Stand: 15.02.2017 17:20 Uhr

Atommüll-Standortsuche: Die Entscheidung für Gorleben

von Matthias Stelte

Im Februar 1977, verkündete der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht eine weitreichende Entscheidung: Er legte Gorleben als Standort für ein atomares Endlager in Deutschland fest. Das kleine Dorf am Ostrand Niedersachsens sollte das atomare Entsorgungszentrum der Bundesrepublik werden.

Baustopp am Atomkraft Brokdorf

Die Politik stand 1977 unter Druck: Das Verwaltungsgericht Schleswig hatte einen Baustopp an der Baustelle des Atomkraftwerks Brokdorf verhängt. Ohne die gesicherte Entsorgung des atomaren Abfalls dürfen keine weiteren Atomkraftwerke gebaut werden, urteilen die Richter. Während die Bundespolitiker auf eine schnelle Lösung drängten, wollte Albrecht erst alle Standorte in Ruhe prüfen. Vor 1980 werde die Entscheidung nicht fallen, verkündete er Mitte Februar. "Die Frage der Fristen ist zweitrangig", so Albrecht damals. Es sei zudem nicht zu verstehen, dass die Bundesregierung erst jetzt mit dem Problem der Endlagerung komme.

Doch nur wenige Tage später verkündete er die Entscheidung für den Standort Gorleben. Damit, so hoffte die Politik, sei das Thema der atomaren Endlagerung erledigt.

VIDEO: Die Standortentscheidung Gorleben (9 Min)

Aber es kam anders. Es regte sich Widerstand gegen die Entscheidung. 1980 besetzten Atomkraftgegner die geplante Tiefbohrstelle 1004 und errichteten ein Hüttendorf, das als "Republik Freies Wendland" in die Geschichte einging. Vier Wochen nach der Besetzung wurde das Dorf geräumt.

Castortransporte rollen ins Zwischenlager

1995 wurde das oberirdische Zwischenlager in Betrieb genommen. In den Jahren 1995 bis 2011 kam es insgesamt zu 13 Castortransporten, die teilweise unter massiven Protesten und Polizeieinsätzen erfolgten. Die andauernden Proteste und die wachsenden Zweifel an der Eignung des Standorts Gorleben sorgten dafür, dass Gorleben als Standort vorerst aufgegeben wurde und die Suche nach einem Endlagerstandort erneut begann. Dazu wurde vom Bundestag die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe eingesetzt, die im Juli 2016 ihren Abschlussbericht vorstellte.

Erst kurz vor dem Jahreswechsel 2016 wurde der Weg freigemacht für die erneute Suche nach einem Endlager. Der Bundesrat verabschiedete das "Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung", das die offene Suche nach einem Endlager in Deutschland ermöglicht. Auch Gorleben ist nach wie vor eine der Standortoptionen. Mit anderen Worten: Wir stehen heute wieder da, wo wir vor über 40 Jahren waren - auf der Suche nach einem atomaren Endlager.

Atomkraft ist ein Dauerthema bei Panorama

Die Debatten und Auseinandersetzungen um die Atomkraft sind seit Jahrzehnten ein Dauerthema bei Panorama. So berichtete Panorama auch vor 40 Jahren ausführlich über die Entscheidung für den Standort Gorleben. In vielen Beiträgen berichtete Panorama über die politische Diskussion, über die Proteste der Bevölkerung vor allem im Wendland und über die kostspieligen Castortransporte, die in das Zwischenlager Gorleben erfolgten.

Panorama wird sich auch weiterhin in die Diskussion einmischen und über das Thema berichten.

Aus dem Archiv
Atommüll-Behälter stehen im Zwischenlager Gorleben © dpa Foto: Kay Nietfeld

Atomenergie: die Lüge vom sicheren Endlager

Wahlkampf in Deutschland. Nach kuscheligen Koalitionszeiten sind den Politikern von CDU und SPD scheinbar die kontroversen Themen ausgegangen. Was bleibt ist der Streit um die Atomenergie. mehr

Bergarbeiter untersuchen einen Riss im Salzstock Gorleben. © dpa Bildfunk Foto: Sören Stache

Endlager: Atom-Multis verdienen am eigenen Müll

Trotz jahrzehntelanger Proteste und andauernder Diskussionen wird Gorleben als einziger Endlagerstandort für hochradioaktiven Müll weiter erkundet. Das freut die Atomwirtschaft. mehr

Jürgen Trittin (Grüne) © dpa - Fotoreport Foto: Sven Simon

Aufstand bei den Grünen - Blockadeverbot bei Castortransporten

Mit einem Parteiratsbeschluss wollen die Regierungsgrünen ihren Mitgliedern Sitzblockaden von Atomtransporten verbieten: "Behinderungen sind nicht mit dem Atomkonsens vereinbar". Aber im Wendland regt sich Widerstand gegen den Beschluss. mehr

Demonstration gegen das geplante Atomkraftwerk in Brokdorf 1981 © picture-alliance/ dpa Foto: Martin Athenstädt
22 Min

AKW Brokdorf: Die Demonstranten und die Polizei

Demonstrationen gegen das AKW Brokdorf: Panorama zeigt 1981 die Seite der Demonstranten und die Seite der Polizei. 22 Min

Ein Plakat mit der Aufschrift Gorleben
8 Min

Aufruhr im Wendland - Die Schlacht um den Castor

Zugreise zu Ende: Kaum ein Transport wurde mit so viel Aufmerksamkeit und Krawall bedacht wie die Castor-Reise ins Wendland. 8 Min

.
9 Min

Kernkraft: Die Lüge vom sicheren Endlager

Kritischer Bericht aus 2009 über atomare Endlager und die politische Tradition der CDU in der Haltung zur Kernkraft. 9 Min

Polizisten © Screenshot
43 Min

Panorama vom 17. Juni 1986

Brokdorf, Demonstranten und Polizei; Aufbauhelfer in Nicaragua; Neue Heimat; Handel mit Tiefkühlembryonen; 43 Min

Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) bei einer Pressekonferenz am 22. Februar 1977 in Hannover. © picture-alliance / dpa Foto: Wolfgang Weihs
1 Min

Vor 40 Jahren: Die Entscheidung für Gorleben

Im Februar 1977 verkündete Ministerpräsident Ernst Albrecht die Entscheidung, in Gorleben ein atomares Endlager zu bauen. Heute ist die Diskussion wieder da, wo sie einmal war. 1 Min

Weihnachtsbaum und Stacheldraht © Screenshot
2 Min

Panorama vom 13. Dezember 1976

Brokdorf - Impressionen: Weihnachtsbaum und Stacheldraht; 2 Min

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 14.02.1977 | 21:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gorleben

Die 60er-Jahre

Atomkraft

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?