Ocean Race: Boris Herrmann wieder fit - Königsetappe "ohne Heizung"
Vor der Fortsetzung des Ocean Race werden die fünf Yachten in Kapstadt generalüberholt. Bei der frostigen dritten Etappe will Malizia-Skipper Boris Herrmann "flink dabei sein". Seine Verletzung ist auskuriert - 200 Kilo Ersatzteile und Schlafsäcke fürs Eismeer werden verstaut.
Das Ocean Race macht Pause - könnte einem beim Blick ins Hafenbecken der Victoria & Alfred Waterfront in Kapstadt in den Sinn kommen. Doch gleich hinter der Hafenmole wird Tag und Nacht geschraubt, gebohrt, geschliffen und alles unternommen, die fünf Imoca-Yachten nach den ersten 6.500 Seemeilen der legendären Regatta um die Welt zu reparieren und für die weiteren Etappen fit zu machen. Boris Herrmann pendelt derweil zwischen diversen Meetings, in denen beratschlagt wird, "welche Ersatzteile wir mitnehmen, was wir wie umbauen und was wir am nächsten Stopover machen wollen".
Königsetappe nach Brasilien steht an
Der Malizia-Skipper wird nach seiner verletzungsbedingten Zwangspause wegen einer Verbrennung am Fuß bei der am 26. Februar beginnende Königsetappe über 12.750 Seemeilen nach Brasilien an Bord zurückkehren. Während die Crew-Mitglieder der fünf Teams die segelfreie Zeit am Kap der Guten Hoffnung zur Entspannung nutzen, tüftelt Herrmann mit den Technikern an seinem Neubau, der erst im September 2022 in der Hamburger Hafencity getauft worden war.
Das Boot, das vielmehr einer auf Tragflügeln übers Wasser fliegenden Rennmaschine gleicht, wird generalüberholt. Ein maritimer "Facelift" sozusagen. Ruder und Kiel etwa werden geschliffen, "damit die lauten Kreisch-Geräusche an Bord weniger werden", erklärt Herrmann im Gespräch mit dem NDR.
Foils bereiteten Herrmann Sorgen
Auch an den Foils, die bereits nach der Route du Rhum für 600.000 Euro ausgewechselt werden mussten, werkeln die Techniker. "Hinten waren Haarrisse, die nicht so schlimm waren, wir haben sie trotzdem verstärkt", sagt der Wahl-Hamburger. Gegen Ende der zweiten Etappe sei ein Riss mittig über das Foil hinzugekommen. "Das hat uns viele Sorgen gemacht." An diesem Sonnabend muss laut Reglement alles fertig und die Malizia wieder im Wasser sein.
"MacGyver-Ausrüstung" - 200 Kilo Ersatzteile dabei
Das Equipment muss überdies aufgefüllt und ergänzt werden für das längste und womöglich vorentscheidende Teilstück. Eine spezielle Herausforderung nach Herrmanns Philosophie, die manch ein Konkurrent womöglich für übertrieben halten mag. "Wir haben mehr Ersatzteile eingepackt; sogar ein Ersatzruder." Er plane aus gutem Grund ein bisschen anders. Weil nichts passieren darf, wo fremde Hilfe vonnöten wäre. Einen Hafen, der vielleicht sogar per Flugzeug erreichbar wäre, gibt es Kurs Südpolarmeer nicht.
"Für mich wird die nächste Etappe wie die Vendée Globe", sagt Herrmann. Die ganze "MacGyver-Ausrüstung", solle deshalb dabei sein. "Gut 200 Kilo Ersatzteile - das Werkzeug nicht mitgerechnet, um auf jede Eventualität vorbereitet zu sein und alles irgendwie wieder herrichten zu können."
Steife Brise tut der Malizia gut
Die Vendée Globe 2024 ist das große Ziel von Herrmann und Co., das Projekt mit der neuen Malizia darauf ausgerichtet. Die Königsetappe, die doppelt gewertet wird, ist eine echte Nagelprobe mit rauen Bedingungen. Nun kommt es darauf an.
Wind und Wetter lassen sich allerdings weniger gut planen als das Equipment, wie sich am Ende der zweiten Etappe für die führende Malizia gezeigt hat. Der Moral tat Platz vier keinen Abbruch, wie der im Zielhafen wartende Skipper zufrieden festgestellt hat. "Es war wirklich nicht das Schiff, das entschieden hat, sondern Glück oder Pech mit dem Wind." Eine steife Brise tut der Malizia gut, dafür ist sie gebaut. Darauf hofft Herrmann - und erwartet sie auch: "Wir werden bei viel Wind losdüsen Richtung Südmeer und mit dem starken Wind eines Tiefdruckgebiets nach Osten fahren. Einmal rund um die Antarktis im besten Fall."
Segeln an der Eisgrenze: Wenig Sonne und hohe Wellen
Aber so glatt läuft es in der Realität meistens nicht, weiß Herrmann natürlich. "Es wird auch mal ein Hochdruckgebiet geben und eine langsamere Phase." So wie es während der Vendée Globe 2020/2021 zwischen Weihnachten und Neujahr war. Eine nicht einmal unangenehme Erfahrung, gesteht der erste Deutsche bei der Nonstop-Regatta um die Welt, der damals lange sogar vom Sieg träumen durfte. "Ansonsten wird es relativ grau sein, eine hohe Dünung haben und wenig Sonne sowie Albatrosse. Ein Entlanghangeln an der Eisgrenze."
Herrmann: Keine Angst vor Havarie
Ungefährlich ist das nicht. Ab einem bestimmten Punkt dürfen die Yachten nicht weiter nach Süden fahren, um nicht mit Eisbergen zu kollidieren. Die Rennleitung kontrolliere das via Satellit. Drei Rettungsinseln sind pro Schiff vorgeschrieben. Angst vor einer Havarie weist Herrmann im Gespräch mit dem NDR fast genervt von sich: "Diese Art von Gefahr, ist für uns weit weg. Wir fürchten mehr auszuscheiden, nicht anzukommen, nicht erfolgreich zu sein." Dass ein Schiff untergeht wie bei der letzten Vendée Globe und der Skipper in eine Rettungsinsel muss, sei total ungewöhnlich. "In unserem Fall lege ich meine Hand ins Feuer, dass sowas nicht passieren wird."
Erfahrungen aus dem Südmeer
Die Malizia sei extrem seetüchtig, extrem sicher - und schnell. "Als wir das Boot designt haben, kam ich von der Vendée Globe." Die Eindrücke vom Südmeer haben das neue Boot stark geprägt. "Wir haben schon auf der letzten Etappe gesehen, dass es ganz gut funktioniert", so der in Oldenburg geborene Niedersachse. Er sei überzeugt, dass die Malizia mit ihren vier "Seebären" und Seglerin Rosalin Kuiper an Bord auch auf der längsten Etappe von Kapstadt nach Itajaí in Brasilien "flink dabei sein" werde.
Rosalin Kuiper - Psychologin an Bord
Ohne Streit und Zickereien übrigens, weil "alle ihre feste Rolle und Aufgabe haben und das gemeinsame Ziel zusammenschweißt". Vielleicht hat die erfahrene niederländische Hochseeseglerin, die Co-Skipper Will Harris ins Team geholt hat, einen positiven Einfluss auf die Crew - ist Kuiper doch Psychologin mit Schwerpunkt Sportpsychologie und Gruppendynamik. Nicht schlecht für eine sechsmonatige Regatta, die am 1. Juli in Genua enden soll. Die Königsetappe soll fünf Wochen dauern, zwischendurch kann es bitterkalt werden. Spezielle Schlafsäcke für die frostigen Gefilde sind eingepackt, sagt Hermann schmunzelnd. "Eine Heizung ist diesmal aber nicht dabei."