Rolf Danneberg - Spätzünder mit der Wurfscheibe
Markenzeichen Hornbrille und Eigenwille: Rolf Danneberg fiel auf, nicht nur aufgrund seiner sportlichen Erfolge. Der Pinneberger erfüllte sich 1984 seinen großen Traum. In Los Angeles gewann der Diskuswerfer olympisches Gold.
Los Angeles, 10. August 1984, ein goldener Freitag für die deutschen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in der kalifornischen Metropole: Fünf Entscheidungen stehen an, darunter die im Diskuswerfen der Männer. Rolf Danneberg von der LG Wedel-Pinneberg heißt am Ende der Überraschungssieger. Der damals 31-Jährige holt das erste Olympia-Gold eines deutschen Diskuswerfers. 66,60 Meter stehen auf der Ergebnistafel, 30 Zentimeter mehr als der ehemalige US-Weltrekordler und Montreal-Olympiasieger Mac Wilkins und 1,14 Meter mehr als dessen Landsmann und Rekordvorgänger John Powell. Dass es die schwächste Sieger-Weite seit den Spielen 1972 in München ist, ficht niemanden an. Der Ostblock boykottiert L.A. als Antwort auf den Boykott der Spiele in Moskau vier Jahre zuvor durch die Amerikaner und viele ihrer westlichen Verbündeten.
Mehr Spannweite als "Albatros" Groß
Den Mann mit der markanten Hornbrille einen Spätzünder zu nennen, ist nicht unangemessen. Die Olympia-Saison ist bereits das 14. Jahr seiner Sportler-Karriere, an deren Anfang das Speerwerfen stand. 71,94 Meter weit warf der damals 19-Jährige das 800 Gramm schwere Gerät 1972. Im selben Jahr wird ein gewisser Klaus Wolfermann Olympiasieger in München, Danneberg im Jahr darauf Sechster bei den deutschen Juniorenmeisterschaften. Erst vier Jahre später wird der Diskus sein bevorzugtes und fortan einziges Wurfgerät im Wettkampfsport. Angesichts von 1,98 Metern Körpergröße, 125 Kilogramm Gewicht und einer Spannweite von 214 Zentimetern - vier mehr als Schwimm-"Albatros" Michael Groß - wohl eine weise Entscheidung. Als Sport- und Sozialkundestudent bringt es der Hamburger, der am 1. März 1953 das Licht der Welt erblickt, auf drei Titelgewinne bei den deutschen Hochschulmeisterschaften, 1980 wird er erstmals deutscher Meister, wenn auch in Abwesenheit der damaligen Dauer-Konkurrenten Werner Hartmann (Buchloe) und Alwin Wagner (Mainz). Zum Zeitpunkt der Titelkämpfe ist der westdeutsche Olympia-Boykott bereits beschlossene Sache.
Kampf mit der nationalen Konkurrenz
Acht Jahre wird es dauern, bis Danneberg seiner DM-Titelsammlung einen weiteren hinzufügen kann. Wagner in den Jahren 1981 bis 1985 und Alois Hannecker (Ingolstadt) 1986 und 1987 verhindern Dannebergs nationalen Goldwurf. International triumphiert dagegen der norddeutsche Lehramtsanwärter bei den Spielen von Los Angeles, bei denen Wagner auf Rang sechs landet, und mit Platz vier bei der WM 1987 in Rom. Einen "Sensationssieg" nennt das DLV-Fachblatt "Leichtathletik" den Erfolg im Olympiastadion 1984. Der Sieg eines Außenseiters war es sicherlich. Dabei hatte der Diskus-Riese von der LG Wedel-Pinneberg bei den letzten Wettkämpfen unmittelbar vor Olympia mit mehreren Würfen über 66 Meter ebenso stabile wie hervorragende Form gezeigt. Für Bundestrainer Karlheinz Steinmetz war daher klar, "dass Rolf und Alwin auch ein Wort mitsprechen werden." Zumal Danneberg seine damalige Arbeitslosigkeit nach dem Einser-Examen zu mehr Training als in früheren Jahren zu nutzen wusste.
Nach Gold in L.A. Bronze in Seoul
Umgekehrt bescherte der Erfolg von Los Angeles dem damals 31-Jährigen - wenn auch erst auf entsprechenden öffentlichen Druck hin - eine Stelle im Schuldienst. Eine Entwicklung, die Danneberg selbst schon bald revidierte. "Sport und Beruf lassen sich einfach nicht miteinander vereinbaren", befand der Olympiasieger und ließ sich im Januar 1986 bis zu den Olympischen Spielen 1988 in Seoul beurlauben - was seiner Leistung einen besonderen Schub verlieh: Sieben der zehn besten Weiten seiner Karriere erzielte Danneberg in den Jahren 1987/88, darunter die 67,83 Meter, mit denen er aus Südkorea die Bronzemedaille nach Hause brachte - nur zehn Zentimeter hinter dem später des Dopings überführten Litauers Romas Ubartas und 1,44 Meter hinter Weltrekordler und Rom-Weltmeister Jürgen Schult (Schwerin). Im Jahr darauf erhielt der Hamburger den Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis, den der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) alljährlich als Wanderpreis an einen "würdigen und verdienten Leichtathleten, der in Haltung und Leistung als Vorbild für die Jugend gelten kann", verleiht.
Fragwürdige Parteinahme
Es war wohl Dannebergs zynische Haltung zur Doping-Problematik, deretwegen Kritik an dieser Auszeichnung laut wurde. Er könne - weil es alle machen - nichts Schlechtes an der derzeitigen Praxis finden, hatte Danneberg geäußert. Als sein langjähriger Widersacher Alwin Wagner 1990 die jahrzehntelang geduldete Dopingpraxis auch unter westdeutschen Leichtathleten offenlegte und DLV-Trainer Steinmetz beschuldigte, Dopingmittel verteilt zu haben, sprach Danneberg - neben seinen deutschen Disziplin-Größen Lars Riedel, Jürgen Schult, Wolfgang Schmidt und Alois Hannecker - in einem Brief an den DLV davon, dass sie den Trainer "als Opfer eines unglaublichen Rachefeldzuges eines alternden Athleten" sahen. Beispiele wie die des nachträglich disqualifizierten ungarischen Diskus-Olympiasiegers von 2004, Robert Fazekas, belegen indes die gefährliche Nähe von außergewöhnlicher Leistung und schnödem Betrug auch 20 Jahre nach dem Gold-Wurf des Hamburgers.
Seinem Sport und seiner Leidenschaft ist Rolf Danneberg über die Jahre hinweg treu geblieben. 1994 taucht er noch einmal in der Siegerliste der deutschen Seniorenmeisterschaften auf, als Zweiter der Altersklasse M40 im Diskuswerfen, einmal mehr hinter Alwin Wagner. Ein Jahr zuvor hatte er als Achter bei den deutschen Meisterschaften seine Karriere beendet - der Rücken forderte seinen Tribut.