Uli Borowka © IMAGO / Sämmer

"Eisenfuß" Uli Borowka: Beinhart durchs Leben gekämpft

Stand: 19.05.2022 22:05 Uhr

Uli Borowka war als Verteidiger ein knallharter Fußball-Profi, der mit Werder Bremen große Erfolge feierte. Den wichtigsten Zweikampf seines Lebens gewann er aber abseits des Rasens, gegen sich selbst und seine Alkoholsucht. Seit knapp 22 Jahren ist der 60-Jährige trocken.

von Hanno Bode

An sein Debüt in Deutschlands höchster Spielklasse erinnert sich Olaf Thon mit Schrecken zurück. "Mein erster Gegenspieler in der Bundesliga war Borowka. Er empfing mich mit den Worten: 'Ich brech dir gleich die Beine'", erzählte der Weltmeister von 1990 einst dem Nachrichtenmagazin "Focus". Letztlich überstand er jene Partie der "Knappen" am 24. August 1984 gegen die Gladbacher Borussen (1:3) verletzungsfrei.

Denn der Mann, der ihm einen Krankenhaus-Aufenthalt "versprochen" hatte, war kein blindwütiger Treter. Der Duden würde für einen wie Ulrich "Uli" Borowka den Begriff "kompromisslos" bereithalten. Der Fußball aber hat seine eigene Sprache. Und so wurde der bullige Defensivspezialist kurzerhand "Eisenfuß" getauft. Borowka selbst mochte lieber den etwas martialischeren Spitznamen "die Axt". Getreu dem Motto: "Besser einen schlechten Ruf, als gar keinen", pflegte der langjährige Profi von Werder Bremen sein Image als "Klopper der Nation" geradezu hingebungsvoll.

So unverwundbar und stark er sich aber in der Öffentlichkeit gab, so zerbrechlich und zuweilen hilflos war der Privatmensch Borowka. Auf dem Rasen verlor der Verteidiger kaum einen Zweikampf, im Leben blieb er häufig nur zweiter Sieger. Dies ist die Geschichte eines Mannes, der steil aufstieg, ebenso steil abstürzte, sich am Ende aber wieder fing.

Steiniger Weg zum ersten Profivertrag

Borowka ist nicht viel geschenkt worden in seinem Leben. Er hat unendlich viel investieren müssen, um sich Zutritt zum elitären Kreis derer zu verschaffen, für die der Fußball nicht nur ein Spiel, sondern ein fürstlich entlohnter Beruf ist. Borowka, der am 19. Mai 1962 im sauerländischen Menden das Licht der Welt erblickt, bekommt nur wenig Talent in die Wiege gelegt. Wenn er mit den Jungs aus der Nachbarschaft kickt, ist der Blondschopf nur selten der Beste. Aber schon damals stets ein Vorbild an Einsatz.

Uli Borowka (l.) im Trikot von Borussia Mönchengladbach. Archivbild aus dem Jahr 1987 © picture-alliance
Uli Borowka (l.) begann bei Gladbach seine Profilaufbahn.

Borowka arbeitet wie ein Besessener an seinen Defiziten. Sein Wille unterscheidet ihn von weitaus talentierteren Spielern seines Jahrgangs. Das Jugendinternat eines Proficlubs sieht er dennoch nie von innen. Seine Stationen heißen Hemer 08, Oese 49, Kalthof und Wanne-Eickel, bevor er 1980 von Borussia Mönchengladbach verpflichtet wird. Allerdings nicht für den Lizenzspielkader. Borowka soll für die Amateure verteidigen. Der gelernte Maschinenschlosser macht seinen Job so gut, dass er zwölf Monate später seinen ersten Profivertrag bekommt.

Wechsel vom Bökelberg ins Weserstadion

Gladbach ist damals noch eine vorzügliche Adresse im deutschen Fußball. Das Team spielt gut und erfolgreich. Borowka erkämpft sich im Ensemble der Edeltechniker einen Platz. Es gelingt ihm, weil er mehr Freude an Grätschen und Kopfbällen denn an Hackentricks hat. So ein Mann fürs Grobe hat der Borussia gefehlt. Ab und an trifft er sogar das Tor. Oft aus der Distanz und häufig mit Gewalt. Dann erklingt ein langgezogenes "Uuliii" aus der Fankurve. Die Fans haben den beinharten Verteidiger in ihr Herz geschlossen. Weil er ehrlich spielt und geradeaus spricht. So ein Mann ist auch für andere Clubs interessant. Der Hamburger SV und Werder buhlen 1987 um den Defensivakteur. Aber nur Bremen ist bereit, die geforderte Ablösesumme von 1,2 Millionen D-Mark zu zahlen. Borowka wechselt an die Weser.

Große Erfolge und forsche Töne

Unter Coach Otto Rehhagel hat der gebürtige Sauerländer seine sportlich erfolgreichste Zeit. Mit den Hanseaten gewinnt er je zweimal die Meisterschaft und den DFB-Pokal. 1992 hält Borowka zudem den Europapokal der Pokalsieger in den Händen. In der Nationalmannschaft kommt er allerdings nur sechs Mal zum Einsatz. Bei der Europameisterschaft 1988 gehört der Bremer zum Aufgebot, anschließend wird er nicht mehr berücksichtigt.

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Werder Bremens Uli Borowka feiert den Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1992. © picture-alliance Foto: Sven Simon

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"Vielleicht hätte ich ein paar Länderspiele mehr gemacht, aber ich hatte mit Berti Vogts einen Disput", erklärte der Publikumsliebling dem "Berliner Kurier". Rehhagel weiß derweil, was er an Borowka hat und bescheinigt ihm "konstant gute Leistungen". Auf der anderen Seite wählen die Bundesliga-Profis den kompromisslosen Defensivakteur zum "unangenehmsten Gegenspieler". Borowka bezeichnet diejenigen, die mit seinem Auftreten nicht zurechtkommen, als "Waschlappen". Er scheint unangreifbar, doch die Fassade vom starken Mann bröckelt, als die ersten Gerüchte über Alkoholmissbrauch aufkommen.

Alkoholsucht beendet Profikarriere

Bei Werder - so verrät es der ehemalige Manager Willi Lemke später - wissen sie schon länger von den Problemen des angeblichen Musterprofis, als dieser 1996 einen teuren Sportwagen betrunken gegen einen Baum setzt. Die Polizei stellt einen Promillewert von 1,71 in seinem Blut fest. Der zweifache Familienvater ist alkoholkrank, versucht dies aber zu verbergen. "Als wir ein Haus für die Familie bauten, sagte ich zu meiner Frau: Du, wir bauen da einen Kühlraum dran. Das ist gut für Obst und Gemüse. Als ich fertig war, habe ich mich bei Hitze reingesetzt und einen Kasten Weizenbier getrunken", verriet er später.

Uli Borowka (l.) und Diego Maradona. Archivbild aus dem Jahr 1988 © picture-alliance
Im Nationalteam durfte Uli Borowka (l.) - hier mit Diego Armando Maradona - nur sechs Mal spielen.

Die Ehe zerbricht und Borowka verliert endgültig den Halt. Innerhalb von zwölf Monaten werden zwei Übergriffe im angetrunkenen Zustand gegen seine von ihm in Scheidung lebende Frau aktenkundig. Nun zieht auch Werder Konsequenzen und löst den Kontrakt mit dem Verteidiger auf. "Wir haben immer gesagt, Uli, wir geben dir Leute, die davon Ahnung haben. Er hat das immer negiert. Vielleicht waren wir am Anfang nicht hart genug", sagte Lemke der "Berliner Zeitung".

Glücklose Trainerlaufbahn - Entziehungskur im Jahr 2000

Borowkas Bundesliga-Laufbahn ist damit beendet. Nach einem erfolglosen Neubeginn beim Fünftligisten Tasmania Berlin sowie einem glücklosen Engagement bei Hannover 96 wechselt er 1997 als erster deutscher Profi nach Polen. Widzew Lodz heißt sein Arbeitgeber, für den er aber nur dann zum Einsatz kommt, wenn der Club hoch führt. Nach ein paar Monaten zieht der frühere Nationalspieler von dannen und zurück nach Bremen. Er versucht sich beim FC Oberneuland als Trainer, wird aber auch dort schnell gefeuert.

Borowka steht endgültig vor den Trümmern seiner Karriere und seines Lebens. Erst jetzt nimmt er den härtesten Zweikampf seiner Laufbahn an und begibt sich 2000 für vier Monate in eine Entziehungskur. "Das war hammerhart. Aber es half", erzählte er stolz dem "Weser Kurier".

Autobiografie und Verein für Suchtprävention

Borowka gewinnt nach und nach wieder Halt. Zwar sind weitere Trainertätigkeiten beim Berliner AK und Türkiyemspor nicht von Erfolg gekrönt. Im Oktober 2012 veröffentlicht der "trockene Alkoholiker" seine Autobiografie mit dem Titel: "Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker". Die starke Resonanz auf sein Buch und das Tabuthema veranlassten den in zweiter Ehe verheirateten Borowka 2013 zur Gründung eines Vereins "Suchtprävention und Suchthilfe e.V.".

Seitdem ist er regelmäßig in Schulen, Firmen oder Gefängnissen zu Gast, um über seine Erfahrungen zu sprechen. Längst hat er sich als einer der prominentesten Suchtexperten profiliert. Er sieht sich als erster Ansprechpartner, der die Hilfesuchenden an professionelle Anlaufstellen weitervermittelt. Und natürlich als Frontmann in der Prävention, ganz besonders für Kinder und Jugendliche. "Dass ich mit meinen 60 Jahren junge Menschen erreichen kann, macht mich besonders stolz. Und gibt mir die Kraft, um weiterzumachen." Denn den härtesten Zweikampf seines Lebens gegen die Sucht führt der "Eisenfuß" bis heute.

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Sport aktuell | 19.05.2022 | 10:25 Uhr

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