SG-Team jubelt über den European-League-Triumph © Jan Kirschner Foto: Jan Kirschner

"Völlig losgelöst" durch die Nacht: SG-Handballer feiern European-League-Triumph

Stand: 27.05.2024 20:25 Uhr

In Flensburg kann man auch an einem späten Sonntagabend eine Party starten. Zumindest dann, wenn die SG Flensburg-Handewitt nach fünfjähriger Durststrecke wieder einen großen Handball-Triumph feiert. Die Trophäe der European League ist die Nummer 16 in der Titelsammlung. Zudem gibt es keinen Verein, der fünf unterschiedliche Europapokale in seiner Vitrine stehen hat.

von Jan Kirschner

Es war ein wahrer Feier-Marathon. Das Spielfeld, die Umkleidekabine und auch der Mannschaftsbus, der einen längeren Halt auf dem Autobahn-Rasthof "Holmmoor" einschob, hatten bereits das Ambiente für die Sause gebildet, als der Bus gegen 23.45 Uhr endlich an der Campushalle ankam. Rund 800 Menschen hatten ausgeharrt, empfingen ihre Handball-Helden mit Gesängen, einem Spruchband ("Nur gemeinsam") und vielen Foto-Wünschen.

Vor allem Kevin Möller stellte sich immer wieder mit Fans vor die Handy-Kameras. Der Torwart, der 2018 als deutscher Meister für drei Spielzeiten nach Barcelona gegangen und 2021 zurückgekehrt war, wirkte unglaublich erleichtert. "Diese Saison hatte Höhen und Tiefen", sagte er. "Aber jetzt haben wir endlich einen Titel, und wir wollen den Abend nur noch genießen."

MVP Jakobsen beeindruckt als echtes Feierbiest

Dieser Abend, der inzwischen zur Nacht geworden war, erlebte eine Party im eigentlich zu engen Foyer der Campushalle. Die Spieler posierten mit dem Mitbringsel aus Hamburg - der Trophäe - auf dem Treppenbalkon des Logenbereichs. Kevin Möller, am Wochenende einer der Matchwinner, trat nun weniger in Erscheinung. Dafür erwies sich Linksaußen Emil Jakobsen, als bester Torschütze der Endrunde auch der "MVP", als echtes Feierbiest. Rückraumakteur Lasse Möller wie auch der scheidende Co-Trainer Mark Bult wurden mit umgedichteten Party-Hits besonders gehuldigt.

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Und Teitur Einarsson, der sonst so coole Isländer, improvisierte aus einem Fan-Schal einen Piraten-Look und war außer Rand und Band. Mit diesem Titelgewinn hatte sich ausgerechnet für seinen zukünftigen Club VfL Gummersbach, dem Bundesliga-Sechsten, das Tor zur nächsten European League geöffnet. Jetzt ging es aber nur mit seinem aktuellen Verein "Völlig losgelöst" durch die Nacht.

"Entscheidend war, dass die Physis für 120 Minuten reichte." SG-Trainer Nicolej Krickau

In diesem fröhlichen Gewusel war keine Zeit für Bilanzen und Analysen. Die hatte man am Schauplatz des Erfolges – zumindest in aller Kürze – gezogen. Beeindruckend war es, wie die Flensburger in den beiden Tagen von Hamburg dem Event ihren Stempel aufdrückten. 38 Treffer gegen Dinamo Bukarest, 36 Tore gegen Titelverteidiger Füchse Berlin – die Offensive war stets im Fluss und erreichte eine hohe Effizienz. Zumindest im Finale war die Defensive aber noch wichtiger und immer wieder Ausgangspunkt für empfindliche Gegenstöße.

"Die Abwehr mit Johannes Golla und Lukas Jörgensen arbeitete fast perfekt", lobte Jakobsen. "Mathias Gidsel und Nils Lichtlein bekamen immer wieder Kontakt und ließen viel Kraft." Die favorisierten Berliner mit ihrem auserwählten, aber auch recht schlanken Kader waren am ehesten am zweiten Tag einer solchen Endrunde zu schlagen. "Wir wussten um unsere Qualitäten, entscheidend war es aber, dass die Physis für 120 Minuten reichte", brachte es SG-Trainer Nicolej Krickau auf den Punkt.

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Im Rückraum waren die Flensburger derart breit aufgestellt - sogar Linkshänder Kay Smits gab nach krankheitsbedingter halbjähriger Pause sein Comeback -, dass sich selbst der Ausfall von Spielmacher Jim Gottfridsson (Rote Karte, 36.) kompensieren ließ. Vor allem Lasse Möller übernahm die Initiative. "Wir waren nicht nur das Wochenende, sondern die gesamte Woche der Vorbereitung unglaublich fokussiert", meinte Kapitän Johannes Golla.

Johannes Golla von der SG Flensburg-Handewitt jubelt. © IMAGO / Eibner
AUDIO: SG-Kapitän Johannes Golla: "Eine überragende Stimmung" (2 Min)

Vielleicht half auch ein prominentes Orakel. Vor dem Final Four um den DHB-Pokal hatte Bundestrainer Alfred Gislason auf die Flensburger getippt. Die schieden dann aber nach einer enttäuschenden Leistung bereits im Halbfinale aus. Dieses Mal hatte der Auswahlcoach im Vorfeld eine Prognose verweigert.

EHF plant wohl längerfristig mit dem Standort Hamburg

Gislason war aber anwesend und sprach von einer "schönen Kulisse in Hamburg". Man konnte aber den Eindruck gewinnen, dass sich außerhalb der deutschen Handball-Blase niemand wirklich für das Turnier interessierte. Die Arena war zu etwa drei Vierteln gefüllt.

"Als wir 2010 das erste Mal mit dem Final Four der Champions League in Köln waren, mussten wir doch sehr kämpfen, die Zuschauer in die Halle zu bekommen", erinnerte EHF-Präsident Michael Wiederer und bestätigte Gespräche mit der Stadt Hamburg und den Arena-Betreibern über eine langfristige Ausrichtung an der Elbe. "Wenn man eine Veranstaltung entwickeln will, braucht man einen festen Standort."

"Ich bin mir sicher, es war nur der erste Titel, weitere werden folgen." Nicolej Krickau

Die Flensburger retteten mit dem Europapokal die Saison, die sonst als eine titellose in die Annalen eingegangen wäre. Eine kleine Panne ließ tief blicken. Bereits bevor bei der Siegerehrung die Trophäe den Besitzer gewechselt hatte, köpften die Spieler eilig die Sektflaschen. Sie waren offenbar sehr durstig. Und sie sind hungrig nach sportlichem Erfolg.

"Wenn man einen Titel gewonnen hat, will man ihn das nächste Mal unbedingt bestätigen", meinte Kreisläufer Lukas Jörgensen. Und Trainer Nicolej Krickau erklärte gar: "Der erste Titel ist für eine neuzusammengestellte Mannschaft immer der wichtigste. Ich bin mir sicher, es war nur der erste Titel, weitere werden folgen."

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 27.05.2024 | 19:30 Uhr

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