Schach in Weissenhaus: Keymer nach Sieg über Carlsen im Finale

Stand: 12.02.2025 17:14 Uhr

Nachdem der Streit mit dem Weltschachverband FIDE vorerst beigelegt ist, schreibt das Freestyle-Chess-Turnier in Weissenhaus an der Ostsee endlich sportliche Schlagzeilen. Der Mainzer Vincent Keymer hat am Mittwoch Ausnahmespieler Magnus Carlsen besiegt und kämpft nun im Finale um 200.000 Dollar Preisgeld.

von Niklas Schenk

Immer wieder waren Carlsen und Deutschlands Toptalent Keymer in den vergangenen Jahren aufeinandergetroffen. Immer wieder stand Keymer kurz vor einem Sieg, immer wieder zog Carlsen irgendwie den Kopf noch aus der Schlinge. Nun hat es der 20-jährige Deutsche endlich geschafft. In der zweiten Halbfinalpartie verteidigte er sich gegen den norwegischen "Endspielgott" Carlsen bravourös und erkämpfte sich ein Remis, was nach seinem Sieg im ersten Spiel zum Finaleinzug reichte.

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Keymer in Topform

In der Vorrunde noch mit einigen Problemen, ist Keymer nun in Topform. Sein Vorteil: Er kann nicht nur gut rechnen und damit Züge im Voraus planen, er verfügt auch über eine exzellente Intuition. Mit der Freestyle-Variante kommt der Mainzer damit besser klar als etwa der Inder Dommaraju Gukesh, seit wenigen Monaten neuer Weltmeister im klassischen Schach.

Weltmeister Gukesh sang- und klanglos ausgeschieden

Auch Gukesh ist ein starker Rechner, kann viele Stellungen gut kalkulieren. Ihm hilft es, sich im klassischen Schach auf bekannte Eröffnungen langfristig (auch mit Hilfe von Schachcomputern) vorbereiten zu können, als Angreifer wie als Verteidiger. Diesen Vorteil gibt es beim Freestyle Chess nicht. Sein Viertelfinale verlor der neue Weltmeister sang- und klanglos. Für ihn geht es an der Ostsee nun maximal noch um Platz fünf.

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Im klassischen Schach sind die Figuren anfangs extra harmonisch aufgestellt. Das hilft jedem, Anfängern wie Profis, erst einmal sicher zu stehen und die Figuren behutsam ins Spiel einzubinden. Beim Freestyle hingegen wird die Startformation der Figuren ausgelost. Da kommt es schon mal vor, dass nach nur zwei Zügen ein Bauer komplett ungedeckt ist oder ein Turm direkt angegriffen werden kann.

Spieler wie Carlsen oder Hikaru Nakamura (USA), seit Jahrzehnten Schachweltspitze, mögen es, sich im Freestyle auf neue, oft zunächst unharmonische Positionen am Brett einzustellen - und dann alle Figuren zu aktivieren und mit ihnen harmonisch anzugreifen. Das ist nämlich, ähnlich wie im klassischen Schach, der Weg zum Sieg.

Erster großer Zahltag für Keymer

Keymer, 2022 ja auch Vize-Weltmeister im Schnellschach, wirkt in diesen Tagen wie der vielseitigste der immer stärkeren Schach-Youngster. Für ihn ist die neue Turnierserie auch finanziell ein Segen. Jahrelang hatte er erfolglos Sponsoren gesucht, in Interviews von 60.000 Euro gesprochen, die er pro Saison als Profispieler brauche.

Nun hat er in Weissenhaus als Finalist mindestens 140.000 Dollar sicher, bei einem Sieg wären es 200.000 Dollar. Das Turnier an der Ostsee ist der Auftakt einer weltweiten Turnierserie, bei der insgesamt vier Millionen US-Dollar ausgeschüttet werden. Das sind neue Dimensionen im Schachsport.

Neue Turnierserie setzt auf Schach-Streamer

Unklar bleibt, wie gut sich die Freestyle-Variante monetarisieren lässt. Die Spiele sind spektakulär, viele Stellungen neu - aber selbst Großmeistern fällt es schwer, Freestyle-Partien zu durchschauen und zu erklären, erst recht für Schachlaien. Transparente Zahlen, wie viele Fans weltweit zuschauen, gibt es nicht. Um ein neues Publikum zu gewinnen, setzt Freestyle-Chef und Unternehmer Jan Henric Buettner in diesem Jahr deshalb noch stärker auf die Schach-Streamer.

Levy Rozman alias "GothamChess" ist Teil des Kommentaren-Teams - er hat auf Youtube fast sechs Millionen Abonnenten. Auch die Botez-Schwestern oder Anna Cramling sind vor Ort, haben eigene Studios. Auf einen Pressetag mit Interviewmöglichkeiten für die klassischen Medien verzichteten die Freestyle-Organisatoren in diesem Jahr, um alle Inhalte über ihre eigenen Kanäle zu verbreiten.

Streit zwischen Buettner und FIDE (vorerst) beigelegt

Mit Derrick Rose hat nun auch ein bekannter NBA-Spieler in Freestyle investiert. Er möchte ein Event auf die Beine stellen, wenn die Turnierserie im Sommer in Las Vegas vorbeischaut. Unternehmer Buettner glaubt, dass aus seiner Idee eine "Milliardenfirma" wird. Der Konflikt mit dem Weltschachverband FIDE brachte ihm und seinem Turnier viel Aufmerksamkeit. Monatelang hatten sich beide Seiten darüber gestritten, ob ein Freestyle-Weltmeister gekürt wird.

Am vergangenen Sonntag setzten sich die Spieler und Organisatoren zusammen und beschlossen einstimmig, zumindest in diesem Jahr auf einen Weltmeister-Titel zu verzichten. Stattdessen soll nun am Ende des Jahres ein "Freestyle Chess Champion" gekürt werden. Eine pragmatische Lösung, für die es keine monatelange Schlammschlacht mit der FIDE gebraucht hätte. Umso schöner, dass es nun um sportliche Schlagzeilen geht.

Keymer im Finale gegen Caruana oder Sindarov

Morgen und Freitag finden die beiden Finalpartien statt. Keymers Gegner wird im Tie-Break am heutigen Abend zwischen den Amerikaner Fabiano Caruana und der Überraschung Javohir Sindarov aus Usbekistan ermittelt.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 12.02.2025 | 19:30 Uhr

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