Stand: 28.06.2011 14:22 Uhr

Im Dienst der "Volksgemeinschaft"

Bei seinem Besuch im Hamburger Funkhaus verlangte Joseph Goebbels als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda von den Mitarbeitern, sich den nationalen Zielen der neuen Regierung vorbehaltlos anzuschließen. Vor allem auf der Führungsebene fand ein Personalwechsel statt. Kurt Stapelfeldt und Hans Bodenstedt, die beiden führenden Vertreter der Norag, wurden im März beziehungsweise Ende Juni 1933 entlassen.

Politische Kontrolle durch "Gaufunkwarte"

Gustav Grupe, Intendant Reichssender Hamburg, um 1933 © NDR
Gustav Grupe übernahm 1934 die Intendanz beim Reichssender Hamburg.

Bereits seit April 1933 arbeitete Gustav Grupe als kaufmännischer Leiter beim Sender, seit September 1933 amtierte er als kommissarischer Intendant und seit April 1934 als Intendant. Er war seit 1929 NSDAP-Mitglied, verfügte jedoch als ehemaliger Bankangestellter und Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft über Verwaltungserfahrung und zeigte sich an der Qualität des Programms interessiert. Ihm zur Seite gab es verschiedene Ämter, die der politischen Kontrolle dienen sollten, darunter das des Leiters der Abteilung "Sendung". Dieses politische Amt wurde mehrfach mit so genannten "Gaufunkwarten" besetzt.

"...der Hansadeutsche, der Niedersachse, überhaupt der Niederdeutsche"

Trotz der politischen Zentralisierung blieb den regionalen Sendern eine gewisse Eigenständigkeit, was die Programmangebote betraf. Der Hamburger Sender stellte sich propagandistisch in die Tradition der Volkstumsbewegung, die von der Norag entscheidend gefördert worden war. Das moderne Rundfunkgebäude wurde vorgestellt und mit den Aufgaben einer besonderen "Landschaftsarbeit" verbunden. Man bezog sich auf das Niederdeutsche, auf eine Sprachform und eine bestimmte Kulturtradition.

Im zeitgenössischen Sprachgebrauch hieß es: "Der Nordfunk gestaltet ein Programm für Menschen, deren Natur zwischen Berg und Meer liegt (…). Der Mensch dieses Gebietes ist der Hansadeutsche, der Niedersachse, überhaupt der Niederdeutsche (…). Alles, was diese Menschen tun, wird zur Dichtung: Der Kampf um die Scholle, der Drang zur See, das verbissene Ringen um Weib, Forschung und Handel. Zeit ihres Lebens liegen sie im Widerstreit mit ihrer Natur; ihr sachliches Denken, ihr weiter Blick aber treibt sie zur Tat."

Doch was in der Weimarer Republik auf der Basis der Volkskunde wissenschaftlich gestützt war, was der Bildungsarbeit diente und um regionale Besonderheiten bemüht war, wurde jetzt mit rassischen Gesichtspunkten vermengt. Statt Differenzierungen erfolgte eine Nivellierung, die regionalen Programmangebote wurden zunehmend trivialisiert und arbeiteten mit stereotypen Versatzstücken.

Der "Volksgemeinschaft" dienen

Ein altes Radio © picture-alliance/KPA/Wolfram Weber Foto: Wolfram Weber
AUDIO: "Der Rundfunk dient der Volksgemeinschaft" (26 Min)

Dem gegenüber standen Sendungen, die nationale Ziele propagierten und dem Aufbau der "Volksgemeinschaft" dienen sollten. Gleich 1933 waren explizite Bekenntnisse zum neuen Staat im Programm zu vernehmen, etwa mit "Das Hakenkreuz. Eine deutsche Passion".

Später entstanden literarische Reihen, die historische Ereignisse aufgriffen. So widmeten sich die "Wendepunkte des deutschen Schicksals" "bedeutenden Schlachten" der deutschen Geschichte, und in den "Schicksalsstunden der deutschen Geschichte" wurden Porträts berühmter deutscher Persönlichkeiten gezeichnet. Auf einem der besonders beworbenen Programmplätze, der reichsweit ausgestrahlten "Stunde der Nation", engagierte sich der Hamburger Sender stark. Er instrumentalisierte die Volks- und Heimatkultur für nationale Propaganda, etwa wenn er "Schleswig-Holstein meerumschlungen", "Mecklenburg - eine deutsche Landschaft" und "Bilder von der Wasserkante" vorstellte.

Die Kriegsjahre

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 veränderten sich Organisation und Funktion des Rundfunks in Deutschland noch einmal grundlegend. Der Rundfunk wurde für Kriegs- und Propagandazwecke benutzt, so genannte "Feindsender" zu hören wurde unter Strafe gestellt. Am 9. Juni 1940 startete das Einheitsprogramm des "Großdeutschen Rundfunks", die Sender übernahmen die zentral erstellten Programmangebote mit Musik, Frontberichten und Wehrmachtswunschkonzerten. Die etwa 40 verbliebenen Mitarbeiter in der Rothenbaumchaussee waren für die Sendeabwicklung zuständig und verantworteten einen immer geringer werdenden Programmanteil des Reichssenders Hamburg.

Der letzte Spuk

Hamburgs NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann bei einer Rede © dpa/ Picture-Alliance
AUDIO: Gauleiter Karl Kaufmann (4 Min)

In den letzten Kriegstagen schalteten sich nacheinander alle Sender des "Großdeutschen Rundfunks" ab. Am 3. Mai 1945 meldete sich Hamburgs Reichsstatthalter Karl Kaufmann zum letzten Mal und unterrichte die Bevölkerung Hamburgs über den für den nächsten Tag angekündigten Einmarsch britischer Truppen.

Diesem Ende des Rundfunks im "Dritten Reich" folgte im Norden noch ein besonderes rundfunkgeschichtliches Kapitel. Während am 4. Mai 1945 britische Militärs den Sender in Hamburg besetzten, wurde aus den Funkanlagen in der Flensburger Förde der "Reichssender Flensburg". Die dort eingeschlossene Regierung von Großadmiral Dönitz sendete mehrere Ansprachen. Am 13. Mai 1945 beschlagnahmten britische Einheiten auch diese Einrichtung.

Weitere Informationen
Here is Radio Hamburg: Die britische "Mannschaft" vor der Rundfunkanstalt, 1945 © NDR

1945 bis 1947: Der NWDR unter britischer Kontrolle

4. Mai 1945: Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrt auch der Rundfunk zu demokratischen Strukturen zurück. Radio Hamburg heißt der Sender in der britisch besetzten Zone. mehr

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NS-Zeit

NDR Geschichte(n), Norag Radiohörer mit der Zeitung "Die Norag", ca. 1933.

Die Jahre 1924 bis 1947

1924 geht die erste Rundfunkanstalt Norddeutschlands, die Norag, an den Start. Unter den Nazis verliert sie ihre Unabhängigkeit. Nach dem Krieg bauen die Briten den Sender neu auf - der NWDR entsteht. mehr