Der Fehmarnbelt-Tunnel - Zu Besuch auf einer Jahrhundertbaustelle
Es ist eine Jahrhundertbaustelle: Der Podcast des Hamburger Hafenkonzerts hat sich die Bauarbeiten auf der deutschen Seite des Fehmarnbelt-Tunnel angeschaut und mit Experten und Politikern gesprochen.
Ortstermin Fehmarn: an einem schönen Sommertag Ende Juni sind wir zu Gast auf der deutschen Baustelle des Fehmarnbelt-Tunnels. Seit 2021 wird hier gearbeitet. Auf insgesamt 100 Hektar sind eine große Baustelle und ein Arbeitshafen entstanden. Hier in Puttgarden - unweit des Fähranlegers - soll die Ein- und Ausfahrt des gigantischen Tunnelbauwerks entstehen.
18 km lang - Der längste Absenk-Tunnel der Welt
Der eigentliche Tunnel, das heißt, die einzelnen Elemente des Bauwerks, werden auf der anderen Seite des Belts in einer großen Fabrik in Roedbyhavn hergestellt. Hafen und Fabrik sind etwa fünfmal so groß wie die Baustelle auf Fehmarn. Die Fläche umfasst etwa 310 Fußballfelder.
Im Sommer 2020 begannen die Arbeiten an der Küste Lollands. Das Produktionsareal rund um die Tunnelelementfabrik wurde schrittweise hergestellt. Insgesamt 79 Standard-Tunnelelemente entstehen dort. Jedes dieser Elemente ist 217 Meter lang und 73.000 Tonnen schwer. Dazu kommen zehn kürzere Spezialelemente, die alle zwei Kilometer positioniert werden. Im Untergeschoss dieser Elemente sind die elektrischen Anlagen zur Versorgung des Tunnels enthalten.
Jedes Tunnelelement enthält zwei Eisenbahn-Gleise in separaten Röhren. Dazu kommt eine Autobahn mit vier Spuren – je zwei in einer Fahrtrichtung in einer separaten Röhre.
Vier Standardelelemente sind inzwischen fertig. Im Juni wurde das erste in Anwesenheit des dänischen Königs Frederik X. von Dänemark feierlich eingeweiht. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte soll es 40 Meter tief in die Ostsee abgesenkt werden.
Die Arbeiten auf der deutschen Seite
Ende Juli 2023 ist der deutsche Arbeitshafen offiziell in Betrieb gegangen. Zwei- bis dreimal pro Woche legen derzeit Schiffe mit Zuschlagsstoffen aus Dänemark oder Norwegen hier an. Neben der Kaianlage befinden sich Silos für Zement und weitere Lagerflächen für die angelieferten Materialien. Auf der deutschen Seite wird am Tunnelportal sowie an den Anschlüssen der Bahntrasse und B 207 (E 47) gearbeitet.
Für den 18 Kilometer langen Tunnel in der Ostsee wurden insgesamt 15 Millionen Kubikmeter Meeresboden ausgehoben. Der Aushub wird für die Landgewinnung vor der Küste Lollands verwendet. Dort entstehen insgesamt rund 300 Hektar Natur- und Erholungsgebiete.
Bauen mit der Natur
Bauherr des Projekts ist die dänische Firma Femern A/S. Die Projektgesellschaft gehört zur Sund & Bælt Holding A/S. Zum Ortstermin war auch der CEO der Holding, Mikkel Hemmingsen, gekommen. Besonders wichtig ist für ihn das Bauen mit der Natur. Aus den Erfahrungen der bereits realisierten Großprojekte, wie zum Beispiel der festen Verbindungen über den Großen Belt und den Öresund, weiß er, dass negative Auswirkungen auf die Natur in Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden schon im Vorfeld durch sorgfältige Planung und Kommunikation vermieden werden können. Und für unvermeidbare Beeinträchtigungen werde Ausgleich geschaffen, so Hemmingsen.
Das Dialogforum – aktive Bürgerbeteiligung
Überhaupt ist Kommunikation sowohl auf dänischer als auch auf deutscher Seite eines der Erfolgsrezepte des größten Infrastruktur-Projekts in Nordeuropa. Seit nunmehr 13 Jahren tagt auf deutscher Seite das Dialogforum Feste Fehmarnbelt-Querung. Hier sind alle kommunalen Vertreter der Region, die Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Politik und Wirtschaft vertreten. Die erste Sitzung war noch in der Planungsphase, lange vor Baubeginn, am 5. September 2011. Schon damals leitete Dr. Christoph Jessen die Sitzung. Der ehemalige Diplomat, der zuletzt Botschafter in Dänemark war, sorgt dafür, dass alle zu Wort kommen und jeder gehört wird. Und er kommuniziert die Forderungen des Dialogforums in die Politik. Das Gremium tagt noch heute und ist stolz auf gemeinsame Erfolge und auch Kompromisse. So wurde zum Beispiel die Bahnstrecke nach Lübeck nicht wie geplant durch die Ostseebäder, sondern drumherum geleitet - ein Erfolg des Dialogforums.
In zehn Minuten mit dem Auto nach Dänemark
2029 soll der Fehmarnbelt-Tunnel fertig sein, dann sollen die ersten Züge und Autos von Lolland nach Fehmarn rollen. Eine Zeitersparnis. Denn während die Fahrt mit der Fähre heute 45 Minuten dauert, ist man mit dem Auto in 10 Minuten durch. Und der Zug braucht ganze 7 Minuten. Die Fahrzeit von Hamburg nach Kopenhagen halbiert sich: dauert es heute noch 5 Stunden, wird man dann mit dem ICE in zweieinhalb Stunden da sein.
Neue Herausforderung: Der Fehmarnsund-Tunnel
Eine weitere Baustelle auf Fehmarn ist bereits in der Planung: Die Anbindung der Insel an das deutsche Festland soll in Zukunft zusätzlich über einen Tunnel funktionieren. Die Fehmarnsund-Brücke ist auf Dauer dem Verkehr nicht gewachsen. Sie soll jedoch als Wahrzeichen erhalten bleiben und vor allem für Fahrräder nutzbar sein. Zug- und Autoverkehr werden durch einen neu zu bauenden Tunnel geleitet. Bestenfalls wird der parallel zur Eröffnung des Fehmarnbelt-Tunnels fertig sein. Da dies wegen des deutlich komplizierteren deutschen Planungsverfahrens wohl nicht gelingen wird, bleiben die Brücke und die angrenzende Bundesstraße ein Nadelöhr von und nach Fehmarn und weiter nach Nordeuropa. Wann ein Sund-Tunnel fertig sein wird, darüber gibt es unterschiedliche Prognosen. Während Fehmarns Bürgermeister Jörg Weber mit dem Jahr 2033 rechnet, vertraut der schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsminister den Zusagen der Deutschen Bahn und geht von einer Fertigstellung 2029 aus.