Franka Dietzsch - Herrin der Ringe
Helsinki wurde nicht einfach nur "zufriedenstellend". Der Regen-Wettkampf im WM-Finale endete mit einer eindrucksvollen Wiederauferstehung und einem der erstaunlichsten Titelgewinne überhaupt: Gold für Dietzsch, wiederum mit gut zwei Metern Vorsprung, diesmal vor der favorisierten Natalja Sadowa. Haftspray für die Hände, passend besohlte Schuhe für den nassen Ring und geradezu strotzende Fitness taten ihr Übriges. Und dies: Dietzsch hatte bei "Mental-Coach" Professor Willi Neumann von der Fachhochschule Neubrandenburg ihre Konzentrationsfähigkeit entscheidend geschult. "Als ihr Trainer ihr riet, bewusst einen alten Fehler zu machen, nämlich den Diskus flach - eigentlich zu flach - in den starken Wind zu werfen, war das eine einfache Übung für sie", notierte damals die "FAZ". Ein Jahr darauf galt die deutsche Rekordmeisterin folgerichtig als Top-Favoritin für EM-Gold in Göteborg. "Nur" Silber (hinter der jungen und später ebenfalls des Dopings überführten Russin Darja Pischtschalnikowa) wurde es in Schwedens Hafenmetropole, und die Bilder einer enttäuscht die deutsche Fahne schwingenden Franka Dietzsch sind unvergessen. Der Sieg beim Weltcup 2006 gab ihr Genugtuung.
Historisches Gold und ein verpasster Abgang
Dietzsch blieb sportlich ruhelos. Nationale Konkurrenz war (noch) nicht in Sicht - auch ein Grund, weiterzumachen. Zumal der nächste Höhepunkt nicht weit entfernt war: die WM 2007 in Osaka. Eine Reise nach Fernost, 16 Jahre nach Dietzsch' erster WM-Teilnahme 1991 in Tokio, ihre neunte WM insgesamt. Der Ausgang ist bekannt: WM-Gold Nummer drei - mit 66,61 m schon im ersten Versuch. Dietzsch jubelte, Leichtathletik-Deutschland feierte. Was erst danach bekannt wurde: Die Titelverteidigerin litt unter heftigen Achillessehnenbeschwerden. "Ich bin mit dem Rad zum Trainingsplatz gefahren und habe nur aus dem Stand werfen können", gestand die 39-Jährige, die daraufhin zum "Champion des Jahres" gewählt wurde und bei der Abstimmung zu Deutschlands "Sportlerin des Jahres 2007" Rang zwei belegte. Es war - und blieb - Dietzsch' letzter Karriere-Höhepunkt. Lebensbedrohlich hoher Blutdruck verhinderte 2008 ihren Start bei den Olympischen Spielen in Peking. Und ihren letzten WM-Auftritt 2009 in Berlin hatten sich die Diskus-Ikone und ihre zahlreichen Fans sicher anders vorgestellt. Schon lange vor den Titelkämpfen nur noch ein Schatten ihrer selbst, verpasste Dietzsch das Finale. Doch die 41-Jährige trug es mit Fassung: "So ist es halt. Einmal ist Schluss. Ich kann ja nicht noch 20 Jahre Diskus werfen", sagte die Neubrandenburgerin und zog enttäuscht von dannen.
- Teil 1: Aufschwung bei Dieter Kollark in Neubrandenburg
- Teil 2: Vom B-Kader zu weiterem WM-Gold