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HSV-Legende Uli Stein: Rebell, Idol, Lautsprecher

Stand: 24.10.2024 00:01 Uhr

In seiner Fußball-Karriere hat Ulrich "Uli" Stein so manche Schlagzeile produziert - beim HSV, bei Eintracht Frankfurt, in der Nationalmannschaft. Und auch im gehobenen Alter ist er noch lange nicht leise.

von Ines Bellinger und Tobias Knaack

Insbesondere seine große fußballerische Liebe HSV muss sich immer mal wieder verbale Hiebe von Stein gefallen lassen. Ende der vergangenen Spielzeit stellte er das Team seines Herzensvereins für die seiner Meinung nach fehlende Mentalität im Zweitliga-Aufstiegskampf an den Pranger, vor zehn Jahren griff er sich sogar einzelne Spieler des Hamburger Kaders heraus.

Im NDR Interview knöpfte sich der extrovertierte Ex-Keeper seinerzeit Angreifer Pierre-Michel Lasogga sowie Kapitän Rafael van der Vaart mit markigen Worten vor. Lasogga könne nicht Fußball spielen und hätte "bei uns früher wahrscheinlich nur das Ballnetz getragen". Und bei Spielmacher van der Vaart habe man "immer das Gefühl, der HSV spielt Zehn gegen Elf, wenn van der Vaart spielt".

"Ich lebe nicht das Leben für andere Menschen. Ich lebe mein Leben und ich muss mit meinem Leben klarkommen." Uli Stein

Nicht viele dürfen sich derartige Kritik an der Elbe erlauben - Stein schon. Der gebürtige Hamburger spielte zwischen 1980 und 1987 sowie in der Saison 1994/95 für den HSV, erlebte die großen Zeiten des Clubs. Der Torhüter gewann mit den Hanseaten 1983 den Europapokal der Landesmeister, wurde zweimal deutscher Meister (1982 und 1983) und holte den DFB-Pokal (1987) - Erfolge, von denen die Hamburger heute allenfalls träumen.

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Stein hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, er hat es nie getan - und wird das wohl auch nie tun. "Warum soll man sich verbiegen", sagt er im ARD Interview: "Ich lebe nicht das Leben für andere Menschen. Ich lebe mein Leben und ich muss mit meinem Leben klarkommen. Auch mit den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, muss ich klarkommen."

Beim Supercup schlug er Wegmann k.o.

Konsequenzen, die er durchaus zu spüren bekam. Für einen beispiellosen Eklat sorgte Stein mit seinem Faustschlag gegen Jürgen "Kobra" Wegmann im Finale des Supercups 1987. Als der Bayern-Stürmer Stein an jenem Abend des 28. Julis 1987 zum zweiten Mal überwunden hatte, knockte der Keeper ihn kurzerhand aus und kassierte dafür die Rote Karte.

Uli Stein (l.) schlägt dem Münchner Jürgen Wegmann ins Gesicht (Archivbild aus dem Jahr 1987) © imago/Frinke
Stein boxt Bayern-Angreifer Wegmann ins Gesicht.

Beim HSV wurde er danach entlassen. Erklären kann er sich seine Aktion von damals bis heute nicht. "Das sind so Kurzschlusshandlungen, die hat aber jeder schon einmal irgendwie in seinem Leben erlebt, wo man dann hinterher sagt: 'Boah, was hast du denn da gerade gemacht?' Und dir selber nicht erklären kannst, warum du es getan hast."

Ein knappes Jahr später, am 23. Juli1988, sorgte er erneut für Aufregung. Stein, zu der Zeit in Diensten der Frankfurter Eintracht, weigerte sich im Bundesliga-Spiel bei Bayern München, nach dem Gegentor zum 0:1 wieder ins Tor zu gehen - die Folge: Rot. Platzverweis.

Stein, Beckenbauer und der "Suppenkasper"

Legendär und unvergessen ist bis heute aber vor allem die "Suppenkasper-Affäre" bei der Weltmeisterschaft 1986. Weil ihm der Kölner Toni Schumacher, der im Frühjahr 2024 ebenfalls 70 geworden ist, im Tor vorgezogen wurde, betitelte Stein den damaligen Teamchef Franz Beckenbauer beim Mittagessen im mexikanischen Quartier Mansion Galindo in Querétaro im Kollegenkreis als "Suppenkasper". In Anlehnung an einen Werbespot, in dem der "Kaiser" für Fertigsuppen geworben hatte.

Durch die Indiskretion eines Mitspielers landete der Vorfall bei den Oberen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) - und Stein wurde vom damaligen DFB-Präsidenten Hermann Neuberger und auf Initiative von Beckenbauer unverzüglich nach Hause geschickt.

Stein hat indes eine etwas andere Sicht auf die Dinge: "Diese Geschichte hat Franz überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil, der hat darüber gelacht." Die Leute würden "immer noch den Fehler machen und denken, Franz hätte mich nach Hause geschickt. Das war nicht so, Franz hätte mich gerne da behalten." Es sei Neuberger gewesen, der ihn rausgeschmissen habe.

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Deutschland wurde 1990 Weltmeister, Stein nicht

"Ich würde es wieder so machen", hatte Stein bereits vor zehn Jahren erklärt: "Ich war damals fast 32, keiner konnte ahnen, dass ich noch bis 42 spiele. Worauf sollte ich warten?" Stein wollte unbedingt spielen - und sorgte für das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere.

Das auch, weil eine Rückholaktion durch Beckenbauer vor der WM 1990 ("Uli, ich will Weltmeister werden. Da brauche ich die Besten und du bist zur Zeit der Beste! Würdest du nochmal für Deutschland spielen?") am Veto der DFB-Führung scheiterte. Der Rest ist Geschichte: Deutschland wurde Weltmeister, Stein nicht.

"Auch wenn sie nicht schön waren, die Dinge: Ich stehe dazu. Das war meine Art." Uli Stein

Stein sagte, was er dachte, und machte, was er wollte. Schaut er heute darauf, sagt er: "Auch wenn sie nicht schön waren, die Dinge: Ich stehe dazu. Das war meine Art." Er könne es ohnehin nicht ändern und hätte es auch nicht ändern können, erklärt er. "Das war die Art, um nach oben zu kommen. Und sie hat mich da oben erst hingebracht." Und wenn man erst einmal oben sei, "an der Sonne, dann kannst du dich nicht mehr verändern. Dann bleibst du so, wie du bist."

Bis zum Ende seiner Karriere bestritt der sechsmalige Nationalspieler für den HSV, Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld 512 Bundesliga-Spiele. Damit belegt er auch heute noch Platz zehn in der Liste der Rekordspieler. Zudem ist er bis heute der zweitälteste Bundesligaspieler nach Klaus Fichtel. 

Wenn der Anpfiff ertönt, ist Stein "ein anderer Mensch"

Altersmilde? Nicht die Sache von Uli Stein. Seine Emotionalität und den unbändigen Ehrgeiz hat der ehemalige Profi, der kürzlich bei einem Benefizspiel im westfälischen Lippstadt ganz wie in alten Zeiten durchs Tor flog, bis heute nicht verloren. Nicht, als er als Torwarttrainer von Aserbaidschan und Nigeria an der Seite von Berti Vogts arbeitete. Und schon gar nicht als Fußball-Fan.

Der innere Vulkan breche immer wieder aus, wenn der Anpfiff ertönt. "Dann bin ich ein anderer Mensch, ich rege mich über den Schiedsrichter auf, schimpfe. Aber das gehört für mich dazu", hatte der passionierte Golfer bereits anlässlich seines 60. Geburtstags erklärt: "Leider haben wir im Fußball nicht mehr viele solcher Typen, die mit Emotionen dabei sind, die sich für den Verein aufopfern."

Dass er in der Bundesliga keinen Job mehr bekam, bedauert er. Eine Ahnung, warum das der Fall ist, hat er auch. In den Clubs seien "keine Leute gefragt, die eine eigene Meinung haben. Die werden nicht gesucht". Stein vermisst echte Kerle. Kerle wie ihn.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 23.10.2024 | 09:17 Uhr

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