Niklas Landin: Abschied für einen der Größten der THW-Historie

Stand: 08.06.2023 12:03 Uhr

Nach acht Jahren beim deutschen Handball-Rekordmeister THW Kiel wechselt der dänische Weltklasse-Torwart im Sommer zu Aalborg Handbold. Beim letzten Heimspiel wurde er schon einmal gebührend gefeiert - bevor er dann am Sonntag sehr sicher zum dritten Mal deutscher Meister wird.

von Christian Görtzen

Während seine Kinder Pelle und Silje gerade die Flugfähigkeiten ihrer neuen Zebra-Luftballons testeten und Ehefrau Liv an seiner Seite gerührt lächelte, nahm in der Kieler Arena die Huldigung für Niklas Landin ordentlich Fahrt auf. Der 34 Jahre alte dänische Ausnahmetorhüter stand mit seinen Liebsten auf der Spielfläche in einem Lichtkegel und blickte mit feuchten Augen hinauf zu den Rängen, die auch eine halbe Stunde nach dem 38:23-Heimsieg gegen die HSG Wetzlar noch immer vollbesetzt waren.

THW-Fans feiern ihre Nummer eins

Auf einer Werbebande prangte in großen Lettern auf Dänisch "Farvel og mange tak, Niklas" ("Auf Wiedersehen und vielen Dank, Niklas") - eine schöne Geste des THW, auch wenn sich noch ganz andere Superlative des Dankes an den 2,01-Meter-Hünen zwischen den Pfosten addressieren ließen.

Niklas Landin in seinem letzten Heimspiel für den THW Kiel. © imago images / Eibner Foto: Marcel von Fehrn
AUDIO: THW Kiel: Titel vor Augen, Tränen in den Augen (2 Min)

Im nächsten Augenblick drang der Hallensprecher mit seiner Stimme durch den Applaus. "Jetzt zieht es den Familienmenschen Niklas Landin mit seiner Familie zurück in die Heimat. Alles Gute für die Zukunft in Dänemark!", schallte es aus den Lautsprechern. Und dann rief er noch dreimal den Vornamen "Niklas!", und 10.000-fach kam ein donnerndes "Laaandiiiin!!!" zurück.

"Es war meine beste Handballzeit." THW-Torhüter Niklas Landin

Ergriffen sprach der zweimalige Welthandballer ins Mikrofon: "Ich kann es eigentlich nicht fassen, dass ich nie wieder hier spielen werde - zu Hause", sagte Landin, der in Söborg geboren, im Großraum Kopenhagen aufgewachsen ist und den es nun nach Nordjütland, zum Top-Club Aalborg Handbold, zieht. "Es war eine große Ehre für mich, hier zu spielen. Es war meine beste Handballzeit", sagte Landin.

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Niclas Ekberg vom THW Kiel. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken

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Ein Blick in seine persönliche Erfolgsliste bestätigt dies. Seitdem er 2015 von den Rhein-Neckar Löwen nach Kiel gekommen war, gewann er mit den "Zebras" bislang zehn Titel, darunter einmal die Champions League (2020), dreimal den DHB-Pokal (2017, 2019, 2022) und zweimal die deutsche Meisterschaft (2020, 2021).

Und es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Sonntag beim Gastspiel in Göppingen eine weitere Trophäe hinzukommen. Dem THW ist der Gewinn der 23. deutschen Meisterschaft angesichts eines Vorsprungs von vier Punkten und einer um 41 Treffer besseren Tordifferenz von Titelverteidiger SC Magdeburg de facto nicht mehr zu nehmen.

Landin auf einem Ohr taub

"Ja, das sieht richtig gut aus für uns. Es war natürlich auch unser großes Ziel, dass wir etwas machen könnten bei der Tordifferenz", sagte Landin dem NDR nach dem Kantersieg gegen Wetzlar. Sein Saisonziel hat der schon immer extrem ehrgeizige Torhüter, der als Kleinkind an Meningitis erkrankte und seitdem auf dem linken Ohr taub ist, damit zu 99 Prozent schon erreicht.

"Von Anfangs an war es mein größter Traum, den THW in die Champions League zu schicken und zum Abschluss noch mit der Meisterschale feiern zu können", sagte er. Dazu dürfte es am Sonntagabend im Rahmen einer Saisonabschlussfeier in der eigenen Arena kommen.

Gislason holte Landin nach Kiel

Zum THW gelotst hatte ihn vor acht Jahren der damalige THW-Coach und heutige deutsche Bundestrainer Alfred Gislason. "Er ist ein Super-Torwart, der schon in seinem jungen Alter mit starken Leistungen und Konstanz überzeugt. Er wird ein großes Puzzleteil beim Aufbau einer starken Mannschaft sein, die in der Lage ist, auch in Zukunft um alle Titel zu kämpfen", sagte der Isländer damals.

Wie recht er damit behalten sollte! Landin war in den vergangenen Jahren wohl nicht "nur" ein "großes Puzzleteil", er war das größte, das wichtigste. Ohne die außergewöhnlichen Leistungen des Dänen wäre es für den deutschen Rekordmeister in den vergangenen acht Jahren mit einiger Wahrscheinlichkeit der eine oder andere Titel weniger gewesen.

Katapultartig auf eine ganz andere Leistungsstufe

Dafür war Niklas Landin, der nach dem Sieg gegen Wetzlar Hand in Hand mit seinem Bruder und Teamkollegen Magnus feierte, einfach zu häufig der Spielentscheider. Sicher, es gab natürlich auch Spiele, in denen er über lange Zeit nur mäßig hielt. Das Besondere aber war, dass er sehr oft in den Momenten, in denen es wichtig wurde, plötzlich da war - so, als könnte er sich mit einem psychologischen Trick katapultartig auf eine ganz andere Leistungsstufe befördern.

Ähnlich war dies auch schon beim Franzosen Thierry Omeyer gewesen, der in seiner Zeit beim THW (2006 bis 2013) allein sechs Mal deutscher Meister wurde. Auch der Elsässer hatte diese Fähigkeit.

Gerard schon unter Vertrag - folgt nur Perez de Vargas?

Sportlich hat Kiel auf Landins Abgang bereits reagiert und den französischen Nationaltorwart Vincent Gerard von Saint-Raphael Var Handball verpflichtet. Darüber hinaus soll auch noch Interesse an Spaniens Nummer eins, Gonzalo Perez de Vargas, bestehen. Der 32-Jährige steht beim FC Barcelona unter Vertrag.

Landin passte perfekt zum THW Kiel

Trotzdem reißt Landins Wechsel nach Aalborg eine riesige Lücke beim THW - sowohl auf als auch neben dem Platz. Außerhalb der Halle flogen Landin durch seine skandinavische, unaufgeregte Art die Sympathien zu. Der Däne passte einfach perfekt zu dem norddeutschen Top-Club.

So hätten auf der Werbebande auch noch weitere dänische Lobpreisungen stehen können. "Fantastisk" womöglich, oder "fremragende" ("herausragend") oder "rigtigt fedt" ("wirklich cool"). Oder einfach: "Kære Niklas, det var en stor fornøjelse med dig." ("Lieber Niklas, das war ein großes Vergnügen mit dir.")

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Ein Handball liegt im Tornetz. © picture-alliance Foto: Frank Hoermann / Sven Simon

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 07.06.2023 | 23:03 Uhr

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