Brutales Foul: Werders Siegmann schlitzt Lienens Oberschenkel auf
Am 14. August 1981 stockte 34.000 Fans im Bremer Weserstadion der Atem: Das Foul von Werder-Spieler Norbert Siegmann an Bielefelds Ewald Lienen gilt als das brutalste und hässlichste der Liga-Geschichte.
Schreiend wand sich Lienen auf dem Rasen, am rechten Oberschenkel eine 25 Zentimeter lange und 5 Zentimeter tiefe klaffende Fleischwunde, die Siegmanns Stollen gerissen hatte. Das Bild des auf dem Boden sitzenden Arminia-Spielers, der immer wieder entsetzt auf die Wunde mit den blanken Knochen und Muskeln blickt, ist unvergessen. "Das ist einfach nur ein Schock, das eigene Bein offen zu sehen", sagte er später.
Rehhagel im Rückspiel mit kugelsicherer Weste
Trotz der heftigen Verletzung stürmte er schon kurz danach humpelnd und schreiend auf Otto Rehhagel zu. Der Werder-Trainer habe den Verteidiger lautstark zu dem Foul aufgefordert.
Beim Rückspiel in Bielefeld saß Rehhagel mit kugelsicherer Weste auf der Bank, es hatte Morddrohungen gegeben. Und auch für Siegmann, fortan der "Schlitzer" genannt, begann ein Spießrutenlauf. Dabei hatte er für den Zweikampf lediglich die Gelbe Karte gesehen.
"Ein Meilenstein, sich gegen Brutalität zu wehren"
Lienen verklagte Siegmann wegen fahrlässiger Körperverletzung. Er sei nicht rachsüchtig oder auf eine möglichst harte Bestrafung von Rehhagel oder Siegmann aus, konstatierte er schon kurz nach dem Vorfall im Krankenhaus: "Mir geht es in erster Linie darum, dass die Knochen der Bundesligaspieler geschützt werden."
Auch später kämpfte Lienen weiter für einen fairen Fußball ohne brutale Fouls. "Für mich ist das ein Meilenstein gewesen, sich gegen diese Brutalität, die es damals im Fußball überall gab, endlich erfolgreich zur Wehr zu setzen", sagte er viele Jahre später dem NDR.
Lienen bleibt vor Gericht erfolglos
Vor Gericht scheiterte er allerdings. Lienen: "Der Staatsanwalt hat gemeint, beim Fußball muss man sich darauf einstellen, wenn man einen Vertrag unterschreibt, dass man schwer verletzt wird. Ich bin froh, dass sich diese lächerlich-primitive Sichtweise des damaligen Staatsanwalts und auch des Oberstaatsanwalts in Bremen nicht durchgesetzt hat und wir jetzt einen sozialverträglichen Fußball haben, wo solche Verhaltensweisen keine Chance mehr haben."
Siegmann "die ärmste Sau"
Sein Gegenspieler hatte andere Sorgen. "Der Ewald hat mich damals genervt", berichtete Siegmann. "Keiner hat gefragt, wie es mir dabei geht, dem Täter. Ich war gebrandmarkt als der Ober-Treter. Obwohl ich in meiner ganzen Bundesliga-Karriere keine einzige Rote Karte gesehen habe."
Immerhin kam es zur Aussprache, "weil der Norbert dabei die ärmste Sau war. Das hätte jedem anderen Innenverteidiger der damaligen Zeit auch passieren können, denn so wurde damals Fußball gespielt", erläuterte Lienen. Siegmann habe sich relativ schnell mit einem netten Brief entschuldigt.
Lienen nach vier Wochen wieder im Einsatz
Lienens Theorie bestätigte sich später in einem Interview mit dem damaligen Werder-Profi, der von vorne in den ballführenden Lienen hineingegrätscht hatte: "Eigentlich war es ein Allerweltsfoul. Zu 90 Prozent ein Unfall. Meine Güte, ich habe immer 1.000 Prozent gegeben, ich wollte gewinnen. Die Bielefelder haben in dem Spiel reingehauen wie die Kesselflicker. Und irgendwann hat der Otto gesagt: Haut auch mal rein! Aber noch mal, das war keine Absicht von mir."
Immerhin: Lienens schwere Verletzung verheilte relativ schnell, nach vier Wochen konnte er wieder spielen.
Das Spiel 1981 im Stenogramm:
Werder Bremen - Arminia Bielefeld 1:0 (0:0)
Tor: 1:0 Meier (54.)
Zuschauer: 34.000
Bremen: Burdenski - Fichtel, Gruber, Kamp, Otten - Siegmann, Möhlmann, Bracht, Reinders - Kostedde, Meier (75. Rautiainen)
Bielefeld: Kneib - Hupe, Bregman, Dronia, Pohl - Krobbach, Riedl, Geils, Pagelsdorf - Lienen (20. Krumbein), Schock (65. Steffensen)