Paul Schockemöhle © IMAGO / Nordphoto

Erfolgsreiter und streitbarer Macher - Paul Schockemöhle wird 80

Stand: 20.03.2025 11:45 Uhr

Er ist noch immer einer der einflussreichsten Männer im Pferdesport: Paul Schockemöhle. Am Sonnabend feiert der millionenschwere Händler, Züchter und Unternehmer seinen 80. Geburtstag.

An einem lauen Sommerabend im August 2009 zieht ein niederländischer Rapphengst im königlichen Schlosspark in Windsor über 3.000 Menschen in seinen Bann. Unter Flutlicht trabt und piaffiert der pechschwarz glänzende Totilas in Perfektion, bricht Weltrekorde und begeistert die Zuschauer mit seinen Lektionen. Auch einen grauhaarigen, hageren Mann aus Deutschland, der versonnen lächelnd am Rande des Dressurvierecks steht. Es ist der Moment, in dem sich Paul Schockemöhle in das Wunderpferd "verliebte". Ein gutes Jahr später steht Totilas in Schockemöhles Stall.

Millionen für Dressurpferd Totilas

Paul Schockemöhle liebt Pferde. Und wenn sie ihm Geld einbringen, noch ein bisschen mehr. So wie Totilas, den er 2010 für geschätzte, aber nie bestätigte 10 Millionen Euro kauft. Der Unternehmer aus dem niedersächsischen Mühlen veräußert zwar die Sport-, behält aber selber die Zuchtrechte an dem Hengst. Bei Decktaxen von anfangs 8.000 Euro ein am Ende lohnendes Geschäft.

Persönlichkeit des Reitsports

Mit Geschäften kennt sich der am 22. März 1945 geborene Sohn eines Landwirts aus. Schon als Jugendlicher gründet er einen Geflügel-Handel, ist mit 17 Jahren der größte Eierproduzent Europas. Er investiert in Immobilien, später in seine Spedition und natürlich in Pferde. Als einer der größten Händler und Züchter der Welt hat sein Wort Gewicht, sein Einfluss ist enorm: Paul Schockemöhle zählt mehr als 35 Jahre nach Ende seiner Karriere als Springreiter noch immer zu den wichtigsten Persönlichkeiten des deutschen Reitsports. Oder wie der Bundestrainer der deutschen Springreiter Otto Becker sagt: "Er hat eine Ära geprägt."

Dreimal in Folge Europameister

Paul Schockemöhle 1988 auf seinem Pferd Deister © picture-alliance / dpa
Legendäres Duo: Paul Schockemöhle 1988 mit Deister.

Den Grundstein für seine Karriere legte Schockemöhle als Springreiter. Dreimal in Folge wurde er von 1981 bis 1985 Europameister - immer mit dem Hannoveraner Wallach Deister. Eine bis heute unerreichte Serie. Dreimal gewann er den Großen Preis von Aachen, sechsmal wurde er deutscher Meister, bei Olympia 1976 und 1984 holte er im Team Silber und Bronze. Olympisches Gold im Einzel, das sein acht Jahre älterer Bruder Alwin 1976 in Montreal einheimste, blieb ihm verwehrt.

Im Rückblick sind ihm einige Momente besonders wichtig. "Als ich mit Deister in München erstmals Europameister wurde. Großartig." Oder 1988, als eine junge deutsche Equipe um Franke Sloothaak und Ludger Beerbaum in Seoul olympisches Gold gewann. "Das waren meine Jungs. Die haben wochenlang bei mir in Mühlen trainiert", sagt Schockemöhle. Etliche Top-Reiter wie Eddie Macken, Otto Becker oder Meredith Michaels-Beerbaum gingen bei ihm in die Lehre.

Als Diplomat nie getaugt

Seine sportliche Karriere musste Schockemöhle 1989 nach einem Sturz beenden. Schon zu jener Zeit war er ein wohlhabender Mann, was auch zu Problemen mit dem Finanzamt führte. Schockemöhle war Ende der 1990er-Jahre einer der prominentesten Steuersünder, setzte sich zwischenzeitlich sogar ab, um der Strafverfolgung zu entgehen.

Paul Schockemöhle in seinem Stall (1991) © picture-alliance / dpa
Polarisiert: Paul Schockemöhle, hier 1991.

Ein weiterer Tiefpunkt war die so genannte Barr-Affäre, die ihm um 1990 herum große Probleme bereitete. Auf Schockemöhles Anlage in Mühlen bei Steinfeld waren junge Pferde mit Stangen geschlagen worden, damit sie höher springen. Nach entsprechenden Medienenthüllungen trat Schockemöhle als Anwalt des "Barrens" auf. Bis heute ist diese Praxis für ihn keine Tierquälerei sondern Teil des Geschäfts.

Auch mit dem Verband in Warendorf, der ihn in den 1990er-Jahren nach der Barr-Affäre zu einer Geldstrafe verurteilte, hatte er oft Zoff. "Ich ecke an", weiß Schockemöhle. Als Diplomat hat er nie getaugt, ist deshalb wohl auch nie Funktionär geworden.

Gestüte in Mühlen und Lewitz

Schockemöhle hat sich trotzdem einen Namen gemacht als Züchter, Pferdekenner, Veranstalter und Vermarkter. Er ist Multi-Millionär, der seinen Reichtum aber nicht zur Schau stellt. Auch heute noch trägt er lieber Rollkragenpullover statt Anzüge. Auf seinen Gestüten in Mühlen (Niedersachsen) und Lewitz (Mecklenburg-Vorpommern) hat der "kleine Bauer aus Südoldenburg" circa 7.000 Vierbeiner unter seinen Fittichen.

Doch der "Rentner im Unruhestand", wie ihn sein Freund und Reitsport-Veranstalter Ullrich Kasselmann einmal nannte, lässt es mittlerweile ruhiger angehen. Eine Reihe von Beteiligungen hat er inzwischen verkauft. Die Olympischen Spiele in Paris erlebte er nach Jahrzehnten als Reiter oder Trainer anderer Nationen erstmals als Tourist. Er habe in seinem Alter keine Lust mehr, auf dem Abreiteplatz Stangen aufzuheben. "Irgendwann ist halt auch mal Schluss."

Geburtstag in Schockemöhle-Manier

Seinen runden Geburtstag feiert Schockemöhle wie immer in den vergangenen Jahren fernab der niedersächsischen Heimat. Keine große Feier, kein Trubel. Ohnehin sind ihm Geburtstage nicht sonderlich wichtig: "Das ist ja grundsätzlich keine Errungenschaft. Ich habe Glück gehabt, so alt zu werden", sagte er schon zu seinem 75. Mit Ehefrau Bettina fliegt er nach Florida, besucht dort Reiturniere, trifft Kunden, sichtet Pferde. Wie sollte es anders sein.

Paul Schockemöhle (l.) mit Dressur-"Wunderpferd" Totilas und Matthias Alexander Rath © IMAGO / M&K
Paul Schockemöhle (l.) mit Dressur-"Wunderpferd" Totilas und Matthias Alexander Rath.

Und vielleicht sieht er im Sunshine State ja einen neuen Totilas. Nach dem Kauf 2010 ging es mit dem Hengst sportlich bergab. Unter seinem neuen Reiter Matthias Alexander Rath blieben die Erfolge aus. Der erhoffte Start bei den Olympischen Spielen in London 2012 platzte.

Die Tierschutzorganisation Peta erhob Vorwürfe wie isolierte Haltung, Training mit der umstrittenen Rollkur und zu wenig Weidestunden und stellte Strafanzeige gegen die Halter und den Reiter des Dressurpferdes wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelte, ließ die Anklagen jedoch 2013 fallen.

Nach einer erneuten Verletzung endete im August 2015 die sportliche Karriere des Hengstes. Fünf Jahre später starb Totilas an den Folgen einer Kolik. Für Paul Schockemöhle bleibt er aber "der interessanteste Dressurhengst der Welt", in den er sich vor über 15 Jahren im königlichen Schlosspark verliebte.

Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 21.03.2025 | 10:17 Uhr

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