Rudi Kargus: Der Elfmeter-Töter mit dem Pinsel
Rudi Kargus ging als "Elfmeter-Töter" in die Geschichte der Fußball-Bundesliga ein. Nach seiner Karriere wurde der frühere langjährige HSV-Torwart Künstler und stellt regelmäßig seine Bilder aus.
Wie viele Strafstöße hat Elfmeter-Töter Rudi Kargus in seiner Bundesliga-Karriere abgewehrt? Die Hamburger Torhüter-Legende weiß es selber nicht genau - und es ist ihm auch egal. "23 oder 24 - die Welt bleibt gleich", sagt Kargus heute über seine einsame Bestmarke (die übrigens bei 23 liegt). Von seinem ersten Leben zwischen den Pfosten ist der gebürtige Wormser, der in Quickborn vor den Toren Hamburgs lebt, meilenweit entfernt. Kargus malt seit vielen Jahren expressionistische Bilder, die er regelmäßig ausstellt.
Im Schatten von Sepp Maier
In 408 Bundesliga-Spielen stand Rudolf "Rudi" Kargus zwischen den Pfosten, 254 Mal für den Hamburger SV, mit dem er 1976 Pokalsieger wurde, 1977 den Europapokal der Pokalsieger gewann und 1979 die Meisterschale an die Elbe holte. Kargus gehörte damals zu den besten Torhütern Deutschlands und bestritt auch drei Länderspiele. Doch er hatte das Pech, dass sein Vorbild Sepp Maier damals die unumstrittene Nummer eins war. Kargus fuhr mit zur Europameisterschaft 1976 und zur Weltmeisterschaft 1978, kam aber nicht zum Einsatz.
Arbeitslosengeld und drei Abstiege
Als Branko Zebec schließlich auf die Verpflichtung eines neuen Torwarts beim HSV drängte, musste Kargus 1980 gehen. Als einer der ersten Fußballer in Deutschland lebte er damals eine Zeit lang von Arbeitslosengeld. Es folgte ein Abschied auf Raten: Mit dem 1. FC Nürnberg (1980 -1984), dem Karlsruher SC (1984 -1986) und Fortuna Düsseldorf (1986/1987) stieg der Torhüter jeweils aus der Bundesliga ab. Beim HSV wäre ihm das definitiv nicht passiert.
Seine Karriere ausklingen ließ er schließlich beim 1. FC Köln (1987-1990), für den er in der Bundesliga aber nicht mehr zum Einsatz kam. Nach seiner Karriere machte Kargus seine Trainerlizenz an der Sporthochschule in Köln, er schloss als Lehrgangsbester ab. Ein paar Jahre wirkte er dann noch als Nachwuchstrainer beim HSV, nach mehreren Hüftoperationen verlangte sein Körper jedoch mehr und mehr nach Ruhe.
Vom spanischen Maler inspiriert
Seine künstlerische Ader entdeckte der Mann, der nach eigener Aussage keine Glühbirne wechseln und gelegentlich auch nicht mal die Motorhaube seines Autos öffnen kann, Mitte der 1990er Jahre, nachdem ein spanischer Maler ihn im Urlaub auf Fuerteventura inspiriert hatte. Kargus studierte das Werk des gegenständlichen Malers Francis Bacon und ging beim Neoexpressionisten Markus Lüpertz in die Lehre. Seit 2005 stellt er seine Bilder aus. In der Vita auf seiner Website hat der Künstler nur noch einen dürren Eintrag zu seiner Fußballer-Karriere stehen: "1971-1989 - Profifußballspieler beim Hamburger SV und anderen Vereinen".
Eine Karriere in Bildern
Die Scheinwelt Profifußball ("Überkommerzialisierung", "Ballyhoo") hat Kargus kritisiert, je mehr Distanz er zu ihr gewann. Er habe seinen Traumberuf genossen, aber es sei ein bisschen wie in einer Plastikwelt, in der man vieles gar nicht mitkriege, sagte er einmal. Gleichwohl hat Kargus die "geistigen Ablagerungen" seiner langen Bundesliga-Karriere an der Staffelei aufgearbeitet, mal düster-melancholisch, mal farbenfroh.
In seiner Fußball-Serie sind Werke mit vielsagenden, aber auch mit simplen Titeln. "Schattenallee" heißt eines seiner Bilder über Erinnerungen an sein Sportlerleben, Auch Lew Jaschin ist Gegenstand seiner Kunst. Der legendäre russische Torhüter soll in seiner Karriere 150 Elfmeter-Duelle gewonnen haben.
Kargus und die Handschuh-Macke
Ein spezieller Typ war Kargus immer. Ehrgeizig und sensibel, wenn es um seine Leistung ging, entschlossen, wenn er seine Meinung vertrat. Er war einer der Wortführer beim Spieleraufstand 1984 gegen Trainer Heinz Höher in Nürnberg, als Quittung bekam er seine Entlassungspapiere. Und wie jeder vernünftige Torwart hatte Kargus natürlich auch eine Macke: Die Wahl seiner Handschuhe glich einer Zeremonie, zu jedem Spiel nahm er fünf Paar mit auf den Platz. In die Handschuhe, die er schließlich auswählte, spuckte er jedes Mal erst hinein, bevor er sie anzog. Heute möchte Kargus nicht mehr so viel über den Fußball sprechen. "Die Leute sollen wegen meiner Bilder in die Ausstellungen kommen", sagt er, "und nicht, weil ich früher Fußball-Profi war."