Jan Ullrich ist 50: Ausfahrt in ein neues Leben?
Jan Ullrich ist am Sonnabend 50 Jahre alt geworden. Kurz vor seinem Ehrentag und 26 Jahre nach seinem Tour-de-France-Triumph hatte der ehemalige Radprofi eine späte Dopingbeichte abgelegt. Der gebürtige Rostocker möchte sich von einer Lüge befreien, die er mehr als sein halbes Leben mit sich herumgetragen hat - und sucht nach einem Weg zurück in den Radsport.
Mit 66 Jahren, wusste Udo Jürgens musikalisch zu berichten, da fange das Leben an. Vor allem aber sei in dem Alter noch lange nicht Schluss. Und auch wenn Jan Ullrich erst seinen 50. Geburtstag feierte, kämpft er genau darum: einen Neuanfang, ein neues Leben. Zumindest aber, dass es vollkommen anders verläuft als in den zurückliegenden Jahren.
Jan Ullrich: Aufstieg und Fall eines deutschen Sporthelden
Die Geschichte des gebürtigen Rostockers ist die vom Aufstieg und Fall eines deutschen Sporthelden: riesiges Radsport-Talent, erster deutscher Tour-de-France-Sieger, Alkohol- und Drogenprobleme, Dopinggerüchte, nun ein spätes Dopinggeständnis.
Kurz vor seinem Ehrentag machte Ullrich reinen Tisch. Wohl auch in der Hoffnung, eine zweite Chance zu bekommen - und selbst zur Ruhe zu kommen, wie er es im Interview mit ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt schilderte.
"Ich versuche, keine weiteren Jahre zu verlieren." Jan Ullrich
"Ja, ich habe gedopt": Mit diesem kleinen Satz möchte sich der Toursieger von 1997 nach Jahren in einem Sumpf aus Doping und Drogen und dem beruflichen wie privaten Absturz befreien.
"
Sein Blick gehe nach vorne. Das Ziel aber ist so hoch gesteckt wie ein Tour-de-France-Sieg: Stabilität. Die Wahrheit auszusprechen, war für den Privatmann Ullrich indes sicher ein erster wichtiger Schritt auf dem ungewohnten Terrain.
Rausch und Ruin - ein Held auf Zeit
Jahrelang hatte sich Ullrich nicht dazu durchringen können. Die Fans hatten ihm zugejubelt, ihn verehrt, sie waren beeindruckt, als der junge Deutsche 1996 den zweiten Platz bei seinem Debüt bei der Frankreich-Rundfahrt belegte. Dass er bereits im selben Jahr mit dem Doping begann, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Ein Jahr später gelang "Ulle" der Tour-Sieg - die Geburtsstunde einer Sportikone und Auslöser eines nie gekannten deutschen Radsport-Booms.
Der Fahrt in den Radsport-Olymp folgten Jahre, die von kleineren persönlichen Rückschlägen geprägt waren: Gewichtsprobleme, falsche Freunde, Knieschaden. 2006 dann der Knall: Ullrich wurde von der Tour de France ausgeschlossen. Zwischen 2003 und 2006 wurde er, wie dutzende andere Sportler auch, vom spanischen Sportarzt Eufemiano Fuentes mit Blutdoping behandelt. Was eigentlich alle wussten, ist nun Gewissheit.
Ullrich ist "durchgerasselt in die Tiefe"
Seine früheren Kollegen vom Team Telekom hatten schon längst einer nach dem anderen EPO-Doping zugegeben. Weggefährten wie Rolf Aldag und Erik Zabel fassten später, in anderer Funktion, wieder Fuß im Radsport. Doch Ullrich schwieg. Und schlitterte ins Verderben.
Der Mann aus Mecklenburg räumte bestenfalls Verfehlungen ein, zog aber keinen Schlussstrich. "
"Man kann tatsächlich noch diesen inneren Schmerz fühlen." Jan Ullrich
Er könne "den inneren Schmerz" noch immer fühlen, der damals an seiner Substanz genagt habe. "
Die Drogen- und Alkoholexzesse, die Abstürze, sie brachten Ullrich dem Tod mehrfach gefährlich nahe.
Weg frei für eine bessere Zukunft?
Viel zu lange hat er die Lebenslüge mit sich herumgeschleppt, weiß er heute. "Mit dem Geständnis - wem hätte ich denn damit geholfen? Ich habe den Radsport zu sehr geliebt, um ihn irgendwie zu schädigen", erklärt Ullrich. Auch hätten ihm seine Anwälte geraten, stillzuhalten. Diese zwei Aspekte hätten ihn dazu gebracht, nichts zu sagen. Bis zum November dieses Jahres.
Nun ist Ullrich 50. Die großen Erfolge liegen rund ein Vierteljahrhundert zurück. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er die Last des Betrugs auf seinen Schultern getragen. Die Zukunft, sie könnte leichter werden. Seinen größten Wunsch aber wird ihm auch zu seinem runden Geburtstag niemand erfüllen: "Ich wäre gerne Profi gewesen in einem dopingfreien Radsport, weil ich glaube, dann hätte sich mein Talent durchgesetzt. Ich hätte gern die Tour de France auch dopingfrei für Deutschland gewonnen."
Ullrich möchte zurück in den Radsport
Abhaken kann und will Ullrich den Radsport auch mit 50 Jahren nicht. Im Gegenteil. Er möchte sich "einbringen.
Ob er die einbringen darf? In den vergangenen Tagen hat er versucht, sich selbst eine Brücke zu bauen. Ohne aber die tiefliegenden Strukturen des Dopingsystems zu enthüllen. Wohl auch, weil er wieder zum Radsport dazugehören will. Er ist sein Leben. Und er steht für eine Welt, in der er klarkommt.
Mit 50 will Ullrich nach vorn schauen, nicht zurück. Er behält den Tour-Sieg, die Aberkennung ist wegen Verjährung nicht mehr möglich. Damit ist er im Reinen: "Ich weiß, was ich geleistet habe. Und ich weiß, wie es damals abgelaufen ist. Unter diesen Verhältnissen fühle ich mich als Tour-de-France-Sieger", sagt er. Doch das Doping, das lange Zögern, die Abstürze: Er bleibt auch eine tragische Figur - und seine berufliche Zukunft ungewiss.