1924: Der Norden geht auf Sendung
Ausschlaggebend für den Aufbau der modernen Rundfunkformen war die Bindung einer jungen Schriftstellergeneration an den Sender. Hans Bodenstedt gründete 1928 den "Kreis der Zwölf", eine Versammlung von jungen Autoren wie Alfred Otto Palitzsch, Martin Beheim-Schwarzbach und Manfred Hausmann, um der Literatur im Norag-Programm einen festen Sendeplatz zu geben. Auch auf dem musikalischen Sektor waren die Ambitionen hoch. Dafür standen die hauseigenen Klangkörper. Mit dem Einbau der Funkorgel im neuen Funkhaus sorgte die Leitung der Musikabteilung für besondere Akzente.
Auch den Schul-, Jugend- und Kinderfunk im Norden baute Hans Bodenstedt aus. Mit dem "Funkheinzelmann" erfand er ein Aushängeschild des Senders. Darüber hinaus war die Norag auf dem Gebiet der Außenreportage und der Auslandsberichterstattung prägend. 1928 stellte sie als erste Sendegesellschaft einen festen "Weltkorrespondenten" an.
Technische Herausforderungen
Bereits sehr früh, nämlich 1925, experimentierte die Norag mit der Übertragungstechnik, etwa aus dem Tierpark Hagenbeck oder vom Meeresgrund vor Helgoland. Bald wurde sie Vorreiterin dieser technischen Möglichkeiten. Auch eine der bekanntesten und sehr bald äußerst beliebten Sendungen der Norag hatte ihren Ausgangspunkt in der technischen Herausforderung. Als das "Hamburger Hafenkonzert" am 9. Juni 1929 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, bestand die besondere Leistung darin, diese "Sendung, die nach Tang und Teer riecht" live von Ozeandampfern zu übertragen, die im Hafen lagen.
"Träger und Erhalter der Heimatkultur"
Vor allem aber wurde die Norag zu einem entscheidenden Partner der Volkstums- und Heimatbewegung in Norddeutschland. Kurt Stapelfeldt und Hans Böttcher - zwei programmprägende Verantwortliche des Senders - wurden zu Förderern dieser Bewegung. In vielen Artikeln brachten sie zum Ausdruck, dass der Rundfunk der "Träger und Erhalter der Heimatkultur" sei. In den Norag-Programmen starteten sie zahlreiche Initiativen, die die niederdeutsche Kultur und Literatur, die Geschichte im Norden und das Brauchtum zwischen Weser und Ostsee vorstellten.
In diesem Zusammenhang ging man vielfach Allianzen mit niederdeutschen Vereinen und Bühnen ein und kooperierte mit Wissenschaftlern wie Richard Wossidlo, dem Begründer der Volkskunde Mecklenburgs. Grundlegender Ansatz war dabei die Kulturvermittlung und die Volksbildung durch den Rundfunk.
Bildung im Rundfunk
Dies wird auch durch die Errichtung der verschiedenen "Schulen" bei der Norag deutlich. Unmittelbar nach dem Programmstart im Mai 1924 wurde bereits die "Hans-Bredow-Schule für Volkswissenschaften" gegründet. In dieser Schule wurden nach und nach verschiedene Abteilungen ins Leben gerufen, darunter die "Schule des Niederdeutschen", die "Schule für Volksgesundheitspflege" und die "Schule für Weltwirtschaft". Unter diesen "Schulen" sind zunächst einmal Vorträge zu verstehen, die im Programm gesendet wurden. Gleichzeitig waren sie institutionalisiert, also Foren, in denen sich die Mitglieder regelmäßig trafen und so etwas wie beratende Programmausschüsse bildeten.
Nicht zuletzt setzte die Norag sie öffentlichkeitswirksam in Szene und unterstrich damit ihren Anspruch, ein entscheidender Kulturfaktor in der Metropole Hamburg und im nördlichen Sendegebiet zu sein. Die Tage für diese volksbildnerische und kulturell ambitionierte Rundfunkarbeit waren jedoch gezählt. Zu Beginn des Jahres 1933 machte der politische Wechsel in Deutschland auch vor dem Rundfunk und dessen Programm nicht Halt.
- Teil 1: Der Siegeszug des Rundfunks im Norden
- Teil 2: Der Umzug in die Rothenbaumchaussee
- Teil 3: Ein vielseitiges Programmangebot