Michael Westphal: Ein Schattendasein
Dem Pinneberger Michael Westphal blieb die ganz große Tennis-Karriere verwehrt. Ein Davis-Cup-Spiel machte ihn 1985 berühmt. Am 19. Juni 1991 starb er an Aids.
Ein Tennisball tanzt in Zeitlupe auf der Netzkante: Auf welche Seite wird er fallen? Wie entscheidet sich das Schicksal? Alle Optionen hängen für den Bruchteil einer Sekunde in der Schwebe. So beginnt der Kinofilm "Matchpoint" von Woody Allen. Für den deutschen Tennisprofi Michael Westphal fiel der Ball nur selten auf die richtige Seite - der am 19. Februar 1965 geborene Pinneberger wurde nur 26 Jahre alt. Die Geschichte eines viel zu kurzen Sportlerlebens.
Mit 15 Jahren Junioren-Europameister
Michael Westphal beginnt erst spät mit dem Tennissport: Im Alter von neun Jahren fängt er bei Klipper Hamburg an. Der Club spielt in der erst 1972 gegründeten Tennis-Bundesliga und hat jetzt mit Westphal eines der größten deutschen Tennis-Talente in seinen Reihen: 1980 wird der Teenager Junioren-Europameister, ein Jahr später gewinnt er das Challenger-Turnier von Travemünde. Nach der Mittleren Reife verlässt Westphal die Schule und entscheidet sich für die Profi-Tour. Um Erfahrungen zu sammeln, reist er von Turnier zu Turnier. Außerdem wechselt er seinen Verein und spielt für den mehrfachen deutschen Meister Blau Weiss Neuss. 1983 ist der Schleswig-Holsteiner die Nummer eins der deutschen Herren-Rangliste.
Becker-Boom als Karriereknick
Es läuft weiter ganz ordentlich: In Livingston (1984) und Kitzbühel (1985) erreicht der Youngster die Endspiele, in München und Toulouse (beides 1984) jeweils das Halbfinale. Respektable Ergebnisse für einen Jungprofi aus einem Land, das zu der Zeit nicht gerade mit Tennisgrößen gesegnet ist. "Die Deutschen wollen endlich einen Weltklassespieler. Ich will ihnen den Gefallen tun", hatte der Pinneberger als 18-Jähriger selbstbewusst erklärt. Das Schicksal schlägt jedoch erbarmungslos zu und lässt erstmals den Ball auf die falsche Seite des Netzes fallen: Am 7. Juli 1985 gewinnt ein 17 Jahre alter ungesetzter Spieler als erster Deutscher und als jüngster Sieger das bedeutendste Tennisturnier der Welt in Wimbledon: Boris Becker stürmt den deutschen Tennisthron, entfacht einen Boom in Deutschland und erstickt mit seiner Popularität förmlich alle anderen deutschen Spieler. Auch Westphal wird in den Schatten gedrängt.
- Teil 1: Erfolge vor dem Becker-Boom
- Teil 2: Das Spiel seines Lebens
- Teil 3: Aids-Erkrankung und Tod