Hamburg Towers gegen Tel Aviv - Hochrisiko-Spiel mit emotionalem Charakter
Die Hamburg Towers haben auch ihre vierte Eurocup-Partie verloren. Gegen Hapoel Tel Aviv war der Basketball-Bundesligist beim 72:111 (42:59) chancenlos. Die Begegnung war wegen der Eskalation im Nahen Osten ein Hochrisiko-Spiel. Das Sportliche geriet daher beinahe zur Nebensache.
Bereits einige Stunden vor dem Tip-Off der Partie stehen diverse Mannschaftswagen der Polizei auf der Zufahrtstraße zur Inselparkhalle am Kurt-Emmerich-Platz. Das Gebiet um die Ausstellungsstätte der Internationalen Gartenschau 2013 gleicht einer Hochsicherheitszone.
Hohe Polizeipräsenz vor der Arena in Wilhelmsburg
Direkt vor der Arena im Stadtteil Wilhelmsburg haben sich vor und neben den Eingängen viele Ordnungskräfte postiert. Sie stehen eng zusammen und haben das Geschehen vor der Halle mit ernsten Mienen im Blick. Eingreifen muss die Polizei aber nicht. Pro-Palästinensische Sympathiebekundungen, wie sie zuletzt trotz eines Verbotes in Hamburg stattgefunden hatten, gibt es nicht. Nur ganz vereinzelt sieht man Menschen mit Palästina-Flagge auf dem Sweatshirt im Umfeld der Halle.
Die Lage ist ruhig und friedlich - aufgrund der riesigen Polizei-Präsenz aber auch unheimlich. Am Einlass ist an diesem Abend Geduld gefragt. Das Sicherheitspersonal der Towers führt bei allen Besuchern Ganzkörperkontrollen durch.
Keine Trommeln, Flaggen und Banner
Taschen und Rucksäcke dürfen nicht mit in die Halle genommen werden. Auch das Mitführen von Trommeln, Flaggen und Bannern ist untersagt. Und natürlich von Pyrotechnik.
Beim bis dato letzten Aufeinandertreffen beider Clubs im vergangenen Dezember hatten Hapoel-Anhänger unter dem Hallendach bengalische Feuer gezündet und damit die Sicherheit der Besucher gefährdet. Das soll diesmal unbedingt verhindert werden. "Bitte, bitte, bitte unterlasst das Abbrennen von Pyrotechnik", mahnt Hallensprecher Akif Aydin die Gäste-Fans eine Dreiviertelstunde vor Beginn. An der Anzeigetafel leuchtet daraufhin in hebräischer Sprache der Hinweis auf, dass die Halle im Falle des Abbrennens von Pyro sofort geräumt wird.
"Wir vertreten nicht Israel, wir repräsentieren Hapoel." Credo der Hapoel-Fans
Die Anhänger des israelischen Clubs halten sich an die Hausordnung. Die meisten von ihnen gehören zu den Ultras Hapoel. Sie gelten als die einzige linke Unterstützergruppe in Israel. Das Credo der Gruppierung: "Wir vertreten nicht Israel, wir repräsentieren Hapoel." Sie stehen, so erzählen es die nach Hamburg mitgereisten Fans, für die Koexistenz und gegen die rassistische und diskriminierende Haltung des Staates gegenüber ihren arabischen Mitmenschen. Die ultrarechte Regierung Israels lehnen die Ultras ab.
Dass kein einziger Schal oder ein anderes Utensil mit dem Davidstern im Block von Hapoel zu sehen ist, verdeutlicht die Abneigung dieser Fangruppierung gegen die Herrschenden in ihrem vom Hamas-Terror schwer getroffenen Land. Zumindest äußerlich zeigen sich die Hapoel-Anhänger an diesem Abend unbeeindruckt von den schrecklichen Ereignissen in ihrer Heimat.
Lautstarke Unterstützung für Tel Aviv
Als ihr Team um 19.06 Uhr das Parkett betritt und sich in der Mitte des Feldes zum Mannschaftskreis aufstellt, beginnen die Fans sofort lautstark zu singen. "Olé, olé, Hapoel olé", hallt es ab nun in Dauerschleife durch die Halle.
Der Lautstärke der Gäste-Fans haben die Towers-Anhänger nicht viel entgegenzusetzen. Und überhaupt sind die Ränge in der Inselparkhalle bei Spielbeginn noch recht spärlich besetzt. Mit fortwährender Dauer finden sich zwar noch einige Zuschauer ein. Am Ende sind es aber lediglich 1.078 Schaulustige, die das von Anfang an recht einseitige Duell live vor Ort verfolgen. Darunter rund 100 St.-Pauli-Anhänger, beide Clubs verbindet eine Fanfreundschaft.
"Wenn man mitbekommt, dass Menschen von Hapoel, die eine Karte gekauft hatten, nun tot sind, dann bestürzt einen das natürlich. Und man schämt sich dann dafür, um was man sich selbst sorgt", sagte Towers-Geschäftsführer Marvin Willoughby nach der Begegnung. Die Spieler aus Tel Aviv hatten sich die Namen von Fans, die bei den Hamas-Angriffen ums Leben gekommen waren, auf ihre Schuhe geschrieben.
Viele Fans offenbar von Sicherheitsvorkehrungen abgeschreckt
Mehr als 2.000 Tickets hatten die Towers im Vorverkauf abgesetzt, viele der Kartenkäufer aus Hamburg waren aber offensichtlich abgeschreckt von den angekündigten Sicherheitsmaßnahmen. Oder sie hatten schlichtweg Angst vor Ausschreitungen oder anderen Vorkommnissen. Die Tageskasse war aus Sicherheitsgründen erst gar nicht geöffnet worden.
Doch es bleibt alles ruhig - mit Ausnahme der Hapoel-Fans. Sie singen und tanzen - teilweise mit nackten Oberkörpern - 40 Minuten lautstark vor sich hin und halten dabei Schals von ihrem Club in die Luft. Für ein Basketball-Spiel lang konnten sie vielleicht nicht vergessen, was gerade in ihrer Heimat passiert. Aber wohl zumindest etwas verdrängen.
Abwechslung von einem von Ängsten geprägten Alltag
Nach der Schlusssirene ist für sie jedoch vor der Rückreise. Und damit vor der Rückreise ins Ungewisse. In ein Land, das wohl so schnell nicht wieder zur Ruhe kommen wird und in dem auch viele Menschen aus dem Umfeld von Hapoel durch den Hamas-Terror ihr Leben verloren haben.
"Es sind schmerzvolle Tage. Ich hoffe, wir konnten den Menschen, die uns hierhin begleitet haben und den Menschen zu Hause für 40 Minuten Freude bereiten", sagte Tel Avivs Coach Danny Franco. 40 Minuten Abwechslung von einem von Ängsten geprägten Alltag. Und dieser Alltag hatte zumindest die rund 100 nach Hamburg mitgereisten israelischen Fans nach dem Verlassen der Halle schnell wieder. Denn dort standen diverse Einsatzkräfte der Polizei vor dem weißen unscheinbaren Reisebus, der sie zurück in ihr Hotel brachte.