahl, den ein Wehrmachtssoldat in der Zeit der deutschen Besetzung in Italien begangen hat. Alle Herausgabeansprüche des ursprünglichen Eigentümers gegen die heutigen Besitzer aufgrund dieses Diebstahls sind inzwischen verjährt. Dennoch bleibt die Position der aktuellen Besitzer des Gemäldes moralisch anrüchig, da offensichtlich ist, wer der eigentlich Berechtigte an der 'Blumenvase' ist."

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 31.10.2013 | 21:45 Uhr

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