Stand: 02.03.2017 06:00 Uhr

Armutsbericht: Unterschiede bei Lebenserwartung nehmen zu

Die Unterschiede in der Lebenserwartung von armen und wohlhabenden Menschen in Deutschland vergrößern sich weiter. Dies ist eine der Feststellungen des jährlichen Armutsberichtes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und anderer Sozialverbände, der am Donnerstag, 2. März, in Berlin vorgestellt wird.

Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander

Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
Lebenserwartung steige für wohlhabende Menschen in jedem Jahr stärker als für ärmere Menschen, so Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Prof. Rolf Rosenbrock, erklärt im NDR-Politikmagazin "Panorama" im Ersten: "Die Lebenserwartung steigt für die wohlhabenden Menschen in jedem Jahr stärker als für die ärmeren Menschen, und deshalb vergrößert sich der Abstand. Die Schere geht weiter auseinander." Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) sterben Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer. Bei Frauen beträgt die Differenz ca. acht Jahre. Der Untersuchung zufolge haben arme Männer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 70,1 Jahren, wohlhabende Männer von 80,9 Jahren. Bei Frauen liegen die Zahlen bei 76,9 Jahren bzw. 85,3 Jahren. Als Gründe für die immensen Unterschiede nannte Rosenbrock ein riskanteres Gesundheitsverhalten in Bezug auf Ernährung, Bewegung, Rauchen und Alkohol. Dies erkläre jedoch nur die Hälfte des Unterschieds. Prof. Rosenbrock: "Die Menschen sterben auch früher, weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt."

Umverteilung von unten nach oben

Die Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden fallen gerade in Bezug auf schwerwiegende chronische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus oder chronisch-obstruktive Lungenerkrankung deutlich aus. "Wir können davon ausgehen, dass das Risiko, an diesen Erkrankungen zu erkranken, zwei bis drei Mal höher ist bei Personen, die von Armut betroffen sind", so Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch-Institut.

Weitere Informationen
Diagramm: Lebenserwartung bei Wohlhabenden deutlich höher.

Lebenserwartung: Wer wenig hat, ist früher tot

Laut einer Studie sterben Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, rund zehn Jahre früher als wohlhabende Männer. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. mehr

Im Bereich der gesetzlichen Rente führe dies de facto zu einer Umverteilung von unten nach oben, so Rosenbrock: "Die armen Menschen, die ihr Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben und dann im Durchschnitt vielleicht noch vier, fünf Jahre die Rente genießen können, finanzieren im Grunde genommen die Rente der wohlhabenderen, länger lebenden mit. Und das ist, wenn man genau hinguckt, natürlich ein sozialpolitischer Skandal erster Güte."

Die Auswirkungen von Armut auf Gesundheit und Lebenserwartung sind zum ersten Mal Thema im sogenannten "Armutsbericht" des Paritätischen Gesamtverbandes. Die Studie des RKI basiert auf der Gesundheitsberichterstattung des Bundes sowie laufenden Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Weitere Informationen
Zwangsarbeiter in einer Munitionsfabrik. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Zwangsarbeiter - Der Tod kommt vor dem Scheck

56 Jahre Warten - auf eine kleine Entschädigung. So lange mußten sich ehemalige NS-Zwangsarbeiter gedulden, bis die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft bereit waren, Geld zu zahlen. Aber noch ist nichts überwiesen worden. mehr

Leere Taschen

Reiche Alte gegen arme Junge - Der Krieg der Generationen

Seit gestern neue Runde im ritualisierten Rentenringkampf. Regierung und Opposition versuchen mal wieder, eine gemeinsame Rentenreform zu Stande zu bringen. Höchste Zeit, denn unser Rentensystem ist aus den Fugen geraten, wird unbezahlbar und immer ungerechter. Beide Seiten sind sich in Details noch längst nicht einig, aber sie beteuern gebetsmühlenhaft, unseren Senioren dürfe nicht zu viel abverlangt werden. Da tapert eben noch immer das alte arme Mütterlein durch die Politkulisse, mitleiderregend und hilfsbedürftig. Und weil unsere Gesellschaft langsam vergreist, stellen immer mehr Alte ein immer größeres Wählerpotential. Auf das müssen unsere Politiker Rücksicht nehmen. Wer aber schützt die Jungen, für die immer weniger bleibt? mehr

Eine alte Frau sitzt auf einer Parkbank. © picture-alliance/ ZB / neu lizensiert von Bildredaktion am 29.01.2024 Foto: Arno Burgi

Keine Rente mit 67: Schuften bis zum Umfallen

Altersarmut wird in Deutschland zunehmend ein Problem, das weite Teile der Beschäftigten betrifft: Die Rente reicht zum Leben im Ruhestand oft nicht mehr aus. mehr

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 02.02.2017 | 21:45 Uhr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr