Stapenhorsts Hockey-Abenteuer in Indien - "Verdiene erstmals viel Geld"
Nach den Olympischen Spielen in Paris beendete Charlotte Stapenhorst ihre internationale Hockeykarriere. Wenige Wochen später heuerte die 29-Jährige in der neuen Hockey India League für Frauen an. Mit dem NDR sprach die langjährige Bundesligaspielerin des Uhlenhorster HC über ihr Abenteuer im Hockey-verrückten Indien.
Charlotte Stapenhorsts Grinsen ist breit, wenn sie von dem "im positiven Sinne anstrengenden Land" Indien erzählt. Von der irren Lautstärke, den intensiven Gerüchen und den Hupkonzerten auf der Straße, wenn ihr Hockeyteam mit Polizei-Eskorte und Blaulicht zum Stadion geleitet wird.
"Ich verdiene zum allerersten Mal in meiner Hockeykarriere richtig viel Geld." Charlotte Stapenhorst
Zum ersten Mal findet die India Hockey League auch für Frauen statt. Für die 29-Jährige, die ihre erfolgreichste Zeit in der Hockey-Bundesliga in Hamburg beim UHC (drei Meistertitel auf dem Feld, einer in der Halle) verbracht hat, war sofort klar: "Wenn das wirklich gemacht wird, dann steige ich da sofort ein und bewerbe mich."
Top-Spielerinnen bei Auktion ersteigert
Als Deutschlands beste Torschützin bei den Sommerspielen in Paris hatte die Vollblutstürmerin ihren Marktwert zuvor in die Höhe getrieben. Im Dezember gab es dann eine Auktion, bei der internationale Top-Spielerinnen für vier verschiedene Teams ersteigert werden konnten. Stapenhorst, die als einzige Deutsche dabei ist, wurde mit sieben weiteren internationalen Spielerinnen in das Team des Soorma HC gewählt.
18.000 Euro für zwei Wochen
Zwei Wochen lang wird die Meisterschaft ausgespielt, dafür bekommt Stapenhorst umgerechnet 18.000 Euro Gehalt: "Ich verdiene zum allerersten Mal in meiner Hockeykarriere richtig viel Geld. Das war schon ein Anreiz, weil man so hart arbeitet, dafür aber nie eine richtige Bezahlung bekommen hat."
Moritz Fürste erhielt Rekordsumme
Seit zwölf Jahren gibt es die Liga bereits bei den Männern. Als erster Deutscher war die Hamburger Hockey-Größe Moritz Fürste dabei, Welthockeyspieler Tobias Hauke und der damalige Nationalmannschaftstorjäger Florian Fuchs zogen nach.
Die Hockey-Männer lockte neben der Faszination für das Hockey-verrückte Land auch das große Geld: Fürste verdiente beispielsweise für eine vierwöchige Saison 2017 über 100.000 US-Dollar.
Dass es bei ihr ein Bruchteil dessen ist, stört Stapenhorst nicht. Sie wirkt vor allem glücklich über die neuen Erfahrungen, die sie in Indien macht. Bei den Heimspielen in Ranchi schauen jedes Mal bis zu 5.000 Menschen zu - kein Vergleich zu Deutschland.
"Bei uns kommen bei Ligaspielen drei Eltern zugucken. Hier ist es schon sehr besonders und bei den Toren jubeln die Menschen natürlich und es kommt ein Feuerwerk. Es ist schon besonders aufgezogen." In Hin- und Rückspielen treffen die vier Teams aufeinander, ehe die beiden besten - zu denen Soorma schon vorzeitig gehört - am Sonntag im Finale um die Meisterschaft spielen.
Denkwürdige Acht-Stunden-Auswärtsfahrt
Während die Busfahrt bei den Heimspielen samt Polizei-Eskorte meist einwandfrei verläuft, wird Stapenhorst eine Auswärtsreise wohl so schnell nicht vergessen - als aus einem Vier-Stunden-, ein Acht-Stunden-Trip wurde.
"Hoffentlich kommen wir lebend an!" Charlotte Stapenhorst
"Ich habe noch nie so eine Busfahrt miterlebt. Es gab kaum Straßen, einfach nur Schotter. Wir sind über Serpentinen und Schienen gefahren. Der Bus ist fast umgekippt und wir hatten sieben oder acht Mädels, die sich die ganze Zeit übergeben haben. Ich hatte schweißnasse Hände, weil ich wirklich dachte: 'Hoffentlich kommen wir lebend an!'"
In ihrem Team erfüllt die 179-malige Nationalspielerin das deutsche Klischee der Pünkltichkeitsfanatikerin: "Es dauert hier alles so lange, oh mein Gott dauert das lange", sagt sie mit einem Schmunzeln. Stapenhorst genießt es, mit den Spielerinnen gemeinsam auf dem Platz zu stehen, denen sie jahrelang auf internationaler Bühne begegnet ist, die sie aber nur per Handshake kannte.
Spaßig für die einen - existenziell für die anderen
Während für die internationalen Spielerinnen das Erlebnis vor allem ein lukratives Abenteuer ist, geht es für die indischen Spielerinnen um die pure Existenz. Sie sind Profis und ernähren ihre Großfamilien mit dem Sport. Wenn Stapenhorsts indische Mitspielerinnen "schlecht Hockey spielen und aus der Nationalmannschaft rausfliegen, dann haben sie und ihre Familien nichts mehr".
Das Hockey-Mekka Indien ist darum bemüht, die Hockey-Frauen zu fördern - bei der Olympia-Qualifikation im vergangenen Jahr platzte das Stadion in Ranchi bei der entscheidenden Partie gegen Deutschland mit 15.000 Fans fast aus allen Nähten.
Hockey-verrücktes Indien will Frauen fördern
Die Hockey India League soll ein Langzeitprojekt sein: Durch sie sollen die Inderinnen von den internationalen Spielerinnen profitieren, von ihnen lernen. Stapenhorst ist überzeugt, "dass das eine richtig große Nummer werden kann. Das würde ich mir wünschen, dass es so wird, wie es bei den Herren eben auch ist."
Denn die vierwöchige Liga bei den Männern trägt mittlerweile Früchte, Indien ist zurück in der Weltspitze und holte bei den Olympischen Spielen sowohl in Tokio als auch in Paris Bronze.
Für die India Hockey League der Frauen ist hingegen erst der Startschuss gefallen. Und für Charlotte Stapenhorst ist sie ein letztes Highlight ihrer internationalen Karriere. Neben ihrem größten internationalen Erfolg, Olympia-Bronze in Rio de Janeiro, sammelte die gebürtige Berlinerin mit dem Uhlenhorster HC regelrecht deutsche Meistertitel (2015, 2016 und 2017). Mit nationalen Titeln kennt sie sich also aus - ein indischer Titel fehlt allerdings noch in ihrer Sammlung.