Handballer Juri Knorr wandelt auf Papas Olympia-Spuren
Die Medaillenhoffnungen der deutschen Handballer ruhen bei Olympia auf dem gebürtigen Flensburger Juri Knorr. Sein Vater Thomas stand 1996 bei den Olympischen Spielen in der DHB-Olympia-Auswahl und schwärmt dem Filius von den Erlebnissen dort vor.
Juri Knorr war noch lange nicht geboren, als Papa Thomas in Atlanta vergeblich um Medaillen spielte. Umso aufmerksamer lauscht Deutschlands Handball-Hoffnung den Geschichten seines Vaters. "Ich merke, dass es für ihn eine besondere Zeit war, die er genossen und sehr intensiv erlebt hat. Sein Opa stand schon dicht davor, als Zehnkämpfer an Olympischen Spielen teilzunehmen. Dass ich es geschafft habe, macht mich stolz, macht ihn stolz und auch meine Oma stolz", berichtete der 24-Jährige.
Den Feinschliff für den Saison-Höhepunkt und die Vorrunden-Duelle mit Spanien, Schweden, Kroatien, Slowenien und Japan will sich die Auswahl von Trainer Alfred Gislason am Wochenende holen. In Stuttgart misst sich die DHB-Riege heute (17.15 Uhr) mit Ungarn und am Sonntag (17.30 Uhr) mit Japan. Dann geht's endlich nach Paris.
"Ich möchte diesen Mythos Olympia mal richtig miterleben." Juri Knorr
Zum zweiten Mal in seiner Karriere wird Knorr sein Land bei Olympischen Spielen repräsentieren. Nach den Corona-Wettkämpfen von Tokio fühlt es sich aber wie eine Premiere an. "Ich bin dankbar für Tokio. Aber da musste man Maske tragen und sollte Abstand halten. Jetzt wird das noch mal gesteigert mit Olympia in einem Handball-Land. Ich möchte diesen Mythos Olympia mal richtig miterleben", sagte der Spielmacher.
Neben dem Traum von einer Medaille verfolgt der Basketball-Fan Knorr noch andere Ziele. "Wenn ich Team USA mal treffen sollte, wäre das schon cool. Man wird viele bekannte Gesichter sehen. In der Mensa herumzulaufen und in einer Schlange mit Leichtathleten, Judoka oder Ringern zu stehen, ist etwas Besonderes", sagte der 24-Jährige, der in Tokio ein Bild mit Basketball-Star Luka Doncic ergattert hatte.
Knorr: Hohe Erwartungen - großer Druck
Für Knorr bedeuten Großturniere einen Schritt raus aus der Komfortzone - und rein ins Rampenlicht. Grund sind seine fulminanten WM-Auftritte im Vorjahr. Plötzlich war Knorr Galionsfigur und Publikumsliebling des deutschen Handballs. Die Erwartungen sind hoch. Entsprechend groß ist der Druck. Gewinnt das DHB-Team, ist Knorr der Held. Bleiben die Leistungen aber aus, prasselt gnadenlose Kritik auf den introvertierten Ballverteiler ein.
Die vergangenen handballfreien Wochen mit der Familie dürfte Knorr nach den turbulenten EM-Tagen im Winter und dem Wechsel-Wirbel in der Liga genossen haben. "Ich probiere, aus meinen Erfahrungen zu lernen. Das hilft mir viel und beruhigt mich. Ansonsten schaffe ich mir Momente, in denen ich mich ein wenig herausnehme aus der reizüberfluteten Gesellschaft und zur Ruhe komme, um bei mir zu sein", berichtete Knorr.
"Wir erwarten viel von ihm und hoffen auf ein stabiles Turnier." Bundestrainer Alfred Gislason
Auch Bundestrainer Gislason weiß um die mentalen Konflikte seines Schützlings. "Er braucht auf jeden Fall viel mehr Lockerheit und mehr Spaß am Handball", riet der Isländer seinem Schlüsselspieler in der "Sport Bild". Zuletzt wurde Knorr mit einem Wechsel zum dänischen Top-Club Aalborg Handbold in Verbindung gebracht, der vom ehemaligen Flensburg-Coach Maik Machulla trainiert wird.
"Vielleicht wäre es gut, wenn er in eine Mannschaft käme, in der nicht alles auf ihm lastet", befand Bundestrainer Gislason - wohl wissend, dass Knorr diesem Druck im Nationalteam kaum entkommen kann. "Wir erwarten viel von ihm und hoffen auf ein stabiles Turnier", sagte der Isländer.
Rückendeckung für Juri: Familie Knorr in Paris dabei
In Tokio war für Knorr und Co. durch eine Niederlage gegen Ägypten im Viertelfinale Schluss. Jetzt ist das Halbfinale und damit mindestens das Spiel um Bronze das Ziel. Papa Thomas, der einst für den VfL Bad Schwartau, den THW Kiel, die SG Flensburg-Handewitt und den HSV Hamburg spielte, wird mit der gesamten Familie jede einzelne Minute mitfiebern.
Dass es gerade im Handball viele Söhne und Töchter gibt, die ihren Eltern nacheifern, überrascht ihn nicht: "So etwas wird weitergegeben in der Familie - und der ganze Handball hat ja auch noch viel familiäres", sagte der ehemalige Bundesliga-Profi, der in 83 Länderspielen 199 Treffer für die DHB-Auswahl erzielte. Nur mit der Olympia-Medaille klappte es nicht. Aber diese Mission kann Sohn Juri ja jetzt vollenden.