Stand: 02.03.2017 06:00 Uhr

Lebenserwartung: Wer wenig hat, ist früher tot

von Ben Bolz & Tina Soliman

Rainer H. ist 59 Jahre alt. Er ist zur See gefahren, war lange Zeit Möbelpacker in Hamburg. Doch seit ein paar Jahren spielt sein Körper nicht mehr mit. "Die Knochen sind kaputt. Rücken kaputt, Knie kaputt, alles gelitten. Zu früh angefangen mit dem schweren Schleppen." Vor vier Jahren ging Rainer H. notgedrungen in den Vorruhestand - Erwerbsminderungsrente: 650 Euro und 180 Euro vom Amt. Was ihm bleibt, ist wenig Geld und viel Zeit. Das Leben ohne Arbeit nagt an ihm. Zumal er nach zahlreichen Rücken-Operationen nur mit schweren Schmerzmitteln leben kann.

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Wohlhabende Männer leben deutlich länger

Rainer H. schätzt seine Lebenserwartung auf 70 Jahre. Ganz so falsch könnte er damit nicht liegen, denn laut einer Studie des Robert Koch Instituts (RKI) sterben Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer. Bei Frauen beträgt die Differenz circa acht Jahre. Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und anderer Sozialverbände widmet dem Thema in diesem Jahr erstmals ein Kapitel.

Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
"Im Grunde genommen finanzieren die Armen die Rente der Wohlhabenderen", so Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Der Untersuchung zufolge haben arme Männer eine Lebenserwartung von 70,1 Jahren, wohlhabende Männer von 80,9 Jahren. Bei Frauen liegen die Zahlen bei 76,9 Jahren und 85,3 Jahren. Und die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander, so der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Prof. Rolf Rosenbrock, gegenüber Panorama: "Die Lebenserwartung steigt für die wohlhabenden Menschen in jedem Jahr stärker als für die ärmeren Menschen und deshalb vergrößert sich der Abstand."

 

Arme häufiger von chronischen Erkrankungen betroffen

Doch warum ist das so? Als Gründe für die immensen Unterschiede nannte Rosenbrock gegenüber Panorama ein riskanteres Gesundheitsverhalten in Bezug auf Ernährung, Bewegung, Rauchen und Alkohol. Dies erkläre jedoch nur die Hälfte des Unterschieds. "Die Menschen sterben auch früher, weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt."

Dr. Thomas Lampert
Arme seien häufiger von chronischen Erkrankungen betroffen, so Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch Institut.

Die Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden fallen gerade in Bezug auf schwerwiegende chronische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus oder chronisch-obstruktive Lungenerkrankung deutlich aus. "Wir können davon ausgehen, dass das Risiko an diesen Erkrankungen zu erkranken zwei bis drei Mal höher ist bei Personen, die von Armut betroffen sind", so Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch Institut.

 

Rente: Umverteilung von unten nach oben

Interessant ist diese Entwicklung übrigens auch für die gesetzliche Rentenversicherung. Hier führt dies de facto zu einer Umverteilung von unten nach oben, so Prof. Rosenbrock: "Die armen Menschen, die ihr Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben und dann im Durchschnitt vielleicht noch vier oder fünf Jahre die Rente genießen können, finanzieren im Grunde genommen die Rente der Wohlhabenderen, länger Lebenden mit. Und das ist, wenn man genau hinguckt, natürlich ein sozialpolitischer Skandal erster Güte."

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Der Panorama-Beitrag vom 2. März 2017 als PDF-Dokument zum Download. Download (95 KB)

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Das Erste | Panorama | 02.03.2017 | 21:45 Uhr

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