Fritz Thiedemann - Reitsport-Ikone aus Holstein
In den 1950er-Jahren hat Springreiter Fritz Thiedemann Sieg an Sieg gereiht. Mit seinem Holsteiner Meteor bildete der Sohn eines Landwirts aus Heide ein legendäres Duo.
Sie haben gemeinsam Reitsportgeschichte geschrieben: Ein kongeniales Duo bestehend aus einem bodenständigen Bauernsohn und einem Muskelprotz von Pferd. Mit dieser Beschreibung wird man Fritz Thiedemann und seinem Holsteiner Wallach Meteor wohl am ehesten gerecht. Der Springreiter aus Schleswig-Holstein und "der Dicke", wie Meteor aufgrund seines für ein Springpferd eher untypischen, kräftigen Wuchses genannt wurde, bildeten in den 1950er-Jahren ein legendäres Team. Olympia-Bronze in Helsinki 1952, Mannschafts-Gold in Stockholm 1956 und Rom 1960, Europameister 1958 in Aachen sowie zahlreiche weitere Erfolge feierten Thiedemann und Meteor gemeinsam. Von 1948 an bis zu ihrem letzten gemeinsamen Ritt am 1. Juli 1961, als das Erfolgsduo den Preis der Nationen beim CHIO in Aachen gewann, heimsten beide zusammen die für damalige Verhältnisse unvorstellbare Summe von 177.112 D-Mark als Siegprämien ein. Obwohl Thiedemann auch mit anderen Pferden wie Loretto, Diamant, Finale oder Retina erfolgreich war, bleibt sein Name doch untrennbar mit "dem Dicken" verbunden.
Dem am 3. März 1918 in Weddinghusen bei Heide geborenen Thiedemann schwebte in jungen Jahren eigentlich eine andere Karriere vor. Er wollte Tierarzt werden, doch der Bauernfamilie aus Dithmarschen fehlte das Geld, um dem jüngsten ihrer neun Kinder das Studium zu finanzieren. Er machte eine landwirtschaftliche Ausbildung. Im Sattel fand sich "Fritze", wie er gerufen wurde, bereits mit fünf Jahren wieder. Er ritt die Pferde seines Vaters. Mit zehn gab er sein Turnier-Debüt, sieben Jahre später nahm ihn der berühmte Ausbilder Major Felix Bürkner in Berlin-Zehlendorf unter seine Fittiche - vor allem in der Dressur. In der Kavallerie-Schule Hannover, die später nach Potsdam-Krampnitz verlegt wurde, erhielt Thiedemann den letzten Schliff.
Bei Olympia 1952 in die Geschichtsbücher geritten
Vor allem die Dressur-Ausbildung sollte dem Holsteiner einen Eintrag in die Geschichtsbücher sichern. Bei den Olympischen Spielen in Helsinki 1952 brachte Thiedemann das Kunststück fertig, im Einzelspringen mit Meteor und in der Dressur auf Chronist eine Medaille zu gewinnen. Das hat nach ihm kein Reiter mehr geschafft. Thiedemanns Erfolge trugen dazu bei, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg über den Sport international wieder zu Ansehen kam. 1954 gewann er als erster Deutscher in London vor 40.000 Zuschauern den King-George-Cup und bekam den Pokal von der Queen überreicht. Dass ihm dieser sogleich wieder von einem energischen englischen Wachmann abgenommen wurde, ist nur eine kleine Anekdote seiner langen Laufbahn.
Ein Holsteiner Junge, der am liebsten "Plattdütsch" sprach
Ebenso wie die Tatsache, dass sich unter seinen rund 500 Siegen kein deutscher Meistertitel befindet. "Tja, aber in Holstein war ich der Beste", sagte er in einem Interview mit der "Welt" 1998 dazu. Ein Spaß, aber für ihn deshalb keineswegs unbedeutend: "Ich habe nie vergessen, wo ich hergekommen bin und dass wir alle ohne Hemd geboren sind." Seine Popularität erreichte 1958 mit der Wahl zum "Sportler des Jahres" ihren Höhepunkt. Seither wurde kein Reiter mehr mit dieser Auszeichnung bedacht. Trotzdem blieb Thiedemann immer der Holsteiner Junge, der am liebsten "Plattdütsch" sprach. Nach seinem Rücktritt von der aktiven Karriere 1961 war der dreifache Familienvater auch als Unternehmer erfolgreich. Dem Reitsport blieb der Schleswig-Holsteiner aber stets verbunden, sei es als Wettkampfrichter, Parcourbauer oder in der Holsteiner-Zucht in Elmshorn. Am 8. Januar 2000 starb Thiedemann im Alter von 81 Jahren - zu Hause in Weddinghusen bei Heide.