Delegierte sitzen beim AfD-Bundesparteitag in der Magdeburger Messe vor einem Logo der Partei. © Carsten Koall/dpa
Delegierte sitzen beim AfD-Bundesparteitag in der Magdeburger Messe vor einem Logo der Partei. © Carsten Koall/dpa
Delegierte sitzen beim AfD-Bundesparteitag in der Magdeburger Messe vor einem Logo der Partei. © Carsten Koall/dpa
AUDIO: Kommentar: Warum die AfD so stark ist - und was dagegen zu tun ist (5 Min)

Kommentar zur AfD: Schwarz-Rot-Braun droht

Stand: 12.08.2023 10:38 Uhr

Die AfD ist in aktuellen Umfragen zweitstärkste politische Kraft in Deutschland, in ostdeutschen Bundesländern könnte sie die kommenden Wahlen gewinnen. Wie ist mit dieser in Teilen rechtsextremen Partei umzugehen, wer wählt die AfD warum? Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert bisher verharmlosend, und damit letztlich ratlos. Deutschland darf nicht schwarz-rot-braun werden, meint der Autor des NDR Info Wochenkommentars.

Von Heribert Prantl, Autor und Kolumnist der "Süddeutschen Zeitung"

Die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik beginnt mit dem Schwarz der CDU Konrad Adenauers und der Eingliederung Westdeutschlands in das westliche Bündnis. Es folgt das Rot der Willy-Brandt-SPD mit der neuen Ostpolitik. Dann kommt das Gold der Wiedervereinigung. Schwarz, Rot, Gold: Die Farben stehen für die bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte. Aber: In das Gold des glückseligen Jubels von 1989 drängen sich immer mehr braune Streifen. Sie werden immer dicker; das Gold wird braun.

Die Rechtsaußen- und Rechtsdraußen Partei AfD wird immer stärker, in den Umfragen ist sie derzeit die zweitstärkste politische Kraft. Bei den nächsten Landtagswahlen in den neuen Bundesländern könnte die AfD stärkste Partei werden. Sie ist eine Partei, die zunehmend von völkischen Nationalisten und von Neonazis dominiert wird. Auf dem Europa-Parteitag der AfD hat sich das soeben gezeigt.

Die AfD ist immer rechtsradikaler geworden

Die AfD gibt es seit zehn Jahren. In dieser Zeit ist sie immer rechtsradikaler geworden. Björn Höcke, ihr amtierender Vorsitzender in Thüringen und ihr heimlicher Vorsitzender im Bund, schwadroniert vom tausendjährigen Reich. Warum schreckt das die Wähler nicht ab? Wer AfD wählt, erlebt, dass seine Stimme besonders großes Gewicht hat: Sie hat Schockkraft.

Porträtbild des Journalisten Heribert Prantl. © picture alliance / Sven Simon Foto:  Anke Waelischmiller/SVEN SIMON
Die AfD werde immer mehr zu einem völkischen Kampfverband, kommentiert Heribert Prantl.

In den neuen Bundesländern hat, wie sich zeigt, der einst von der DDR proklamierte Antifaschismus keine Spuren hinterlassen, hat wenig Widerstandskräfte aufgebaut. Vielleicht ist es sogar so, dass manche AfD-Wähler in den neuen Bundesländern sich mit ihrer Stimme für die AfD nachträglich an dieser nominell antifaschistischen DDR, die sich so widerstandslos hat abwickeln lassen, rächen wollen - dafür, dass sie sich so leicht hat abwickeln lassen.

Die AfD gewinnt auch im Westen eine Stammwählerschaft

In den ersten 20 Jahren nach der Wiedervereinigung profitierte von dem Gefühlssturz und der Depression, die der Vereinigungs-Euphorie folgte, die PDS, die heutige Linke. Heute profitiert davon die AfD. Sie potenziert den alten Einheitsfrust mit neuen Gehässigkeiten gegen Flüchtlinge.

Die AfD gewinnt auch im Westen Deutschlands, in der alten Bundesrepublik. Sie gewinnt dort eine Stammwählerschaft, die verbunden ist durch zwei Ziele: eine kulturell homogene Gesellschaft und eine extrem restriktive Zuwanderungspolitik; die AfD ist die Anti-Flüchtlingspartei.

Die AfD rückt immer mehr dorthin, wo einst, weniger erfolgreich, die neonazistische NPD ihren Platz hatte: Sie wird zu einem völkischen Kampfverband, der von Björn Höcke repräsentiert wird und der deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertreiben will. Höcke und Co. geben der Partei eine gewandelte, gefährliche Identität.

Extremisten nicht Populisten nennen!

Die deutsche Gesellschaft, auch die Medien, haben es sich angewöhnt, von "Populisten" zu reden. "Rechtspopulisten", sagen wir gern. So eine Wortwahl ist fast ein Ritterschlag, sie ist völlig unangebracht. Das Wort Populismus ist hier eine niedliche Bezeichnung für eine hochgefährliche Sache. Der angebliche Populismus ist die bürgerliche Maskierung für eine demagogische, verfassungsfeindliche Politik, die auf Grund- und Menschenrechte pfeift.

Gauland, Höcke und Co sind keine Populisten; sie sind Rechtsextremisten; sie schüren Hass. Wer solche Extremisten Populisten nennt, macht sich ihnen gemein; er leistet nolens volens Beihilfe zur Vergiftung des Landes.

Ängste der Menschen werden nicht ernst genommen

Die Extremisten der AfD sagen, sie nähmen die Ängste der Menschen ernst, aber sie tun es nicht wirklich. Sie machen vielmehr diese Ängste ernsthaft gefährlich. Sie beginnen ihr Erniedrigungswerk mit der Abwertung und Verhöhnung aller bisherigen Politik, nennen sie verächtlich "das System".

Natürlich: Die rechtsstaatliche Demokratie hat Fehler, die demokratischen Parteien machen Fehler; aber der rassistische Nationalismus ist ein einziger furchtbarer Fehler, ein Desaster. Je stärker die AfD wird, umso größer wird ihr Einfluss auf das öffentliche Leben, auf die Staatsgewalt, auch auf die Justiz. Die Humanität, die Demokratie und der Rechtsstaat sind bedroht, massiv wie schon Jahrzehnte nicht.

Es wird Zeit, die Waffen des Grundgesetzes zu nutzen

Der Ärger über die Regierungs-Ampel mag noch so groß sein: Er darf sich nicht darin äußern, dass immer mehr Wähler eine braune Partei wählen. Das ist eine Form von Landes- und Demokratieverrat. Der Staat darf nun nicht darauf warten, dass die Wähler ihren Irrtum irgendwann erkennen. Dann kann es zu spät sein.

Wenn Neonazis sich, wie es geschieht, das Fell der AfD überziehen und deren parlamentarisches Gewicht für sich nutzen, dann ist es Zeit, die Waffen des Grundgesetzes zu nutzen – und die ganze AfD oder zumindest ihre aggressivsten Landesverbände zu verbieten. Aus Schwarz-Rot-Gold darf nicht Schwarz-Rot-Braun werden.

 

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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NDR Info | Kommentar | 13.08.2023 | 09:25 Uhr