Ultraläufer Savas Coban: In 86 Tagen einmal durch ganz Peru
Der gebürtige Bremer Savas Coban hat einen Extremlauf von 5.170 Kilometern durch Peru absolviert - in nur 86 Tagen. Dem NDR erzählte der Extremsportler von all den Strapazen, Grenzerfahrungen und besonderen Momenten.
Als Coban am 13. November 2022 das erste Mal auf der Plaza Mayor de Lima stand, war er gedanklich noch meilenweit davon entfernt, sich zum ersten Mal die Frage zu stellen: "Warum mache ich das?" Es gab für ihn keine Zweifel, nur Vorfreude. "Ich hatte ja alles aufgegeben, um Extremsportler zu werden und wusste auch gar nicht richtig, wie ich das finanzieren sollte. Und dann stand ich da auf der Plaza de Mayor, und etwas ging los, worauf ich schon so lange gewartet hatte", sagte der gebürtige Bremer auf dem roten Sofa bei "Das!".
Er habe erst dort realisiert, dass sein Peru-Abenteuer endlich anfange. Coban: "Deswegen war der Start auch so emotional für mich. Boah, war das ein schöner Moment!"
An jedem Tag deutlich mehr als ein Marathon
Trotz allem, was da vor ihm lag - oder gerade deswegen. Ein Ultralauf durch das südamerikanische Andenland, 5.170 Kilometer durch Wüste, Dschungel und Hochgebirge, ein angepeiltes Tagespensum mit durchschnittlich 60 Kilometern pro Tag und damit deutlich mehr als bei einem Marathon (42,195). Doch all das wirkte in dem Augenblick keineswegs bedrohlich. Es ließ den in Hamburg lebenden 31-Jährigen sogar vor Enthusiasmus lächeln. Und das, obwohl ihm natürlich klar war, dass es in den folgenden Wochen an Herausforderungen nicht mangeln würde.
Am fünften von letztlich 86 Tagen durch das gebirgige Land, das dreieinhalbmal so groß ist wie Deutschland, wurde er krank. "Ich hatte wahrscheinlich etwas Falsches getrunken, das Wasser war dort nicht so sauber, und ich war daran noch nicht so gewöhnt", so Coban. Im Klartext: Montezumas Rache hatte ihn getroffen - Durchfall! "Es war für mich aber immer klar, dass es trotzdem weitergeht, es ging eben langsamer voran, mit ein paar Gehpausen", sagte der Norddeutsche.
Schneetreiben bei Überquerung der Anden
Und überhaupt: Es könne eben nicht immer alles glattgehen, fügte der Buchautor hinzu. "Darauf stelle ich mich immer vorher ein. Man sollte gerne aus der Komfortzone herausgehen als Abenteurer - und das mache ich. Wenn du diesen Willen nicht hast, schaffst du es nicht. Ich mache es aus Leidenschaft", versicherte Coban. Die Frage: "Warum mache ich das?" war zu dem Zeitpunkt nicht in fetten Lettern vor seinem inneren Auge, sondern nur sehr klein zu lesen, maximal Schriftgröße vier.
Das sollte sich aber noch ändern. Und zwar, als es über die Anden ging, wo er neben den üblichen Strapazen auch mit Schneefällen und Wind zu kämpfen hatte. Und immer spürbar auf dem Rücken: der Rucksack mit einem Peru-Aufnäher darauf und den wichtigsten Utensilien darin. Ein Schlafsack, eine Isomatte und ein kleines Zelt für ganz heikle Wetterphasen. Dazu noch ein bisschen Wasser, jedoch kaum Essen. Das besorgte er sich unterwegs, indem er Menschen um kleine Speisen bat oder sich von dem ernährte, was die Natur ihm bot. Die Flasche füllte er stetig auf - an Brunnen, Seen oder Wasserhähnen.
"Ich habe gegen die Bewusstlosigkeit angekämpft." Savas Coban
"In den Anden ging es innerhalb von ein, zwei Tagen von null auf fast 5.000 Höhenmeter, ohne Akklimatisierung", schilderte Coban, der stark unter der Höhenkrankheit litt. Der Körper rebellierte. "Ich hatte Anzeichen von Schwindel, habe gegen die Bewusstlosigkeit angekämpft. Das war ein sehr harter Moment." Er habe nicht gewusst, ob er lachen oder weinen sollte. Und dann ließ sich die Frage auch nicht mehr ausblenden: "Warum mache ich das?"
"Diesen Moment hat jeder einmal. Aber man hat selbst die Antwort: Die schwierigsten Momente sind einfach die besten Erinnerungen. Jeden Tag hat man ein Erfolgserlebnis. Egal, wie hart der Tag war - wenn man das durchsteht und sich selbst bezwingt, fühlt man sich unglaublich. Wenn man an die vermeintlichen Grenzen gelangt, erkennt man, dass man noch mehr kann", sagte der ausgebildete Personal Trainer, der 2020 mit dem Fahrrad 3.247 Kilometer von Hamburg nach Sevilla fuhr und der ein Jahr später bei einem Ultralauf von München nach Istanbul Spenden für ein Brunnenprojekt in Afrika sammelte.
Irgendwann wusch sich Coban nicht mehr
In Peru hatte er Respekt vor den Nächten im Dschungel gehabt, "wo es giftige Tiere und auch mal einen Jaguar gibt". Aber auch das stand er durch. "Ich liebe das Abenteuer, das Ungewisse", sagte Coban, der irgendwann während des Ultralaufes durch Peru die Körperwäsche einstellte. "Ich habe mir gesagt: Okay, dann rieche ich halt extrem, aber ich bin ja allein."
"Alemàn loco" zurück auf dem Plaza Mayor de Lima
Allein war er schließlich auch am 86. Tag seines Ultralaufes inklusive 230.000 Höhenmetern, als er auf den Plaza Mayor de Lima zurückkehrte. Wegen politischer Unruhen war der Platz von der Regierung eigentlich gesperrt gewesen, für den "Alemàn loco", den "verrückten Deutschen", machten die Behörden aber eine Ausnahme.
"Ich habe während der ganzen Zeit an den Platz gedacht, der ja für mich Start und auch Ziel war. Es war unglaublich, als ich dann wieder dort war." In dem Moment war die Frage nach dem "Warum" wieder richtig weit weg - ganz so, als wäre sie in Peru nie ein ständiger Begleiter gewesen.